durch eine Schiffsbrücke verbunden sind. Die Messstadt, in welcher
auch der Bahnhof liegt, ist ausser der Zeit des grossen Jahrmarktes
welcher vom 27. Juli bis 22. September*) stattfindet, so gut als verlassen
und war jetzt zum Theil unzugänglich. Unterhalb der Jahrmarktsstadt
vereinigt sich die Wolga mit der noch bedeutenderen
Oka und das Bild welches beide Flüsse bei Hochwasser, das alljährlich
den grössten Theil der Messstadt für Wochen überschwemmt, bieten,
muss in der That ein grossartiges sein, zumal der Schiffsverkehr**)
ganz enorm ist. Jetzt war es bis auf die zahlreichen Lastschlitten,
welche die von vielen und grossen Löchern durchsetzte Fahrstrasse
bevölkerten, still auf dem Strome. Aber die auf dem hohen Ufer
amphitheatralisch gelegene eigentliche Stadt, mit ihren vielen stattlichen
Kirchen und deren weithinleuchtenden vergoldeten Kuppeln,
sowie den weissgetünchten grossen Gebäuden, machte sich nicht minder
malerisch. — Wir hatten noch einige Einkäufe zu besorgen, sowol
an Lebensmitteln als Reiserequisiten. Auf dem grossen Bazar mit
seinen vielen, reich versehenen Budenreihen liess sich Alles leicht
anschaffen. So erstanden wir bald die vor allen Dingen nothwendigen
langen Wollstrümpfe, Filzstiefeln, die unvermeidlichen, in Russland
wirklich unentbehrlichen, Galoschen und Matratzen, Gegenstände in
deren Auswahl der Reisende stets sehr sorgfältig sein sollte. Wir
hatten eben noch keinen Begriff was Reisen in Sibirien heisst und
so wählten wir leider nicht die besten, sondern die billigsten Matratzen
und verzichteten allen wohlgemeinten Rathschlägen entgegen auf
Federkissen ganz. Und doch sind namentlich Letztere unentbehrlich,
um die furchtbaren Stösse, welche man sowol im Schlitten als im
Wagen zu erdulden hat, einigermassen zu paralisiren. Den Matratzen,
welche nur 3‘/3 Rubel das Stück kosteten, statt Rosshaaren aber nur
mit Lindenbast gestopft waren, muss ich es übrigens zum Ruhme
nachsagen, dass sie sich trefflich bewährten. Sie wurden freilich
durch den Gebrauch von Tag zu Tag härter, bis sie überhaupt den
möglichsten Härtegrad erreicht hatten, aber sie hielten die ganze
Reise mit uns aus und es über kam mich ordentlich eine dankbare
Wehmuth als die treuen Gefährten in Perm zurückgelassen werden
mussten, nachdem sie fast 7 Monate ununterbrochen Dienste geleistet
hatten.
*) Die Daten sind stets in neuem Styl, also dem alten (russischen) um 12
Tage voraus.
**) Auf der Wolga und deren Nebenflüssen sind allein an 250 Dampfer im Verkehr
Für alle Sibirienreisenden, sofern dieselben Nishnej-Nowgorod
als Ausgangspunkt benutzen, möchte ich daher empfehlen, sich hier
auszurüsten, vor allen Dingen sich aber mit 2—3 Federkopfkissen
zu versehen, sowie mit einer jener zusammenrollbaren mit Leder
überzogenen Matratzen, die nach orientalischem Modell gearbeitet und
ebenso practisch als unverwüstlich sind.
Auch mit kalter Küche möge sich der Reisende genügend ver-
isehen denn auf den Poststationen ist, trotz des meist ausgehängten
Preiscourantes, besonders jenseits des Ural, ausser dem üblichen Samowar
iTheemaschine mit heissem Wasser) selten Etwas zu haben, oder
Idas Vorhandene mundet dem Reisenden aus Westeuropa, wenigstens
lim Anfänge, sehr wenig. Auf dem grossen Tract bis Jekaterienburg
fgiebt es übrigens einzelne Stationen, wo man passabel warm essen
kann aber es fehlt noch an Handbüchern, wie Bennet’s über Norwegen,
welche besonders auf solche aufmerksam machen. Und so war es gut
das wir uns mit genügendem Vorrathe an Thee, Zucker, Brot, Käse,
| Schinken und gepresstem Caviar versehen hatten, der uns trefflich zu
; statten kam. Da Fleisch ja sehr wenig kostet, so ist es rathsam,
einen grossen Braten und kaltes Geflügel mitzunehmen, doch war
dazu für uns zu wenig Zeit. Die Mundvorräthe müssen in verschliess-
baren kleineren Kisten untergebracht werden, die leicht aus dem
Gefährte zu heben sind. Für Flaschen und Geschirr sollte ein eigener
besonders eingerichteter mit weich ausgefütterten Fächern versehener
„verschliessbarer“ Kasten vorhanden sein, da man ohne solche Vorsorge
sehr häufig Gläser und Flaschen in Scherben findet und in
Verlegenheit kommt. Dann ist es auch gut, wenn der Reisende das
nothwendigste Essgeschirr an Gläsern, Messer, Gabel, Löffel und
Tellern mit sich führt; letztere sind in emaillirtem Eisen besonders
empfehlenswerte Endlich sollten bei Winterreisen ein oder 2 ordentliche
mit Eisen beschlagene Schaufeln nicht vergessen werden.
Wenigstens würde uns der Besitz solcher ausserordentlich nützlich
gewesen sein und oft stundenlanges Steckenbleiben erspart oder mindestens
wesentlich abgekürzt haben. Noch möge hier bemerkt werden,
dass Beil und Stricke stets zur Hand sein sollten, sowie dass man
abseit der grossen Strasse im Sommer gut thun wird Wagenschmiere
mitzuführen.
Das in diesem Jahre so ungewöhnlich früh eingetretene Thau-
wetter, welches uns schon in Petersburg und Moskau besorgt gemacht
hatte, trat uns auch in Nishnej ungeschwächt entgegen. Die Strassen
1 *