orkanartiger Heftigkeit durch das schmale Thal, welches die östliche
Spitze des Ala Tau (Kuk-tau) und Barlyk-Gebirges trennt und
richtet unter Heerden und Karawanen grossen Schaden an. Die abergläubischen
Eingebornen schreiben seine Entstehung daher der
wunderbaren aber sagenhaften Höhle Uybe zu, über welche Schrenk
ausführlicher berichtet (1. c. p. 50). —
Unser Jurtenlager dehnte sich, wie erwähnt, südlich an einen
sanft aufsteigenden kahlen Steppenhügel, den Graf Waldburg-Zeil
auf seinen botanischen Streifereien besuchte. Er sah von hier aus
in südöstlicher Richtung soweit das Auge reichte nichts als Rohrwälder
vor sich, konnte aber den östlichen grossen Ala-Kul selbst
nicht erblicken. Interessant war ein auf jenem Hügel anstehendes
Gestein, Porphyrtuff, von dem der Graf, wie immer auch eifrig mit
Geologie beschäftigt, Handstücke heimbrachte.
Ehe wir unseren Halteplatz bei Ak-Tübe erreicht hatten passirten
wir eine weite flache spärlich mit Rohr bestandene Uferstrecke,
welche uns in verlockender Weise ein Vogelleben zeigte wie wir
es bis jetzt nicht gesehen hatten. In den seichten Lachen und
Pfützen am Ufer wadeten Avocetten (Recurvirostra avocetta), Strandreiter
(Himantopus rufipes), Gambettwasserläufer (Totanus calidris)
und Kibitze (Vanellus cristatus). Weiterhin zeigten sich Blässhühner
(Fulica atra), zahlreiche Flüge von Enten und kreischenden Möven;
unter letzteren, neben der Lachmöve (Larus ridibundus), ihre riesige
Verwandte die Fischermöve (L. ichthyaetus), deren Erscheinung
natürlich ganz besonders verlockte. Wir hatten uns daher kaum
am Lagerplatze verschnauft als der Jagdeifer Dr. Brehm, der seit
Omsk leidend war, nach jener Stelle hintrieb. Schon nach wenigen
Stunden kehrte er aber erschöpft zurück, und zwar ohne Fischermöven,
die sich viel zu scheu gezeigt hatten. So waren ihm nur ein paar
Lachmöven, ein Strandreiter und eine Graugans zu Theil geworden;
am anderen Tage glückte es ihm aber einen Kranich (Grus cinerea)
zu überlisten, der zur Bereitung einer Kraftsuppe verwendet wurde,
die wenn auch nicht besonders delicat, dem Einerlei des Liebig’schen
Fleisehextractes doch vorzuziehen war. Die Jagd in diesen Rohrdickichten
erwies sich in der That als sehr schwierig; kleine Vögel
gingen meist verloren und grosse liessen sich nicht beschleichen.
So kam es, dass trotz der Menge von Wassergeflügel von 6 Jägern
nur 2 Gänse und eine Ente (Fuligula nyroca) erlegt wurden. Die
Graugänse führten jetzt Dunenjunge, für welche die Mütter meist
eine staunenswerthe Liebe entwickelten, und dadurch zum Opfer wurden.
Im Uebrigen war den auf der offenen Steppe weidenden Gänse-
heerden ebensowenig anzukommen als den Kranichen. Angesichts
des herrlichen grossen Sees blieb übrigens das Vogelleben, sowol
was Arten- und Individuenzahl anbelangt, hinter den Erwartungen
zurück, und konnte z. B. keinen Vergleich aushalten mit dem wie
ich es in Ungarn und an der unteren Donau getroffen hatte. Von
Enten machten sich neben Stock-, Schnatter-, Spiess-, und Knk-
enten (Anas boschas, streperà, acuta und crecca), besonders Fuchs-
und Höhlenenten (A. rutila und tadorna), sowie die schöne Kolbenente
(A. rufina) bemerkbar. Cormorane (Graculus carbo?) zogen
einigemal in kleinen Flügen vorüber, ebenso Silberreiher (Ardea
egretta) und Schwäne (Cygnus spec?). Bei den Jurten zeigten sich
in bekannter Frechheit dunkle Milane (Milvus Govinda, Syk.), und
eine unserer Corvus corone ähnliche Krähe, deren Flügel im Sonnenscheine
aber auffallend braun schimmerten, die aber nicht zu erlangen
war. Von Kleingevögel zeichneten sich besonders Bachstelzen
aus; neben der schwarzköpfigen, der am häufigsten, zeigten
sich grauköpfige, die gemeine weisse (Motacilla alba) und sogar
die Gebirgsbachstelze (M. boarula) einzeln am Gestade. Unter den
Lerchen war unsere Feldlerche und die kurzzehige häufig, auffallend
das Fehlen der Mohrenlerche, die wir erst viel später jenseits des
Saissan Nor wiederfinden sollten. Im Rohr erschallte der Gesang
verschiedener Rohrsänger, von denen ich nur den des Heuschreckenrohrsängers
(Calamoherpe locustella) bestimmt zu unterscheiden vermochte;
ausserdem machte sich hier der schwarzkehlige Wiesenpieper
(Pratincola rubicola) bemerkbar und Dr. Brehm versicherte
sogar den Haussperling gesehen zu haben. Die Rauchschwalbe
(Hirundo rustica) fand ich in verlassenen Schilfhütten der Kirghisen.
Dass Graf Waldburg-Zeil aus der Steppe die Turteltaube (Turtur
meena) heimbrachte war nach den bisherigen Erfahrungen nicht
mehr zu verwundern, umsomehr aber in dieser baumlosén Gegend
das Vorkommen der Rothhals-Drossel (Turdus ruficollis), von der
Dr. Brehm einen jungen einjährigen Vogel erlegte. Die liebliche
Erscheinung des Rosenstaares (Pastor roseus), schon Tags zuvor
bemerkt, stattete uns- täglich Besuch ab; die Vögel verschwanden
aber meist so schnell als sie gekommen waren. Auch Fettammer
(Emberiza hortulaua) liessen sich öfters bei den Jurten sehen. In
der Uferwand des Sees befand sich eine zahlreiche Colonie von
F in s c h , Reise. 9