jene hohen Uferwände die den Ob so sehr auszeichnen. Längs des
Flusses finden sich oft ausgedehnte hügelartige Sandketten, die ganz
Dünen entsprechen und eine gleiche Vegetation, mit Sandhafer und
anderen Dünenpflanzen besitzen. Weicht durch alle diese Eigen-
thümlichkeiten diese Steppe total von der Prairie ab, die wenigstens
in ihrer grösseren Ausdehnung durch Mangel von Baumwuchs
eharaeteristisch ist, so wird sie es noch mehr durch die Anzahl
kleinerer und grösserer stehender Wasserflächen. Diesen Teichen
und Seen*) fehlen meist verbindende, fliessende Wässer, sie sind
grösstentheils isolirt ohne Ab- und Zuflüsse, und, was noch merkwürdiger
ist, haben theils süsses, theils salziges oder Brackwasser.
So kommt es dann, dass man in der Umgebung derselben bald Sanddünen
bemerkt oder jene durch Austrocknung entstandenen Niederschläge
von Salz, die der Gegend oft stellenweis ein Ansehen geben,
als wäre der Erdboden bereift oder mit einer Schneekruste bedeckt.
In solchen Strecken treten natürlich die eigenthümlichen Salzpflanzen
auf.
Trotz dem zeitig eingetretenen Frühjahre, war übrigens die
Vegetation**) noch zurück, und erst am 26. April zeigte die Steppe
hie und da einen grünen Schein, als Zeichen des aufkeimenden Graswuchses,
dessen Entwickelung offenbar dem Regen, welchen wir
seit Omsk meist gehabt hatten, zu verdanken war. Doch bekamen
wir die in vollem Grün prangende Steppe hier noch nicht zu sehen,
und wurden auf Anfang Mai vertröstet. Die ersten blühenden
Pflanzen fanden wir am 28. April und zwar eine sehr schön blaublühende
Anemone, eine gelb blühende Draba, sowie die unvermeid-
*) Pallas besuchte 1771 mehrere dieser Salzseen und beschreibt sie z. Th. sehr
ausführlich (Eeise 2. 2. p. 467—482). Mehr amüsant als belehrend sind die
Schilderungen, welche Rytschkow von den Salzseen der Steppe gieht. So beschreibt
er (Tagebuch seiner Eeisen p. 356) Berge „an deren Pusse Salzquellen entspringen“,
einen See, der eine feste Salzdecke trägt, dass man ohne Gefahr über dieselbe
reiten kann, und die an der Mittagsseite beständig ist, weil hier die Sonnenstrahlen
mächtiger wirken (p. 357)!; am unglaublichsten aber ist wol die Stelle (p. 359),
wo er eine Salzquelle beschreibt, die einen Berg „aufwärts“ fliesst, was er freilich
nicht zu erklären vermag, aber naiv hinznfügt „dass es aber wahr ist, davon bin
ich selbst Zeuge“.
**) Ueber die Flora der Steppe vergleiche Pallas (Reise 2. 2. IV. p 451—486.)
sowie Meyer (p. 488. 492). Ein allgemeines Bild der Steppe Westsibiriens, namentlich
in geologischer Beziehung, giebt Cotta (p. 53—66).
liehen Ranunculus- und Laucharten, die hier die ersten Fr.ühlings-
kinder sind.
Das Thierleben hatte sich dagegen mehr entwickelt und auf
den nun eisfreien Teichen und Seen gab es eine Unmasse von verschiedenen
Entenarten, sowie wilde Gänse. Auch Singschwäne
trafen wir oft in Flügen von 20 und mehr an, und sie reizten uns
einigemale zu erfolglosen Jagdversuchen. Jedenfalls findet der Singschwan
(Cygnus musicus) hier Hauptbrutreviere, denn schon in
Tjukalinsk sagte man uns, dass er häufig brüte, und Professor von
|Cotta begegnete der Art im August in diesen Steppengebieten nicht
¡selten. Möven, und zwar Sturm- und Lachmöven (Larus canus
und ridibundus) waren ebenfalls häufig. Es gewährte einen eigentümlichen
Anblick die weissen Vögel, oft weit, weit vom Wasser
entfernt, über die öde Steppe schweben zu sehen, auf der sie jedenfalls
Insecten und Gewürm als Nahrung suchten. Auch unseren
Austernfischer (Haematopus ostralegus) trafen wir einzeln. Vom
¡Zuge des Kleingevögels war wenig zu bemerken, und die einzige
[Citronenbachstelze (Motacilla citreola), welche sich am Wege zeigte,
lund aut dieser Strecke auch die einzige blieb, gestaltete sich zu
[einem ornithologischen Ereignisse, so dass wir. die Tarantassen halten
fliessen. Die zahllosen Nistlöcher der Uferschwalben (Cotyle riparia)
im Irtischufer waren noch alle unbewohnt. Schon Pallas erwähnt
der unzählbaren Brutcolonien dieser Schwalben, die hier in Gemeinschaft
mit der Mehlschwalbe (Chelidon urbiea) nistet. Letztere
graben aber keine eigentlichen Niströhren, sondern nur flache
Höhlungen (Reise 2. 2. p. 454.). Am 26. April zeigten sich die
ersten weissflügeligen Lerchen (Alauda sibirica) und zwar in grossen,
umherstreichenden Flügen. Unsere Lerche (Alauda arvensis) hatte
[bereits ihre Standquartiere bezogen und liess trotz der öfteren
[Schnee- und Hagelschauer ihr schönes Lied erschallen. In und bei
pen Dörfern blieben Elstern und Nebelkrähen, (seltener Dohlen und
Saatkrähen) Haus- und Feldsperlinge und Staare noch die häufigsten
{Erscheinungen. Doch hatte man für die Letzteren nicht so durch
Bauschen auf hohen Stangen gesorgt, als wie bisher, und Elstern
fend Krähen mussten sich bequemen ihre Nester auf den strauch-
fertigen Krüppelbirken anzulegen. Neben den genannten Dorfvögeln
poten Falken, Weihen und Milane neue Abwechslung. Von Letzteren
RMilvus govinda), die wir zuerst am 7. April bei Jekaterinenburg
pemerkt hatten, konnte man bei jedem Dorfe mehrere beobachten,