die nächsten Verwandten herbeigerufen; jedenfalls aber nach dem
Ableben. Entsprechend der geringen Vorliebe für Waschen, unterlässt
man dies auch beim Verstorbenen, dem indess die Haare
sorgfältig gekämmt und die besten Kleider angezogen werden. Die
alten Kleider erhalten arme Leute. In der ersten Nacht darf das
Feuer im Tschum nicht erlöschen. Gleich nach dem Tode wird
der Grabkasten errichtet, wobei die Verwandten zu helfen pflegen.
Sobald derselbe fertig ist, was ein bis höchstens drei Tage erfordert,
schreitet man zur Bestattung selbst. Das Tuch womit man das Gesicht
des Verstorbenen bedeckt hatte, wird gelüftet, alle nahen Verwandten
nehmen Abschied von ihm, indem sie ihn küssen, dann
wird der Leichnam zur letzten Ruhestatt getragen oder mit Ren-
thieren oder auf einem Boote gefahren und in den Grabkasten gelegt.
Hier findet ein Liebesmahl statt, d. h. man schlachtet je nach
dem Range des Verstorbenen eins oder mehrere Renthiere, zündet
ein Feuer an, kocht und verzehrt das Fleisch derselben. Dass bei
diesem Mahle auch Schnaps getrunken wird, bewiesen mir zerbrocheue
Flaschenreste, welche man öfters bei den Grabstätten findet. Es
wird daher beim Schluss vermuthlich ganz heiter hergehen, wie dies
auch in vielen Gegenden Deutschlands der Fall ist, wo die Gäste
nach dem Begräbniss im Kretscham fröhlich zechen und nicht
selten, wie unweit Bremens, ein Tänzchen machen. Am Jahrestage
des Todestages wird ähnlich wie bei den Kirghisen (vergl. p. 106)
ein Erinnerungsmahl abgehalten und dabei ebenfalls möglichst viel
gegessen und getrunken. Bei diesen Todtenopfern pflegen die Samojeden
am Jenissei häufig soviel Renthiere zu schlachten, dass das
Erbe bedeutend geschmälert wird, wie Middendorif (p. 1457) berichtet,
der hier zugleich über die Erbregulirung Mittheilungen
macht.
Die Renthierschädel bei den Gräbern rühren übrigens nicht
ausschliessend von solchen her die an Ort und Stelle geschlachtet
wurden. Sehr häufig pflegen die Erinnerungsmahle nämlich in den
Tschums abgehalten zu werden und man bringt von hier aus die
Schädel als Wahrzeichen nach dem Begräbnissplatze. Diese Versicherung
Jorkas erklärt den Umstand, dass man an demselben ausser
Schädeln selten mehr als zertrümmerte Markknochen findet. Es
scheint mir daher auf unrichtigen Angaben zu beruhen, wenn Sujew
(Pall. p. 55), Sehrenk (p. 525) und Kowalski (p. XXVII) von
Ostiaken und Samojeden behaupten, die 3 Renthiere-, welche den
Todtenschlitten ziehen, werden getödtet und bleiben mit Geschirr
und Allem liegen in der Stellung wie sie sonst den Schlitten zogen.
Wäre dies der Fall so hätte ich ohne Zweifel Spuren dieses Gebrauches
bemerkt, da ich ja eine grosse Anzahl Gräber zu sehen
bekam.
Auch der grausamen Tödtungsart der Renthiere beim Begräbniss
(Durchbohren mittelst spitzer Hölzer: Sujew, Schrenk; Verstopfen
von Nasenlöchern, Mund, Ohren u. s. w. mittelst Holzkeilen:
Hofm.* p. 28) liegen keine eigenen Beobachtungen, sondern
nur aufschneiderische Berichte von Syrjänen etc. zu Grunde, wie
ich auf das Bestimmteste versichern darf. Die Sitte der Todten-
mahlzeit zeugt zugleich von dem Wohlthätigkeitssinn, denn ein
guter Theil des Fleisches kommt Hilfsbedürftigen zu Gute.
Von sichtbaren Trauerzeichen Seitens der Hinterbliebenen brachte
ich nichts in Erfahrung, kann aber auf Grund letzterer versichern,
dass Kostrow’s Angabe, die Ostiakenfrau raufe sich das Haar aus
und kratze sich mit den Fingernägeln das Gesicht auf, bis das Blut
an den Wangen herablaufe, unrichtig ist.
Die eigenthümlichen Bestattungsceremonien haben ohne Zweifel
eine religiöse Basis und die Sitte den Todten allerlei Geräth mitzugeben
hängt offenbar mit dem Glauben an ein Fortleben der Seele
zusammen (vergl. auch Schrenk p. 526) und hat sich selbst bei
christlichen Ostiaken erhalten. So fand ich auf dem Kirchhofe bei
der Ostiaken-Niederlassung Käoschka, der übrigens weit besser gehalten
war als die meisten russischen, die Todten zwar unterirdisch
begraben, aber einen Holzkasten über dem Grabe errichtet. An
diesem fehlte selbstredend das Kreuz nicht, aber es lagen allerlei
Geräthschaften dabei, darunter, als besonders characterisiisch für
die hier pferdehaltenden Ostiaken, Krummholze von Deichselpferden
!
Poljakoff beschreibt übrigens (p. 52) dreierlei ostiakische Himmel,
deren höchster frei ist von „Abgaben, Beamten, von allem Dem,
was sie um ihren Wohlstand gebracht hat.“ Die hübsche Sage
von dem berühmten Tatibe Urier (Schrenk I. p. 527, Castren I.
p. 262), der auf seinem Renthierschlitten und mit seinem Weibe
(also wiederum ein Beweis der Achtung des letzteren!) lebend gen
Himmel fuhr, spricht ebenfalls für ein Fortleben. Dennoch glauben
Ostiaken und Samojeden nicht an ein solches, denn wenn auch
Säkoff und Jorka auf Befragen meinten, die Sachen werden dess