3 Rubel verlangte. Freilich verstanden wir nocb nicht Landessitte,
sonst würden wir überhaupt nicht nach dem Preise gefragt, sondern
30 bis 50 Kopeken anf den Tisch gelegt haben, womit in diesen
von der grossen Strasse abgelegenen Dörfern die Leute allemal zufrieden
sind. Die leidigen Conserven mit denen wir uns schon von
Bremen beschwert hatten erwiesen sich als unpractisch und zwar
aus dem Grunde, weil es in russischen Häusern keine Oefen wie bei
uns giebt, da die Speisen im Backofen gar gemacht werden. Das
ging für unsere Blechbüchsen nicht an und das Kochen im Samowar
war ebenfalls mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Ick würde
daher nicht anrathen dergleichen Sachen mitzunehmen, will aber
immerhin gern anerkennen, dass uns die trefflichen Präparate von
Frau Tegeler in Bremen auf der Tundra später gute Dienste leisteten,
obwol Spargel und Blumenkohl etc. Einem in jenen Gegenden fast
komisch Vorkommen.
Da ich gerade beim Essen bin will ich gleich hier bemerken,
dass die überaus grosse Liebenswürdigkeit und Güte der Poltoratzky’-
schen Familie uns aller weiteren Sorgen enthob: wir waren ein für
alle Mal zu Tische geladen und hatte Einer von uns nicht Zeit zu
erscheinen, so wurde ihm das Essen ins Haus geschickt.
Wenn ich dieser Vorsorge für unsere leibliche Pflege hier gedenke,
so geschieht es nur desshalb, weil dieselbe in einer Stadt
wie Semipalátinsk, welche meines Wissens kein Hotel besitzt, immerhin
nicht unwichtig ist, allein sie muss in den Hintergrund treten gegenüber
der Herzlichkeit mit der wir überhaupt in diesem gastlichen
Hause aufgenommen wurden und in welchem wir uns schon von
der ersten Stunde an heimisch fühlten. Der Umstand, dass m der
Familie deutsch, englisch und französisch so geläufig als russisch
gesprochen wurde trug nicht wenig dazu bei und so entspann sich
stets in der ungezwungensten Weise eine Unterhaltung bei der wir
nur lernen konnten. Denn die ganze Familie Poltoratzky war mit
den Gegenden nach denen wir strebten aus dem Grunde bekannt
und die meisten der liebenswürdigen Herren Officiere, die wir im
Hause kennen lernten, nicht minder. Der General, bekannt als
wissenschaftlicher Reisender*), der bereits 1867 mit Baron v. Osten-
Sacken über den Son-Kul und Narym die Hauptkette des Tian-Schan
überschritten und sich bis auf 7 Meilen Kaschgar genähert hatte,
*) Vergl.: Zeitschrift für Erdkunde 1875. p. 97. —
musste alljährlich in seiner Eigenschaft als Gouverneur den Altai
längs der chinesischen Grenze bereisen und dabei hatten ihn Frau
und Tochter schon öfters begleitet. Als wir die .Beschreibungen
der gefährlichen Touren in jenen wilden Gebieten aus dem Munde
der Damen hörten schien es oft kaum glaublich. Aber die trefflichen
photographischen Aufnahmen, welche die Generalin mit seltener
Meisterschaft gemacht hatte, liessen keinen Zweifel und später hatten
wir selbst genügend Gelegenheit die Virtuosität der Damen in Ueber-
winden von Strapazen zu bewundern, von denen sich Alpenreisende
nach unserem Style keinen Begriff machen können.
Die Sympathie für reisende Naturkundige lag übrigens mit
im Familienblute, denn Severtzoff, der heldenmüthige und hochverdiente
Durchforscher des Tien-Schau, ist ein Schwager von Poltoratzky.
So hatten wir also schon im Voraus auf Sympathien hoffen dürfen
die durch die ausgezeichneten Empfehlungen von Sr. Excellenz dem
Staatsrath Peter von Semenow, dem Vice-Präsidenten der Kaiserl.
Russ. Geogr. Gesellschaft in St. Petersburg und Herrn Baron v. Osten-
Sacken wahrscheinlich noch bestärkt worden waren.. Herr v. Semenow,
bekannt als einer der Pioniere unter den reisenden Forschern in
Central-Asien, der zuerst bis zu den Gletschern des Tien-Schan vordrang,
hatte schon in Petersburg mit uns den Plan zur Reise nach
dem Alatau und Altai besprochen, und den Herrn Gouverneur bereits
unterrichtet. Wir sprachen daher nochmals Alles genau durch,
denn bei der kurzen Zeit die uns blieb war Eile geboten, und stellten
für alle zu berührenden Punkte genaue Daten fest. Am angenehmsten
war uns dabei die Voraussicht mit dem Gouverneur am Südabhange
des Altai wieder zusammenzutreffen um in seinem Gefolge die Reise
durch jenes interessante Gebirge zu machen. Ehe wir von ihm schieden
hatte der Gouverneur die ausserordentliche Güte noch eine Jagd auf
Argali in den Arcatbergen, die auf unserer Route lagen, zu arrangiren,
was uns natürlich nur im höchsten Grade willkommen sein konnte.
Da bei der Menge von Theilnehmern an dieser Tour die Postpferde
nicht gereicht haben würden, so reiste die Gemahlin nebst
dem Fräulein, unter Begleitung des Obrist Chaldijeff und Anderen
2 Tage früher voraus, um uns auch in der Wüste die Frau des
Hauses nicht vermissen zu lassen.
Die paar Tage vergingen uns in Semipalätinsk ungemein rasch.
Dr. Brehm leitete das Feuerwerker - Laboratorium, in welchem 3,
vielleicht sogar 4 Soldaten, die der Gouverneur gütigst commandirt