bachstelze (Motacilla personata) zeigte sich noch bis in die Vorläufer
der Steppenberge, fehlt aber am Ala-Kul. Auffallend war ein
grösser Flug Saatkrähen (Corvus frugilegus), die dem Pfluge der
ackernden Kirghisen folgten .und die wir auf der ganzen Steppenreise
von Sergiopol an nicht angetroffen hatten. Dass die Dohlen
(Corvus collaris) sich in den hohlen Uferbäumen bei Lepsa und in
den Uferwänden des Dschindschilli ebenso heimathlich eingerichtet
hatten, als in Häusern von Lepsa selbst, wo auch für die Unterkunft
des Staars in den bekannten Kästen gesorgt war, verwunderte
mich weniger, als das unvermuthete Erscheinen des Haussperlings
(der indischen Form: Passer indicus) bei Jurten mitten in der Steppe.
Freilich bemerkte ich nur ein paar Männchen, und diese mochten
wol als Kundschafter ihres Stammes ausgesehickt sein, um über die
Steppe zu berichten. Die Flughühner (Pterocles arenarius) und
Zwergtrappen (Otis tetrax, kirghisisch: Kaukatschak) werden sie wol
belehrt haben, dass für das Geschlecht der Sperlinge hier kein
passendes Feld ist. Ob in Udsch-aral, einem erst seit vier Jahren
gegründeten kleinen Ackerdorfe Haussperlinge Vorkommen, habe ich
leider zu notiren vergessen. An den kahlen Felshügeln der Steppe
gab es übrigens auch Steinhühner (Perdix chucor, kirghisisch: Kekilik)
aber die häufigsten Steppenvögel blieben wie immer, der schwarzkehlige
Wiesenpieper (Pratincola rubieola), die schwarzköpfige' Bachstelze
(Motacilla melanocephala) und das Heer der Lerchen (kirghisisch
„Turgai“), unter denen unsere Feldlerche (Alauda arvensis) die
häufigste war. Wie bereits erwähnt, fehlte jedoch die Mohrenlerche
(A. tatarica); seit wir Karakol verlassen hatten, war sie plötzlich
wie verschwunden. Am Tentek bemerkte ich noch einmal die herrliche
Fischermöve (Larus ichthyaetus). Wie erwähnt, führte der
Weg von Udsch-aral durch Röhrichte, welche, obwol noch dürr,
doch so dicht und hoch waren, dass sie selbt einem Reiter nicht
immer Aussicht erlaubten. Diese Rohrwälder durchsetzten übrigens
häufig die Steppe, in welcher Saft- und Krautgewächse sowie Tamariskendickichte
wucherten. In diesen, wie in jenen zeigte sich
zuweilen der goldfarbig glänzende Gilbammer (Emberiza luteola)
und gleich glänzendem Feuer das tiefe Roth des Karminkernbeissers
(Carpodacus erythrinus), den wir schon im Ala-Tau erhalten hatten.
Die graciöse Erscheinung des Jungfernkranichs (Anthropoides virgo)
war unserm Auge ebenso neu, als unserem Ohre der herrliche Schlag
des Sprossers (Lusciola philomela), der aus dem dicht mit Weiden
und anderen Bäumen besetzten Ufer des Flusses zu uns herüberschallte.
Dass es hier an allerlei Wasservögel nicht fehlte, bedarf
nicht erst der Erwähnung.
Die braven Kolonen von Udsch-aral, welche uns beritten und
bewaffnet das’ Geleit gaben, Hessen sich daher durch wilde Gänse
oft auf Nebenwege verleiten, ohne in ihrer Jagd glücklich
zu sein.
Gegen 5 Uhr erreichten wir einen kleinen aber tiefen Fluss,
wahrscheinlich den Uejali, jedenfalls einer jener Wasserarme die den
Sassyk-Kul und Ala-Kul mittelst des kleinen Sees Uejali oder Uala
verbinden. Der Uebergang wurde bei der Furt Dschangis-Agatsch-
utkul bewerkstelligt und verursachte insofern Aufenthalt als die
Tarantassen ausgeladen und das Gepäck durch berittene Kirghisen
überbesetzt werden musste, denn das Wasser reichte selbst den O 7
hochbeinigen Kameelen bis zum Bauche. Jenseits der Furth lagerten
wir unweit des kleinen Sees Korschun - Kul, an der Haltestelle
Dschangis-Agatsch, d. h. einzelner Baum, von dem sich „übrigens
auch keine Spur in der öden Steppe zeigte. Hier blieben wir ein
paar Stunden und nahmen Abschied von dem guten Sultahn Abin
Dair, Vorsteher (Wolostj) der Gemeinde Tscharbag, einem Edlen
„vom weissen Knochen“, der seine Herkunft, wie so manche seiner
Kollegen direct von Dschingis-Chan herleitete. Sein Typus widersprach
dieser Angabe übrigens keineswegs, denn die mandelförmigen
geschlitzten Augen, die Stumpfnase und die stark hervortretenden
Backenknochen verriethen unverkennbar mongolisches Blut. Da
ich bisher unter den Kirghisen keinen von so ausgesprochen mongolischem
Typus gesehen hatte, bat ich den Sultahn mir zu erlauben
ihn abzeichnen zu dürfen, was er, obwol gegen seine Religion
handelnd, aus HöfKchkeit doch gestattete. So wurde ich in Stand
gesetzt, Sultahn Abin Dair den Lesern vorzustellen. Er ist der
corpulente Herr (denn Körperumfang gehört zum Character eines
kirghisischen Grossen, wie zum Rang eines türkischen Bin-baschi)
auf dem Jagdbilde (Abb. 8), der eben behagHch seinen Tschai schlürft.
Der Wunsch des Sultahns, von den Fremdlingen wenigstens
ein Andenken zu haben, war jedenfalls ein berechtigter, denn
er hatte uns schon vom Sassyk-Kul bis in die Saikanberge
geleitet und uns am See seine Jurten zur Verfügung gestellt.
Leider hatte ich solche Fälle nicht vorgesehen und so blieb mir
in Ermangelung von etwas Anderem nichts übrig als ihm die