feierte man in der Heimat das schöne Fest des Frühlings, Pfingsten,
es war der Pfingstsonntag, nnd wahrlich, die Natur hätte uns keinen
einladenderen Platz, keinen schöneren Tag als den heutigen schenken
können. Sollte derselbe doch so recht eigentlich ein Festtag für
uns werden, denn in wenigen Stunden durften wir das Zusammentreffen
mit dem Gouverneur von Semipalätinsk General von Polto-
ratzky und dessen liebenswürdiger Familie erwarten, um ihn auf
seiner Inspectionsreise durch den Altai zu begleiten. Schon gestern
war uns durch flüchtige Kirghisen, welche in der Steppe fast dem
Telegraphen vorauseilen, die Kunde geworden, dass der General mit
zahlreichem Gefolge kaum 10 Werst von uns lagere und gegen
Mittag in Basch-tjerek anlangen werde. Zahlreiche vornehme
Kirghisen der Gemeinde Tschingistai im Thale der Buchtarma waren
schon vor uns eingetroffen und hatten prächtige Jurten zum
Empfang ihres hohen Chefs aufgeschlagen. Gegen 1 Uhr verkündeten
Staubwolken und Pferdegetrappel das Herannahen des
Zuges, der zahlreicher und glänzender war als wir jemals erwartet
haben würden. Von gewandten Hirten getrieben, sprengte zuerst
eine wilde Heerde von vielleicht 60 Stuten heran, welche den Milch-
vorrath zur Bereitung des unentbehrlichen Knmiss liefern sollten
und somit gleichsam die lebenden und belebenden Getränkquellen
für die zahlreichen kirghisischen Grossen bildeten. Die letzteren
erschienen in viel grösserer Anzahl als bisher, darunter mit Medaillen
nnd Ehrenzeichen geschmückte Sultahne, die ihre besten Pferde
und zahlreiche berittene Diener mit sich führten, so dass unser
kleines Gefolge von 8 Kosaken und vielleicht einem Dutzend Kirghisen
in der Menge vollständig verschwand. Sascha (Abkürzung
von Alexander), der etwa 13jährige Sohn des Gouverneurs, hatte
es sich als gewandter und kühner Reiter nicht nehmen lassen, mit
Kosaken und Kirghisen um die Wette reitend, vorauszusprengen
und bot uns den ersten Gruss. Bald darauf erschien der General,
seine anmuthige Gemalin und reizende Tochter, der Polizeimeister
Schelesnoff, Obrist Chaldijeff und andere werthe Freunde von Semipalätinsk
her. Wie es im Kreise der liebenswürdigen Familie nicht
anders sein konnte war das Wiedersehen ein ebenso ungezwungenes
als herzliches und bald sassen wir im Austausch des Erlebten bei
einem heiteren Mahle in der traulichen Jurte. Nach kurzer Rast
musste wieder aufgebroehen werden, denn wir hatten noch c. 15 W.
bis Mai-tjerek zurückzulegen, wo den General allerlei Amtsgeschäfte
erwarteten. Der Weg führte bergauf und bergab durch eine parkähnliche,
überraschend schöne Landschaft von gemischten Beständen
herrlicher Eschen, Weiden, Birken und sibirischen Tannen (Pichta),
die aus dichtem Unterholze verschiedenartigen Strauchwerks emporragten
und hie und da von üppigen, reich mit buntfarbigen Blumen
geschmückten Wiesengründen unterbrochen wurden. Das Ueber-
schreiten verschiedener murmelnder Bäche und Gebirgswasser gewährte
unvergleichliche Bilder in dem bunten Gewühl so vieler
phantastisch gekleideter Reiter, prächtig aufgeschirrter Handpferde,
beladener Kameele, frei dahinjageuder Stuten und deren Fullen.
Die beiden Damen der Gesellschaft zeigten sich überall wo es der
im Ganzen gute Weg gestattete als gewandte Reiterinnen, die an
Kühnheit uns Fremdlinge in Erstaunen setzten und denen wir oft
Mühe hatten im gestreckten Galopp zu folgen. Dieses stellenweise
Wettreiten war insofern nicht immer ungefährlich als die unzähligen
Löcher und Wühlarbeiten des Zokor die Hufe der Pferde oft plötzlich
tief einsinken Hessen und so Pferd und Reiter leicht zu Fall
bringen konnten. Gegen 5 Uhr erreichten wir einen schönen, von
hohen, hie und da mit Nadelholz (Lärchen und Pichten) bestandenen
Bergen umschlossenen, langgestreckten grünen Wiesengrund, das
herrliche Hochthal Mai-tjerek (1250 M. hoch). Es dient während
des Sommers als Grenzpiket für eine halbe Sotnie (50) Kosaken,
die in einer aus Baumstämmen errichteten Barake hier campiren
und die zum Empfange des Generals mit Trompeter und Standarte
in Parade aufgestellt waren. Es befremdete mich als noch weit
vor der Front die Offiziere abstiegen, aber die Erklärung liess nicht
lange auf sich warten, denn die zahlreichen Kirghisenpferde, ohnehin
schon bei dem ungewohnten Anblick stutzig, stoben bei dem
kräftigen „Hurrah“ der Soldaten und dem Schmettern der Trompete
wild auseinander und die Reiter hatten Mühe, die Thiere zu zügeln.
Unweit der Baraken war eine ganze Jurtenstadt entstanden. Dreizehn
dieser luftigen Wohnungen erhoben sich in kurzer Zeit zur
Aufnahme so vieler Gäste bereit, während eine Anzahl der kleinen
mennigerothen Tasehkendzelte hervorgezaubert wie Pilze emporschossen
und nicht wenig zur Belebung der Scenerie beitrugen,
Dieselbe war in der That eine überraschend mannigfaltige. Als
der Gouverneur im Strahle der Abendsonne Audienz*) ertheilte,
*) Es war eigentlich keine Audienz, vielmehr galt die Zusammenkunft um