weitere Bedeutung hatten sie nicht. Ebenso waren die hie und da
an den Bäumen befestigten Köpfe und Schwänze von Fischen, als
Erstlingsgaben der Fischerei zum Opfer dargebracht worden. Wahrscheinlich
wird es in manchem heiligen Haine unserer Vorfahren
auch nicht viel besser ausgesehen haben und wenn ich an die Votiv-
gaben mancher Wallfahrtsorte denke, wo oft reihenweise Beine,
Arme u. s. w. aus Silber, Wachs n. s. w. als Zeichen dankbar erfüllter
Gelübde hängen, dann finde ich dieses „blinde Heidenthum,“
wie es in beliebter Weise meist gescholten wird, noch lange nicht
so dumm. Dass diese Götzen eben nur ähnlichen Zwecken gedient
haben mochten und keine wirklich verehrte Bilder waren, wie
z. B. „Moschter“ in Kiochät, ging auch daraus hervor, dass mir
die Eingebornen, nach einigen Verhandlungen vier der schönsten
Exemplare verkauften. Die Verkäuflichkeit schien also ganz von
der Heiligkeit der Bilder abzuhängen, ähnlich wie an Wallfahrtsorten.
Man kann z. B. tausende Nachbildungen der Muttergottes
in Mariazell, Chartres oder Kasan für weniges Geld kaufen, während
die Originale für keinen Preis feil sein würden.
Ein verschmitzter russischer Junge erzählte uns, dass das Gesehene
übrigens nicht die Hauptsache sei. Das Innere des Waldes
berge noch den eigentlichen Schatz, den wahren „bolschoi Scheitan,“
zu dem aber ein wahrer Irrpfad führe und den wir ohne Führer
weder hin- noch zurückfinden würden. Er kannte die Stelle wol,
war aber selbst durch einen Rubel nicht zn bestechen, uns dieselbe
zu zeigen, so sehr fürchtete er sich vor den in Aussisht stehenden
Prügeln; denn auch den hier fischenden Russen musste es daran
liegen, im besten Einverständniss mit den Eingebornen zu bleiben.
Wir mussten also ohne den Anblick dieses grossen Götterschatzes
von dem lieblich gelegenen Wespugl scheiden, das schon Sujew vor
mehr als 100 Jahren (12. Juli 1771) besuchte, ohne aber den
Götzenhain gefunden zu haben, der voraussichtlich schon damals
existirte.
Um 2 Uhr gingen wir mit der Lotka weiter, auf der eine
fröhliche Stimmung herrschte; brachte uns doch jeder Ruderschlag
Obdorsk näher, wo die Mehrzahl unserer Leute Frau und Kinder
überraschen konnte. Um 6V2 Uhr begrüssten uns die Thürme des
Städtchens zum zweiten Male; diesmal nicht in der Klarheit der
Sommerhelle des arctischen Kreises. Trübe Wolken hingen in der
Luft, welche grell gegen den vom Untergange der Sonne magisch
beleuchteten Ural abstachen. Aber dennoch winkte uns das Städtchen
bei Weitem freundlicher als das erste Mal; war es doch für
uns ein Petersburg, Moskau, Berlin, in dem wir lang entbehrte Genüsse
erwarten durften. Fröhlich und unter heiteren Liedern legten
sich unsere Ruderer in die Riemen, wobei heitere W eisen erschallten,
namentlich das Lied mit dem hübschen Refrain „drilja, dnlja,
Konope!“ F,in Boot mit sirjänischen Frauen, die vom Beerenlesen
zurückkehrten, begleitete uns und begrüsste alle vom alten Michael
bis zum Ostiak Säkoff herab, und fröhliche Scherze und Spässe
wechselten hinüber und herüber. Bald bogen wir in den Polui ein,
und um 9 Uhr legte der „Bismark“ nach nur 34tägiger Abwesenheit
an dem* wolbekannten Strande vor Anker, dicht neben der
Lotka des Herrn Poljakoff, der uns schon vom Decke herab begrüsste
und mit dem wir den Abend vergnügt verlebten.