dem Abkochen, denn wir hatten nns mit täglich zwei Mahlzeiten
genügen lernen. Passte es so wurde bei einem Tschumplatze angelegt,
sonst sachten wir irgend eine günstige Stelle am Ufer aus,
denn Brennholz gab es jetzt ja wieder in Hülle und Fülle. Am
Vormittage des 8. September, als wir auf einer mit Weiden bestandenen
Insel lagerten, um abzukochen, sahen wir eine Lotka mit
vollem Segel stromabwärts kommen. Bei der Seltenheit einer solchen
Erscheinung (wir begegneten keinem zweiten ähnlichen Fahrzeuge
auf der ganzen Tour) war es begreiflich, dass sie unser lebhaftes
Interesse erregte. War es doch möglich, dass sie Briefe oder
Zeitungen für uns führte! Wir riefen das Schiff daher an und bald
daräuf landete ein über die Unterbrechung seiner Fahrt keineswegs
erzürnter Russe, der sich als der Bruder unseres Wirthes in Obdorsk,
Herrn Perloff, erwies. Der freundliche Mann, ein Bürger von
Kuschowat, überraschte uns durch das Geschenk einer Rothhalsgans
(Anser rufieollis, russ. Lak oder Tschewka), wohl der schönsten und
interessantesten Gänseart überhaupt, deren grosse Flüge wir zwar
öfters beobachtet hatten, die uns aber bei der grossen Scheuheit der
Wasservögel entgangen war. Bei Obdorsk schwärmte es von Gänsen
und eine auf offener Wiese liegende Barsche würde sich trefflich
als Versteck geeignet haben, doch fehlte es mir leider an Zeit diese
so günstige Gelegenheit zu benutzen. Die Graugans (Anser cinereus)
war übrigens vorherrschend; ausserdem gab es Bläss- und Zwerggänse
(A. albifrons u. minutus), sowie eine Unzahl von Enten.
Unter letzteren hauptsächlich Trauerenten; Reiherenten führten noch
halbflügge Junge. Ebenso Lachmöven, die jetzt, wie ihre Verwandten,
Zwerg-, Sturm- und kleine Mantelmöven (Larus ridibundus, minutus,
canus und afftnis), im Wechsel vom Sommer- zum Winter kleide begriffen
waren.
Das Thierleben entfaltete sich überhaupt viel reicher als auf
der Hinreise. Damals waren die Vögel meist in ihrem Brutgeschäfte
thätig, hielten sich also mehr versteckt in den undurchdringlichen
Dickichten. Jetzt hatten sie sich, Alte und Junge, meist
trupp- oder schaarenweise bereits vereint und schickten sich zur
Wanderung an, obschon sie ausnahmslos in der MauseruDgsperiode
standen. Bachstelzen (unsere weisse) und Pieper (der Wiesen- und
rothkehlige Pieper) waren die steten Erscheinungen längs der Uferrande;
Flüge von Leimfinken (Fringilla linaria) und Bergfinken
(Fr. montefringilla) belebten das Innere der Gehölze. Der Zwergammer
(Emberiza pusilla) fand sich neben dem Rohrammer ebenfalls
noch allenthalben vor und als neue Erscheinungen begrüssten
wir die Sibirische und Kamschatka-Meise (Parus cinctus und cam-
schatcensis, den Tannenhäher (Caryocatactes nucifraga), die Sperber-
Eule (Sumia nisoria) und Turdus dubius. Die sehwarzkehlige
Drossel (T. atrogularis) hatten wir schon bei Obdorsk erhalten.
Interessant ist das. oft so total abweichende Betragen mancher
Vögel während der Mauser- und Zugzeit. Graue Steinschmätzer,
die sich in dem Gezweige der Bäume umhertrieben, schienen Anfangs
neue, bisher unbeobachtete Vögel und ebenso ging es mir
mit Piepern, die sich sehr gegen ihre sonstigen Manieren ammerartig
im dichtesten Gestrüpp zu verbergen suchten. Das Fallen des
Stromes zeigte sich je weiter wir aufwärts kamen, um so deutlicher.
Kischgort oder Kaschgorskaja, die fünfte Station (6. Septbr.) auf
dem hohen steilen rechten Ufer, an welchem wir damals unmittelbar
anlegten, war jetzt durch einen breiten Strand aus sandigen
Letten und Lehm getrennt. Eine mächtige Bucht oberhalb der
ostiakischen Niederlassung, welche damals von Waldesrand zu
Waldesrand reichte, hatte sich in eine weite Fläche schlammigen
Grundes verwandelt, welche von einem schmalen Wasserarme bachartig
durchzogen wurde. Die Eingebomen (Ostiaken) waren jetzt
sehr eifrig mit der Zubereitung des Wintervorrathes an Fischen
beschäftigt, wie dies meine Abbildung (No. 52) zeigt, welche zu