wie am Ob; zwar beobachteten wir oft grosse Fliige von Enten,
aber Gänse wurden seltener, ebenso wie Möven, von denen wir nur
noch der kleineü Mantel- und Sturmmöve, meist jungen Exemplaren,
begegneten.
Als wir das oben erwähnte Dorf mit dem lieblichen Namen erreichten,
stürzte sich der Schwarm der Passagiere sogleich in dasselbe,
um Lebensmittel einznkaufen, da die sogenannten „Zwischendecker“
für ihre eigene Beköstigung sorgen. Mit wenigen Kopeken
ka,nn sich jeder dieser unverwöhnten Leutchen seinen täglichen Bedarf
erwerben. Ich selbst erstand ein fast halbjähriges Schwein
für 80 Kopeken (kaum 2 Mark), welches wiinschenswerthe Abwechselung
in die Küche brachte, da wir auf dem „Kruschow“
eben von den Resten zehrten.
Das Dorf selbst bot jenes Bild der Unordnung, wie jedes
russische Dorf. In bunter Reihe stehen grössere und kleinere Häuser
wirr durcheinander, umgeben von Viehhürden, die aus Flechtwerk
gefertigt und mit Stroh belegt, nicht eigentlich gedeckt sind. In
den meist einem Sumpf gleichenden Dorfstrassen, die bei dem jetzt
trockenen Wetter übrigens leidlich zu passiren waren, treibt sich
Vieh beliebig umher, welches hier bei Weitem weniger schön ist,
als wir es am Ob bei den viehzüchtenden Ostiaken gesehen hatten.
Wie die Viehzucht, so steht auch der Ackerbau noch auf einer sehr
niedrigen Stufe und man ist verwundert über die rohe Form und
Arbeit der Ackergeräthe. Ich sah Pflüge (russ. Socha), die den
Pfahlbauzeiten zu entstammen schienen, und jedenfalls viel schlechter
waren als die, welche die alten Aegypter hatten. Sie bestanden
aus einem pflugscharartig geformten Wurzelstücke, welches auf der
unteren Fläche kaum handbreit mit Eisen beschlagen war. Wo
man aber selbst mit so unvollkommenen Instrumenten, die den Erdboden
eben nur oberflächlich aufzuwühlen vermögen, reiche Ernten
macht, da wird man noch für lange Zeit Geräthe des neueren Feldbaues
entbehren können oder sie zum mindestens nicht verlangen.
Der Landbau und die Ackerwirthschaft werden von Pallas (3. p. 6)
so ausführlich beschrieben, dass ich hierauf umsomehr verweisen
kann, weil sich seit den 100 Jahren hierin so gut als nichts geändert
hat. Nur bei Tjumen fängt man hie und da an zu düngen.
Auch für die .Fruchtbarkeit der reichen Schwarzerde (russ. Tscher-
nosem), welche auch die Baraba-Steppe (Gml. IV. p. 115) bedeckt,
führt Pallas zahlreiche Beweise an. So gedeiht Buchweizen an
manchen Orten 5 Jahre hintereinander, ohne dass er aufs Neue
gesät zu werden braucht, so dass Pallas hinzufügt: „keine Getreideart
schickt sich besser vor das träge sibirische Landvolk“ (2. p. 365).
— Vergl. auch Meyer (p. 216 u. 350 §t-) über diesen Gegenstand,
namentlich die Arten, welche angebaut werden. Ein würdiges
Gegenstück zu dem Pfluge bildete ein aus einem Baumstamme gefertigter
Mörser, in welchem eine Frau mit einer hölzernen Keule
Hanf stampfte, um die Körner aus den Hülsen zu lösen. Die ganze
Scene erinnerte an jene afrikanischen Bilder, welche Sklavinnen
Mais stampfend darstellen, denn schlechter scheinen darnach die
Geräthschaften gewisser Negervölker auch nicht zu sein.
Wir hatten das Land der Ostiaken längst verlassen und traten
aus den symbolischen Gebieten des uralten Heidenthums wieder in
die des Halbmondes ein; an den Ufern zeigten sich, namentlich von
Bronnikowo an, einzelne tatarische Dörfer mit ihren Moscheen!
Gegen 8 Uhr Abends (6. October) ertönte das ohrzerreissende
Geheul der Dampftute des „Kruschow,“ aus der Dunkelheit blinkten
eine Reihe Lichter, wir waren in Tobolsk! Da der Dampfer nur
wenige Stunden hier liegen blieb, ausserdem aber wegen des niedrigen
Wasserstandes der Tura nur 182 Werst bis zum Dorfe Artomonowka
(am Tobol) 275 Werst von Tjumen hinaufgehen konnte, so schickten
wir Iwan mit den vielen Gepäckstücken voraus.
Wir hatten für die Strecke Samarowa bis Tobolsk, welche
673 Werst (c. 96 d. M.) beträgt, bei niedrigem Wasserstande, wodurch
der Weg wesentlich verlängert wird, 3 Tage und 8 Stunden
gebraucht, doch wird bei günstigen Verhältnissen diese Strecke,
selbst mit einer schweren hölzernen Barsche im Schlepptau, meist
in 2 Tagen 23 Stunden zurückgelegt. Von Bereosoff bis Tobolsk
kann man bei guter Winterbahn in 8 Tagen per Schlitten reisen
(Hofmann).
Am Landungsplätze ging es ganz belebt zu; Istwoschtschiken
drängten sich uns nach dem Hotel zu fahren, und bald erreichten
wir die Gostiniza Siremätnikoff oder das „Hotel Europa,“ mit welchem
hochtrabenden Titel sich fast alle sibirischen Gasthäuser zu belehnen
pflegen. Ueber eine im Verfalle begriffene Treppe und einen balcon-
artigen Corridor ohne schützende Lehne tappten wir in ein spärlich
erleuchtetes Local, in welchem uns der Mann hinter dem Schenk-
tische durch schmutzig aussehende Kellner Zimmer, „Nummern,“
wie es hier heisst, an weisen liess. Der Preis eines solchen wurde