aus, welche wir z. Th. passirt hatten. Sie zerfällt scheinbar in eine
vordere grüne Terrasse, mit dunkelgrünen Schatten und eine weiter
zurückliegende heller grüne, mit fahlvioletten Lichtern. Letztere
wird von einer graugrünlichen mit einzelnen Schneeflecken gezeichneten
Gebirgskette begrenzt, hinter welcher sich der weit höhere schneebedeckte
Hauptstock des Urkadschargebirges erhebt, dessen Kammlinie
ziemlich gerade verläuft. Die regellosen Steinhaufen, welche
diesem Bilde als Vordergrund dienten, waren chinesische Grenzzeichen
und gaben demselben durch die sie bedeckenden lebhaft gelben
Flechten einen besonders malerischen Effect.
Den -Blick weiter auf die Ebene richtend sieht das Auge im
Süden die mit ewigem Schnee bedeckten zuckerhutförmigen Pies
des Orchudschukgebirges glänzen; im West begrenzt das Barlykge-
lArge, im Noiden der Tarbagatai die Ebene. Der Verlängerung des
letzteren folgend, da wo sich demselben das von NO. nach SSW.
streichende Urkadschargebirge abzweigt, zeigen sich die schneebedeckten
Gipfel des Mus-tau und Ssa-ur-Gebirges.
Zurück nach Norden schauend schweift das Auge weit über
eine Hochsteppe, die durch eine Bergreihe, die Kette des Monrak,
Begrenzung findet.
Das Gestein der erwähnten Grenzmarken, die dem zunächst anstehenden
entnommen wurden, ist, wie die von uns mitgebrachten
Handstücken zeigten, ein graphitischer Thonschiefer.
Die köstlich reine Gebirgsluft, im Verein mit dem herrlichen
kalten Wasser eines nahen Quells und der anregenden, hoch-
romantischen Landschaft, hatten ihre wohlthuende AVirknng auf
meinen Zustand nicht verfehlt. Dennoch glaubte ich, wie noch heut,
diesen wunderbar schnellen Wechsel auf ein ganz anderes Mittel
zurückführen zu müssen, und dies war kein anderes als eine Flasche
Champagner! Mein Verlangen, sonst nie gross nach einer solchen,
musste gestillt werden, sollte ich wieder genesen, so bildete ich mir
ein. Und Major Tichanoff wusste es selbst in dieser Einsamkeit
möglich zu machen, meinen vielleicht thörichten Wunsch zu erfüllen.
Sogleich nach unserer Ankunft hatte er in dankenswerther Vorsorge
einen Kosaken nach Saissan abgefertigt, der denn auch (einem Ritt
von 100 W. ca. 14 d. M. in etwa 10 Stunden zurücklegend) am
anderen Morgen 9 Uhr glücklich ankam. Nachdem die Flasche
vorschriftsmässig frappirt worden war in Schnee, welchen ein flüchtiger
Kirghise in einem Sacke ca. 10 W. weit aus einer Gebirgsschlucht geholt
hatte, trank ich sie und zwar ganz allein aus, und fühlte mich
wieder wohl. Ich erzähle hier die ungeschminkte Tbatsache und muss
hinzufügen, dass ich keinerlei berauschende Wirkung spürte, obwol
mein Magen seit mehr als 3mal 24 Stunden völlig leer geblieben war.
Major Tichanoff hatte es übrigens nicht blos auf die Schaum-
medicin ankommen lassen wollen, sondern auch einen Jünger Aesculaps
zur Stelle gezaubert: üm 2 Uhr erschien Stabsarzt Obrist Dr. Pander
aus Saissan und -wunderte sich nicht wenig als der dem Tode nahe
erwartete Patient heiter umherspazierte. Dass uns Dr. Pander, ein
Sohn des berühmten Anatomen und früheren Professor von Halle, als
Landsmann ganz besonders willkommen war, braucht nicht erst gesagt
zu werden. Er führte überdies noch Ueberraschungen bei sich:
frisches Rindfleisch, Zeitungen und-vor Allem Briefe aus der Heimath,
die ersten welche uns überhaupt erreichten. Es herrschte darob selbstredend
grosse Freude auf Burgasutai und die kurze Zeit verstrich
in dem anregenden und unterhaltenden kleinen Kreise nur zu schnell.
Für die Zoologie war inzwischen nur sehr wenig, für die Sammlungen
kaum etwas geschehen, denn ausser zwei Dunenjungen des
Jungfernkranichs (Grus virgo), die Dr. Brehm abgebalgt, waren
dieselben nur durch eine junge Kara-Biruk-Antilope (Antilope sub-
gutturosa), einen jungen Steinbock (Capra sibirica) und eine Wasserspitzmaus
(Crossopus fodiens) vermehrt worden. Letztere erlegte
Graf Waldburg in dem kleinen Quell, der ausserdem eine Unzahl
lebender Wesen und zwar Flohkrebse*) beherbergte. Sie hatten die
Spitzmaus offenbar ernährt denn nur Ueberreste von solchen fanden
sich im Magen. Die Hochsteppe am Siidabhange des Tarbagatai zeigte
übrigens dasselbe Vogelleben als die o o . bisher . durchwanderten: in
erster Linie Lerchen, schwarzköpfige Bachstelzen (Motacilla rnelano-
cephala), Maskenbachstelzen (M. personata), Rosenstaare (Pastor
roseus), Staate (Sturnus, wol Poltoratzkyi), blasse Weihen (Circus
pallidus), Dohlen, Saatkrähen, Hausschwalben (Hirundo rustica),
Flughühner (Pterocles arenarius), Trappen (Otis tarda). Auch der
schwarze Storch (Ciconia nigra), kommt hier vor, wie ein vonDr.iBrehm
präparirter Kopf zeigte. Graf Waldburg war übrigens während des
für mich unthätigen Aufenthaltes in Burgusutai nicht müssig ge-
*) Nach gütiger Mittheilung von v. Martens „bis auf kleine Abweichungen
in den Schwanzanhängen“ identisch mit Gammarus pulex, de Geer. Letztere Art,
welche ich in Barnaul erhielt, ist sehr gemein in Sibirien und wird vielfach als
Köder beim Fischfang benutzt. •