Die Zeit war im Fluge dahingeeilt und so gern wir auch noch
länger an dieser interessanten Localität geblieben wären, so trieb
uns doch das bittere „muss“ weiter. Am Nachmittag des 11. Mai
gegen 4 Uhr wurde wieder aufgebrocben. Trotz der Kühle in
den ersten Morgenstunden hatten wir einen recht heissen Tag,
denn schon früh 6‘/4 Uhr zeigte das Thermometer 140 Reaum. und
als wir gegen 6 Uhr Abends an den Saikanbergen anlangten
drohte der Himmel mit schweren Gewitterwolken. Die Saikanberge
bilden die westlichsten Ausläufer der äussersten, die Steppe begrenzenden
Vorberge des Ala-Tau, welche sich von Ost nach Nordwest
in einer fast ununterbrochenen Reihe hinziehen, deren einzelne
Hauptkämme aber verschiedene Namen tragen. So schliessen sich
von West nach Ost an die Saikanberge, die Tekeli-, die Tok-
dschailin-, Dschahik-, Aktsehaunin-Kungui- und Belkain-Berge, die
mit der nordöstlichen Abzweigung des eigentlichen Ala-Tau, der
Gebirgskette Tokty, fast zusammenstossen. Eine sanfte Schlucht
theilt die Saikanberge in eine östliche höhere Bergreihe Ulkun-
Saikan, und eine niedrigere westliche Bala-Saikan genannt.
Nach der Einförmigkeit der Steppe mit ihren unausgesetzten
Wiederholungen von Rhabarber, Schierling und weissen Salzflächen,
erschien die Gegend hier äusserst lieblich. Vor uns erhoben sich
hübsche begrünte Berge, deren Kuppen rothes Gestein schmückte.
Ehe wir die Jurten erreichten empfingen uns zahlreiche vornehme
Kirghisen, die wie immer schon in einiger Entfernung von den
Pferden stiegen und uns enthlössten Hauptes zu Fuss entgegen
kamen uns die Hand zu reichen. Wie wir später lernten erfordert
es übrigens die Höflichkeit auch von den Gästen, sofern dieselben
beritten sind, abzusteigen und den Begrüssenden eine Strecke entgegen
zu gehen. Kirghisen unter sich thun dessgleichen, wobei sie
unter dem Ausruf „Amanbul“ sich gegenseitig mit den senkrecht
erhobenen flachen Händen berühren.
Die frischen Pferde, welche hier gewechselt wurden, waren
wieder echte Kinder der Steppe und es dauerte lange ehe es einer
Anzahl Menschen gelang sie ins Geschirr zu bringen. Kaum war
dies geschehen und Dr. Brehm hatte sich in den Wagen geschwungen
als die Pferde auch durchgingen, glücklicher Weise ohne
Schaden anzurichten, denn sie rannten eine sanft steigende Erhöhung
hinan, die sie bald ermüden machte. Die mehr oder mindere Heftigkeit
in Betonung der Wörter „derdschi“, „derdsehidje“, („halten, halte
fest“)belehrte dielnsassen über die grössere oder geringere
lichkeit der Gefahr des ümkippens. Weiterhin wurde J g g
uneben der Wagen kam wiederholt in sehr bedenklich schiefe Lage
" d das Umwerfen konnte selbst nicht durch die braven Kosaken
vermieden werden, welche bald rechts, bald links reitendlan^inem
Tau den bedrohten Wagen zu halten versuchten. Nachdem w
I r .n L Lmchendec Dunkelheit de» DschindschilhSta p a - r t
hatten, tag te» wir tuet gegen Mitternacht in dem A»1 Dhrant« t a
wo uns ein leckeres kirghisisches Mahl erwartete, em mächtig
dampfender Pillaf sehr fetten Reisses mit kleinen Würfeln geräucherter
Hammelschinken, Rosinen und getrockneten Aprikosen
vermischt. Er war von den kirgisischen Damen in einer nahgelegene
Jurte bereitet worden, doch Hessen sich die Schonen leider mch
sehen, um ihnen Dank abstatten zu können. Als Getränk diente
selbstredend Kumiss und Kameelmilch, die mir m ess wenig
sagte. Die mit Talg vom Fettschwanz des Schafes gespeiste euc
erwies sich als vortrefflich. Es war schon m der Nacht z embc
kühl geworden und der Morgen (12. Mai) versetzte uns plotzlich
wieder in eine Winterlandschaft, wenigstens zeigten die rothfelsigen
Hügel, welche die ausgedehnte grüne Ebene umschlossen, ^ ein
wand frischen Schnees, der von den diese niederen Hohenzuge ub -
ragenden Gebirgsreihen noch intensiver herableuchtete. Im Ost
und Nordosten wurde der Blick ebenfalls von Bergreihen begrenzt
in letzter Richtung wol das Tekeli-Gebirge eine Fortseiung der
Saikanberge. Ebenso malerisch als dieses Landschaftsbild selbst,
“ Ibene und swa, durch ih r« ßeichthu», an Viehherde»,
die sich um die zahlreichen Jurten ausbreiteten. Auf der ganzen
Reise begegneten wir wol keinem zweiten Aule mehr, der sich mi
diesem hätte messen können. An die schöne grüne Ebene lehnte
sich übrigens im Westen eine Reihe hoher mächtiger Flugsandhugel
« ■ 1 1 1 die wahrscheinlich das recht. Ute, d „ Ds.h.»-
dschiliflusses bezeichneten. Auch a n Sümpfen und Lachen fehlte 1 nicht. Hier gab es allerlei Enten und hoch m den Lüften
machte sich die Becassine (Gallinago scolopacina) durch ihre sonderbaren
Meckerlaute bemerkbar. m H tä
Die Weiterfahrt führte ununterbrochen m Schluchten san
gerundeter begrünter aber kahler Berge, von denen mehrere meist
steil auf- und abwärts steigend überschritten werden mussten was
für die Wagen nicht immer ungefährlich war und wiederholt de