Regen gewährte. Jenseits des Protoks hörte ich „Gemurmel“ wie
von Bären, doch zu sehen war nichts, als eine Eule auf dem nächsten
Baume. — Da wieder ein Schuss! Sollte man auf die Suche gegangen
sein? Ich entschloss mich nun quer durch den Wald
dem Schüsse nachzugehen. — Das ist nun freilich hei Nacht in
einem Urwalde keine Kleinigkeit. — Tastend mit den Armen und
Beinen zog ich langsam, sehr langsam weiter. Die Richtung suchte
ich möglichst zu halten, aber auch nicht ein Stern glitzerte am
Himmel um als Wegweiser zu dienen. So ging ich eine Zeit lang,
sehr oft fallend, mich anstossend, von Zweigen ins Gesicht geschlagen.
Oefters nahm ich mir vor zu bleiben und den Morgen
abzuwarten, aber regelmässig sich wiederholende Schüsse liessen mich
meinen Lauf immer wieder von Neuem beginnen. Ich beantwortete
die Schüsse und glaubte mich verpflichtet, falls man nach mir suchte,
entgegen zu kommen. Die Schüsse tönten bald von hier, bald von
dort. Das fiel mir auf, doch konnten es ja 2 Partien sein und ich
folgte der einen Richtung so gut es eben gehen wollte. Schliesslich
jedoch war ich müde und legte mich nieder, denn auch das
Schiessen hatte aufgehört. Da! noch ein Schuss! es schien ganz
nahe — ich raffe mich wieder auf und gehe oder tappe noch
V2 Stunde. Jetzt aber verstummte Alles. Es war %j2l \ Uhr Nachts.
Was nützte Weitergehen? Kurz ich suchte unter drei düstern
Bäumen ein hübsches Plätzchen, legte die 3 erbeuteten Haselhühner
als Kopfkissen unter das müde Haupt und entschlief alsbald; das
geladene Gewehr neben mir. Glücklicher Weise hatte es aufgehört
zu regnen. Nach einiger Zeit erwachte ich — „es hat sich Etwas
gerührt im Walde!“ Gewiss! — der Wind schüttelte die Bäume
und das Laub fiel — es war kein Luchs oder ähnliches Ungethüm.
Nur fernes Heulen, wol von einem Wolfe liess sich vernehmen, im
Uebrigen war Alles still. — Ich drehte mich um und schlief weiter.
— Wieder erwachte ich. Diessmal sicher hatte ich Etwas tappen
gehört! — Es war wiederum Nichts. So drehte ich mich nochmals
um, zog die Füsse noch näher zum Kinn, da ich nicht wenig fror
und schlief bis zum Morgen. Als ich erwachte, dämmerte es, und
ich machte mich auf die Beine, um mich etwas warm zu gehen.
Eine Stunde konnte ich marschirt sein, da tönte nahe bei mir ein
Schuss. Hop hop! — es antwortete Ho ho! Nach 10 Minuten
Geschrei finde ich — Dr. Brehm, der sich ebenfalls verirrt — der
alle die Schüsse Nachts abgegeben und dadurch mich ins Verderben
gelockt hatte. Die Ueberraschung war für Beide gross, die gegenseitige
Erzählung bald beendet. Wir machten uns nun gemeinsam
auf den Weg, den uns die Morgenröthe und aufgehende Sonne zeigten.
Waren wir vom Ob nach Osten gegangen, so brauchten wir nur der
lieben Sonne den Rücken zu kehren, und mussten schliesslich zum
Ob gelangen. --- Gesagt, gethan — 2 Cigarren hatte ich mit, die
wurden geraucht; das galt als Frühstück. Nicht lange waren wir
gewandert, so kamen wir auf schmale, von Kühen getretene Pfade,
und diesen folgten wir. — Bald hörten wir schiessen und dann
auch Geschrei! — Wir schossen wieder! Nicht zu lange, und eine
von Dr. Finsch geführte Streifpartie hatte uns erreicht.“
Das kleine Abenteuer war somit glücklich verlaufen, kostete
uns aber vierzehn Stunden Aufenhalt, und dieser hatte leider einen
viel längeren im Gefolge. Heftiger Gegenwind und die tiefe Dunkelheit
der Nächte brachte uns auch die folgenden Tage nur langsam
vorwärts und so erreichten wir erst in der Frühe des 26. September
Samarowa, noch rechtzeitig genug wie wir glaubten, denn ändern
Tags sollte ein Dampfer von Tomsk durchkommen. Leider verhielt
es sich nicht so, sondern der Dampfer war bereits gestern Abend
8 Uhr passirt, wir waren also sieben Stunden zu spät gekommen.
Ich eilte, sobald es anging, ins Dorf, von dem uns jetzt ein mehr
als werstbreiter lehmiger Wiesengrund trennte, und fand Herrn
Semzoff, der uns so liebenswürdig das Fahrzeug gratis überlassen
hatte, glücklicher Weise zu Hause, denn es war Prasnik, Festtag.
Da Herr Semzoff in wenigen Stunden wieder auf seinen Fischereiplatz
eilen musste, und der Herr, bei dem wir das erste Mal abgestiegen
waren, leider tiefe Trauer hatte (sein Sohn war den Abend
vorher im Kahne vom Dampfer überfahren worden und ertrunken),
so freuten wir uns in dem kleinen Häuschen am Ladungsplatz der
Dampfer ein Unterkommen zu finden. Dasselbe liegt etliche Werst
unterhalb des Dorfes und enthält allerdings nur 3 kleine Zimmer,
aber auch einen Backofen und letzterer war für unseren Haushalt
sehr wichtig. Das Kochen musste eben fortgesetzt werden, sehr
zum Verdruss Iwan’s, der schon alles Geschirr voreilig in den Irtisch
werfen wollte. Herr Semzoff hatte das Haus übrigens auf seine
Kosten, lediglich zur Bequemlichkeit der Reisenden, errichten lassen,
die hier ohne Entgelt ein Asyl bis zur Ankunft der Schiffe finden.
Auch war ein hoher, ans mächtigen Baumstämmen errichteter Pier
verhanden, an dem bei Hochwasser die Dampfer direct anlegen.