eben nur eine Kleinigkeit gewesen sein würde, und ick konnte mir
es nicht versagen ein solches Bild meinem Scizzenbuche einzuverleihen.
Ein Seitenstück zu den Zugkameelen waren gesattelte Reitochsen,
die mittelst eines durch die Nasenscheidewand gestossenen
Pflockes gelenkt wurden und auf denen die kirghisischen Hirtenknaben
so stattlich dahergalloppirten, dass sie sich nicht zu schämen
brauchten. An Ausdauer und Schnelligkeit konnten es diese Renner
selbst mit Anderson’s berühmten Damara-Reitochsen „Malborough,“
von dem er uns bei seinen Elephantenjagden soviel Rühmliches zu
erzählen weiss, aufnehmen. Aber auch als Lastthiere auf Gebirgs-
reisen sind diese kirghisischen Ochsen unübertrefflich, wie Wlangali
nicht genug zu rühmen weiss (Reise nach der östl. Kirghisen-Steppe.
p. 206). Die eigentümlichen aus Erde errichteten Grabmäler (russ.:
Magils) der Kirghisen, welche sich schon von Weitern kenntlich
machen und denen wir hier oft begegneten, erregten ebenfalls unsere
Aufmerksamkeit. Doch ich werde auf dieselben noch zurückzukommen
haben.
Schon seit der 22. Station (Podpusknaja) hatten wir hie und
da im Sande einzelne grössere Steine erblickt, die ersten seit dem
Ural*), aber zwischen der 25. und 26. Station (Gradschewskaja) und
Tscheremuchowskaja zeigte sich anstehendes Gestein, und zwar Kalkfels,
wie der unweit dieses Dorfes in Thätigkeit befindliche Kalkofen
noch deutlicher zeigte. Schon Pallas (Reise II. p. 494) erwähnt
dieses Steinbruches, der zu seiner Zeit das Material zur neuen Festung
Omsk lieferte und in dem ausser Verbannten 100 Kosaken arbeiteten.
Der Quarzfels bei Belo Kamene ist also nicht das einzige anstehende
Gestein, zwischen dem Irtisch und Ural, wie v. Cotta angiebt. Nach
Pallas hat Gratschewskaja übrigens seinen Namen von den vielen
Saatkrähen (Gratschi), die sich hier den ganzen Sommer über mit
Vertilgung der Heuschrecken beschäftigt aufhalten sollen. Wir
trafen Corvus frugilegus wie erwähnt aber selten und nicht bei diesem
Dorfe. Der Character der Steppe hatte sich überhaupt mit: der
26. Station wie mit einem Schlage verändert. Zwar war das Terrain
noch durchaus sandig und bildete überall dünenartige Erhebungen,
aber diese Sandwüste war mit schönen Kiefern besetzt, die zuweilen
förmliche Wälder**) bildeten, und durch die ausserordentlich ver*)
Nach G. Eose findet sich das letzte anstehende Gestein am Ufer der Solo-
wianka, etwas hinter der zweiten Station von Jekaterinenhurg (Eeise I. p. 475).
**) Ueher diese Steppenwälder vergleiche auch Helmersen 1. c. p. 201, —
schiedene Gestalt mit bald aufwärts- bald herabgehogenen Zweigen
der einzelnen Bäume, die oft ganz andere Arten zu sein schienen
oanz besonders unsere Aufmerksamkeit erweckten. Das linke Ufer
des Irtisch war mit Weiden und Pappeln dicht besetzt hinter welchem
Gürtel sich eine weite Ebene ausdehnte, die plötzlich durch eine
Bergkette begrenzt wurde, welche dem Auge neue längst ersehnte
Abwechselung gewährte. Diese bei Weitem höher als in Wirklichkeit
erscheinende blaue Bergkette die jetzt noch mit weissen Schneestreifen
geziert war, ist dee Semi-Tau, eine jener vereinzelten isolirten niedrigen
Granitgruppen der südlichen Irtisch-Steppe.
Da wir, um überschwemmten Strecken auszu weichen, wieder
einen grossen Umweg hatten machen müssen, erreichten wir die
Station (28) Belo-Kamene, ein kleines Dorf ohne Kirche erst gegen
11 Uhr (29. April). Dieselbe ist desshalb bemerkenswerth weil unmittelbar
vor derselben weisser Quarz in grösser Mächtigkeit auf
den niedrigen Hügelkuppen zu Tage tritt und dem Dorfe den Namen
(weisseSteine) verschafft hat, wie dies schon Pallas erwähnt (2.2.p. 495).
Hinter Belo Kamene sieht man sich plötzlich wieder m Salzsteppe
versetzt, eine armselige mit Dünen besetzte Gegend, auf der
viel Sandhafer wächst, und die mit weissen Salzinerustationen, Schneefeldern
gleich, bedeckt ist. Nachdem wir diese Ebene passirt hatten
kamen wir bei Staro (Alt) Semipalätinsk in eine sanfte mit Kiefern
besetzte Hügelgegend, behielten aber den Irtisch fast stets zur Rechten,
an dessen unbewehrten Rande die Strasse oft näher hinführte als
uns angesichts der zum Durchgehen geneigten Pferde lieb war.
Hinter Staro Semipalätinsk geräth man in ein wahres Gebirge von
Dünen, die höher sind als ich sie an der Nordsee jemals gesehen
habe und mächtige Kiefern oft ganz eingehüllt hatten. Von der
Höhe dieses Dünenkammes sahen wir Semipalätinsk oder wenigstens
die Thürme desselben, sieben an der Zahl, wenn ich nicht irre, vor
uns liegen. Ehe wir das ersehnte Ziel selbst erreichten hatten wir
mehrere kleine überbrückte Bäche zu überschreiten, was, wenigstens
für den Grafen und mich nicht ohne Unfall abgehen sollte. Unsere
Schimmel scheuten nämlich vor der letzten Brücke, machten die
bekannte scharfe Drehung und warfen uns in bekannter Weise um.
Einige Vorübergehende halfen den Wagen aufrichten, aber unsere
braven Schimmel konnten es nicht erwarten bis der Kutscher seinen
Sitz richtig eingenommen und brannten durch, geradewegs auf den
nahen, uneingezäumten Irtisch zu, was für die Insassen kein geradezu