welcher im Juli stattfand, ganz zurückgegangen ist, hat sich der
in Obdorsk seit dem Jahre 1825 eingerichtete immer mehr entwickelt.
Er versammelt im Winter, vom December bis März, alle
Eingebornen zwischen Tass und Ural und zwar ursprünglich mit
dem Zwecke die jährliche Steuer (Jassak) zu entrichten. So leicht
es übrigens für die Eingebornen wäre, sich in den Einöden der
Tundra dem lästigen Zwange zu entziehen, so sind sie doch willige
und prompte Steuerzahler, also auch hierin wiederum als lobendes
Beispiel zu nennen. Wer nicht selbst nach Obdorsk kommen
kann, giebt seine Steuer einem Anderen mit oder bezahlt sie im
folgenden Jahre. Freilich ist nicht blos die angeborene „in-
stinctive“ _ Gewissenhaftigkeit Ursache, sondern Bedürfnisse zwingen
zu einem jährlichen Besuche der „Hauptstadt.“ Es gilt nämlich
Verkäufe und Ankäufe zu machen und so entwickelte sich eben die
„Messe,“ und zwar nachdem die Steuer von Pelzwerk in Geld umgewandelt
war um so lebhafter. Oästren ist wol der Einzige, welcher
den Jahrmarkt aus eigener Anschauung beschreibt (I. p. 282), leider
aber sehr oberflächlich und ohne jede statistische Angabe. Castren
wurde „es schwer sich davon zu überzeugen, dass die Leute des
Kaufens und Verkaufens wegen hergekommen waren, denn diese
Marktgäste zeigten sich vollkommen ohne alles Interesse und führten
ihre Waaren nicht zu Markt.“ Dagegen bemerkte'Castren, dass sie ihre
besten Waaren unter den Pelzen verbergend, sich scheu in die
Häuser schlichen, um ihren Gläubigern nicht Alles überlassen zu
müssen, weil fast alle Eingebornen bei den Händlern verschuldet
sind. Dies mag freilich noch heut Vorkommen, allein im Grossen
und Ganzen scheint es nicht so arg zu sein. Trophimoff, wol der
bedeutendste Kaufmann Obdorsks, versicherte mir, dass die Samojeden,
welche ihm schulden, sich stets redlich bemühen abzuzahlen, so dass
er selbst solchen, die diess nicht im Stande sind, wiederum neuen
Credit giebt. Auch sollen die Eingebornen nicht systematisch in
der Weise mittelst Schnaps um ihre Vorräthe betrogen werden, wie
man diess so häufig liest. „Ein halber Stof Brantwein,“ schreibt
Poljakoff, „wird in den meisten Gegenden unterhalb Bereosoff mit
einem Rubel bezahlt und häufig erhält der Ostiake dafür nur eine
Theetasse Branntwein. Ein Pfund Tabak im Werthe von 20 bis
25 Kop. muss der Ostiake mit Waaren im Betrage von 1 R. und
häufig noch höher erstehen.“
In dieser betrügerischen Weise*) mögen die auf der Tundra
hausirenden Syrjänen und Russen verfahren, aber in Obdorsk herrscht
doch ein anständigerer Usus, wie schon die nachfolgenden Notizen
meines Freundes Goldmacher zeigen, der mich ohne Rückhalt einen
Blick in den Pelzhandel thun liess. Er bezahlt den Eingebornen
für einen Eisfuchs, weiss im Winterpelz (Belii pisset), 1 R. (Verkauf:
1,20 —1,40); 1 Sinjak, d. h. weisser Eisfuchs mit grauem
Rücken, 60 Kop.; für 2 Krestovatik, Kreuzfuchs, d. h. junger Eisfuchs
in mäusefahlem Pelze mit schwärzlichem Längs- und Querstreif
über Rücken und Schultern, 1 R.; eigentlicher Blaufuchs,
russ. Golobai, d.. h. die aschgraue Varietät des Eisfuchses ist in N.-
W.-Sibirien sehr selten und wird mit 5— 6 R. bezahlt (Verk.: 6—10);
1 gewöhnlicher Fuchs, schlechteste Sorte (Bela-duschka, d. h.
Weissbrust), 2—3 R. (Verk.: 3—4), feinere Seiten 5—10 R. und
je nach der Beimischung von Schwarz 20, 40, bis zum reinen
Schwarzfuchs 100 bis ein paar hundert Rubel. Graue Eichhörnchen
(Veh der Pelzhändler, russ. Wjetka oder Belii mech) kosten 10 bis
15 Kop. das Stück; Vielfrass 3—4 R. Zobel kommen bei Obdorsk
nicht mehr vor und werden nur während des Jahrmarktes angebracht.
Dagegen bilden Renthierfelle einen Hauptartikel. Goldmacher
zahlt für das Fell eines Päschke, d. h. 14 Tage bis einen
Monat altes Kalb, 1 R. (Verk.: 1,20), für 1 Näplui, d. h. 1—3 Monate
altes, 2,50 (Verk.: 3—3,50); für 1 Wiristik, d. h. 6 Monate altes,
1,50; 1 Päsceli, d. h. 7 M. altes, 1,30; für das Fell eines alten
zahmen Rens zum Gerben 1 R. (Verk.: 2—3), zu Pelz 2 R. (Verk.:
2,50), eines wilden Rens 2 R. (Verk.: 3—4 R.). — Fertig genähte
Pelzfutter nebst Besatz zu einer anständigen Malitza kosten in Obdorsk
von Krestovatik 30 R., von schönem Fuchsbalg bis 100 R. Am
theuersten sind solche von Biberfell (Bobr), sie kosten bis 200 R.
und mehr. Da der Biber**) am Ob fast ganz ausgerottet ist, so
finden solche aus Nordamerika ihren Markt hier. Die, welche ich
zu sehen bekam, waren schlechte, kleine schwarz gefärbte Felle mit
*) Wie überraschend ehrlich übrigens auch wiederum der Tauschhandel sein
kann, davon giebt Hofmann (p. 65) ein Beispiel. —
**) Poljakoff hat sein Vorkommen an den Zuflüssen des Pelym neuerdings
nachgewiesen, aber v. Baer’s gründliche Untersuchungen lassen keinen Zweifel,
dass der Biber in Sibirien zu allen Zeiten sehr sporadisch verbreitet und selten
war (Beitr. z. Kenntn. d. Buss. Reichs, 7 Bändchen, 1845 p. 240).