Wahl zu lassen zwischen einem Zehnreichsmarkstüek und einem
Kompass. So rar auch Goldmünzen hier sind, welche nur die
Wenigsten überhaupt jemals zu Gesicht bekamen, so entschied sich
der Sultahn doch für den Kompass, weil dieser ihm, wie erläutert
wurde, stets genau die Richtung in welcher Mekka liegt anzeigte.
Wir waren am Ostrande des Sees Uejali hingezogen und schlugen
Abends gegen 9 Uhr die Jurten an einem kleinen, jetzt fast ausgetrocknetem
Flusse oder vielmehr einer der periodischen Wasserverbindungen
zwischen dem Uejali und grossen Ala-Kul auf. Wir
waren von letzterem kaum 2 Werst entfernt und würden ihn
selbst haben erblicken können, hätte die inzwischen eingetretene
Dunkelheit dies nicht verhindert. Am Abend zuvor von einer
Fledermaus begrüsst, übrigens der einzigen, welche wir während
der ganzen Reise fliegen sahen, erfreuten uns am ändern Morgen
(19. Mai) zuerst Pelikane (wol Pelecanus crispus), rothe Sichler
(Ibis falcinellus) und Kolbenenten (Anas rufina), die wie anderes
Wassergeflügel dem grossen Ala-Kul zustrebten. Aber mit der
Jagd war es wiederum nichts und Antip, der Dolmetscher des
Obristlieutenants, der einzige, welcher wenigstens mit einer Pfeifente
heimkehrte. *
Mit frischen, wie gewöhnlich noch nie eingespannten Pi er den
wurde früh 6 Uhr die Reise weiter fortgesetzt, aber schon nach
l 1/ Stunde gehalten, weil die zweite Tarantass, wegen irgend eines
Unfalles, zurückgeblieben war. An dieser Haltestelle, welche Ter-
sachan genannt wurde, empfing mich im Festkleide ein kirghisischer
Sultahn, dessen Namen ich leider zu notiren vergass, der aber eine
sehr bedeutende Persönlichkeit sein musste, da seine Brust mit einer
silbernen Medaille geziert war. Der Aufenthalt hier erlaubte, an
einigen nahen Steppenteichen zu jagen, leider erfolglos, da die in
grösser Zahl vorhandenen wilden Gänse (Anser cinereus) sich ebenso
scheu zeigten als graue- und Jungfernkraniche. Gegen Mittag erreichten
wir einen grossen Aul, dessen Bewohner in Schaaren herbeiströmten
um die Fremdlinge zn betrachten. Ein kurzer Aufenthalt
in einer schnell aufgeschlagenen Jurte gab uns einigen Schutz
vor der brennenden Sonne (das Thermometer zeigte im Schatten 20 °,
in der Sonne 35° Reaum.). Knmyss musste den Durst löschen.
Die begleitenden Kirghisen versorgten uns mit diesem Labsal, das
in einem Schlauche aus Füllenleder aufbewahrt, gewöhnlich als
Fussbank in der Tarantass diente. Wie sich denken lässt, war bei
der Hitze von erquickender Kühlung bei diesem faden Getränk
nicht die Rede, aber es verdiente vor dem lauen salzhaltigen Steppenwasser
immerhin den Vorzug. Bald ging es über die mit Kraut-
und Saftpflanzen bestandene Steppe weiter, auf der es namentlich
von Lerchen wimmelte. Wir trafen hier neben 5 anderen Arten,
zuerst die Kalanderlerche (Melanocorypha calandra), welche es besonders
liebte sich anf den hohen Schierlingsstauden zu zeigen.
Auch Adler (Aquila mogilnik) waren nicht selten, und wählten gern
die kegelförmigen aus Luftziegeln errichteten Gräber der Kirghisen
zum Aufbäumen, die häufig in der Nähe des Sees standen. Bald
nachdem wir den Aul verlassen hatten, kamen wir an den mit
steilen Ufern begrenzten schmalen Fluss Agin-Su (d. h. Feldfluss),
den wir, wegen seiner Tiefe zu Pferd passirten. Wir waren schon
vorher längs desselben hingezogen und seine hohe Uferwand hatte
unsere Aufmerksamkeit erregt, wegen der Menge Dohlen,; Thurmfalken
und Mandelkrähen, die gemeinschaftlich in derselben nisteten.
Ueberraschend waren in dieser einförmigen baumlosen Steppenlandschaft
Saatkrähen (Corvus frugilegus), die sich wahrscheinlich in
Folge des spärlichen, durch viele Wassergräben gekennzeichneten
Feldbaues der Kirghisen hierher gezogen hatten.
Wir mussten nun noch den kleinen aber reissenden Urdschar-
fluss passiren, in dessen mit Bäumen besetzten Ufern der Schlag
des Sprossers erschallte und erreichten bald darauf (gegen 5 Uhr
Nachmittags) das gleichnamige Dorf, in welchem uns eine Escorte
von 12 Kosaken feierlich empfing. Urdschar oder Urdscharskaja-
Stanitza (nach Golubew unter 470 4. 30 n. Br. u. 810 36. 29 öst.
L. v. Gr.) ist ein Kosakendorf und besteht aus mit Schilf gedeckten,
weissgetünchten Lehmhäusern, deren Zahl Spörer mit 200 offenbar
etwas zu hoch angiebt. Die hübsche, mit Gebüsch und Bäumen
umrahmte Kirche wurde 1873 erbaut. Die Gegend um Urdschar
ist auch insofern interessant, ais hier, der früheren Landschaft
Tschuguzy, der letzte Kalmückenchan Amnrssan nomadisirte.
Wir fanden in Urdschar wieder einmal die erwünschte Gelegenheit
uns zu restauriren, vor allen Dingen gründlich zu waschen
und verlebten den Abend mit Obristlieutenant Friederichs im
Hause eines gastfreien Tataren, der uns nach besten Kräften be-
wirthete. Dr. Brehm fühlte sich leider unwohl.
Trotz der wenigen Nachmittagsstunden, welche wir nur noch
vor uns hatten, brachte ich die ganze liebe Jugend auf die Beine,