und strengen Wintern von Viehzucht nicht wol die Rede sein kann.
In der That wurden im ganzen Obdorsk’schen Gebiete (1876) nur
110 Pferde, 142 Rinder (sehr hübsches Vieh), zwölf Schweine und
achtzehn Schafe gehalten; Letztere, wie es mir schien, mehr der
Curiosität halber, etwa wie hei uns Dammhirsche oder Rehe. Das
eigentliche Hausthier für diese Länder ist und bleibt eben das Ren,
und es verwundert mich in der That höchlich, dass im Gebiete
nicht mehr als 50,000 gehalten werden, wie der Sassjedatjelj versicherte.
Nach Kropotkin (Peterm. 1868 p. 95) werden im Gouv.
Toholsk 231,312 Renthiere gehalten und, um frühere Angaben
zu berichtigen und zu ergänzen, nach Schwanebach im Gouvern.
Archangelsk 340,000.
Neben Ren spielt im Haushalt der hiesigen Bewohner unbestritten
der Hund (ost. Amp) eine hervorragende Rolle. Doch ist
die eigenthümliche kräftige, schön gebaute und stattlich aussehende
Wolfshundrasse im Ganzen nur selten anzutreffen. Durch die
Fischerei treibenden Russen, welche längs dem ganzen Ob während
des Sommers leben, sind alle möglichen anderen schlechten Köter,
vom mopsartigen bis zum pudelhaften, mitgebracht und dadurch
die schöne eingeborene Rasse gründlich verdorben worden.
Während unseres „Strandlebens“ hatten wir reichlich Gelegenheit
Beobachtungen darüber anzustellen, denn in Ermangelung von
Menschen waren Hunde unsere täglichen Besucher und ungebetenen
Gäste. Sie erschienen nicht blos Tags über mehrmals zur bestimmten
Stunde, sondern pflegten sich in der Nacht noch zahlreicher
einzustellen, wenigstens so lange, als auf der Lotka noch
irgend etwas Essbares zu stehlen und zu rauben. Das dauerte freilich
nicht lange, denn bereits in der ersten Nacht hatten sie mit
den noch vorhandenen Vorräthen an getrocknetem Brod und Fisch
gründlich aufgeräumt und die Reste wurden dann sicher geborgen.
Aber auch so blieb unser Lager für die Hunde unverändert ein
Anziehungspunkt; namentlich in der Zeit, wenn abgekocht wurde.
Gab es dabei, trotz aller Vorsicht unsererseits, doch immer noch
Gelegenheit mit einem Stück Fleisch oder Fisch das Weite zu
suchen! Unser braver Iwan Semionowitsch hatte seine liebe Noth
mit ihnen. Was halfen ihm seine Steinwürfe und Knüppelschläge!
„Der wird daran denken!“ hiess es oft, wenn einer heulend auf
drei Beinen, jedenfalls für immer lahm, wie wir wähnten, davonlief.
Aber er dachte nicht daran, d. h. an die verdiente Züchtigung,
sondern kam wieder zur bestimmten Stunde und nahm seinen Platz
in der Reihe der Uebrigen ein, die in einem weiten Halbkreise
allen unseren Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit zusahen.
So lernten wir sie nach und nach alle kennen die braven Hunde
Obdorsk’s, welche ja noch ihre Ferien genossen, und zuletzt gewannen
wir sie lieb. Jeder hatte seinen Favorit, und so schieden
wir auch von ihnen als Freunde.
Sidoroff erwähnt noch einer besonderen Eigenthümlichkeit der
Obdorsker Hunde: „In jedem Hause werden gegen 10 Hunde gehalten
(was für jetzt die sehr zu bezweifelnde Zahl von 670 ergeben
würde!). Um Mitternacht laufen alle Hunde, auf ein von
einem Leithunde gegebenes Zeichen auf dem Platze zusammen und
es beginnt nun ein allgemeines Geheul, welches ungefähr eine halbe
Stunde dauert, worauf die Hunde friedlich auseinandergehen.“
Zur Zeit unseres Besuches scheinen diese nocturnalen Hunde-
concerte nicht Sitte gewesen zu sein, wenigstens brachten wir
nichts in Erfahrung, was nur entfernt daran erinnern könnte und
bedauerten dies eben nicht.
Dagegen überzeugten wir uns von der Leistungsfähigkeit der
Hunde im Schlitten ziehen, wenn dies auch in Ermangelung von
Schnee auf dem Sande geschehen musste. Die Manier des Ein-
spanns ist, wie die. Abbildung 50 zeigt, eine sehr einfache. Das
ganze Geschirre (ost. Amp-wlak) besteht nämlich nur in einem aus
Pelz, am liebsten vom Hundeschwanz, verfertigten Gürtel oder
Kranz, an welchen ein Zugstrang .befestigt wird, der zwischen den
Hinterbeinen des Hundes durchläuft. In Zeit von wenigen Minuten
hatte Stepan 4 aus der Reihe unserer täglichen Besucher herausgegriffen,
mit den Hinterbeinen durch den Ring gezwängt und
trabte von ihnen gezogen auf einem Hundeschlitten (ost, Kurram)
längs dem Strande hin. Die Hunde ziehen also nicht mit der
Brust wie bei uns, sondern mit den Hüften, was nach unserer Anschauung
ebenso unpractisch als quälerisch ist. Die Eingebornen
denken anders über den Fall, denn wenn sie auch zugeben, dass
bei dieser Methode die Hunde leicht kreuzlahm werden, so zeigten
sie mir doch recht alte Zughunde und dass der Einspann jedenfalls
die denkbar geringste Zeit erfordert, was bei der Kälte hiesiger
Wintertage vou Wichtigkeit ist, konnten selbst wir nicht in Abrede
stellen. Wie Hofmann (p. 108 u. 111) berichtet, scheinen die
Hunde übrigens schon traditionell an diesen Einspann gewöhnt;