allein gleichzeitig ein regelmässiger Passagierdienst, sondern auch ein
lebh after Frachtverkehr entwickeln. Die leer zurückkehrenden Barschen
laden nämlich Frachten, unter denen der, von Kiachta über Irkutzk
nach Tomsk gelangte, Thee einen Hauptartikel bildet, denn die
IgnatofFschen Dampfer fahren in der Saison allein an 80,000 Kisten
ä 3 Pud an.
Unser Schlepper hatte ausser Gütern auch Holz zum Heizen
des Dampfers geladen, und wurde einmal längsseit gelegt um dieses'
einzunehmen.
Vor Samarowo wird die Landschaft lieblicher, weniger wegen
der Gegend an und für sich, als in Folge des zunehmenden Lebens
derselben. Lachende grüne, mit Vieh belebte, Wiesen wurden häufiger,
sogar die Dörfer mehrten sich. Wir passirten in kurzen Abständen
drei derselben, von denen das eine sogar ein iiiedliches Kirchlein
aufzuweisen hatte. Auch der Strom entwickelte sich stattlicher und
so breit, dass wir es nicht bemerkten als uns bereits die braunen
Wellen des Irtisch trugen. Die Täuschung wurde dadurch vollständig,
dass ins Wasser geworfene Holzstückchen mit uns, d. h.
scheinbar stromab trieben, obwol wir doch stromauf gingen. Aber
es war die gewaltige Wassermasse des überfluthenden Ob der die
des Irtisch zurückdrängte und so diese auffallende Erscheinung hervorbrachte.
Gegen 7 ‘/2 Uhr dampften wir unter dem hohen, mit
üppigem Urwald bedeckten, rechten Steilufer des Irtisch und legten
eine halbe Stunde später bei einem Häuschen mit ein paar Ambaren
(Schoppen) an, der Station Samarowo, welche etwa 25 Werst oberhalb
der Vereinigung des Irtisch mit dem Ob liegt.
Sie war für- uns zugleich das Ende der Dampferfahrt (1547
W.), die uns leider nur 3 Tage und 16 Stunden mit fast entwöhnten
und daher um so mehr geschätzten Bequemlichkeiten erfreut’ und
gekräftigt hatte. Wir verdankten dieselben z. Th. dem freundlichen
Gapitän Alexander Pawlowitsch Rossoschnik, der bald darauf näch
Tobolsk weiter dampfte.
Ich hatte mir in Bezug auf das Weiterkommen von Samarowo
aus mancherlei Sorgen gemacht, denn hier hört jeder geregelte Verkehr
stromabwärts auf und es war noch die grosse Frage, ob wir
ein passendes Fahrzeug würden miethen oder kaufen können. Man
denke sich daher unsere Ueberraschung als, kaum an’s Land getreten,
ein zu unserem Empfange herbeigeeilter Sassjedätjelj oder Bezirks-
Vorsteher die freudige Nachricht brachte: dass Alles zur Weiterreise
bereit sei! _ .
In der That hatte man in einem Dorfe, dessen Namen wir
früher kaum kannten, für welches wir auch jetzt keinerlei Empfehlungen
besassen, in einer Weise gesorgt, die ich mir selbst auf
weiteren Reisen, sowie allen Collegen, überall wünschen möchte.
Der edelmüthige Förderer unseres Unternehmens war keine hoch-
gestellte Persönlichkeit, auch kein sogenannter reicher Mann, sondern
wie er sich selbst unterzeichnet, ein schlichter „Rjasanscher Bauer ,
Wassili Trofimowitsch Semzow mit Namen. Seit 25 Jahren in dem
kleinen Dorfe am Irtisch ansässig, hat er sich durch Fleiss und
Sparsamkeit zu einem, für hiesige Verhältnisse begüterten und einflussreichen
Mann emporgearbeitet, dessen seltene Erfahrungen,
namentlich in Bezug auf die Fischereien, auf welche ich später
zurückzükommen habe, mir sehr nützlich wurden. Dieser Bauer
nun hatte, in voller Würdigung der Wichtigkeit derartiger Forschungsreisen
und in seinem Eifer der Wissenschaft zu dienen,
woran sich manche reichen Leute bei uns ein Beispiel nehmen
könnten, längst vor unserer. Ankunft für uns gesorgt.
„Im vergangenen April erfuhr ich,“ so schreibt er an Herrn
Poljakoff, „dass in diesem Mai die Bremen’sche Expedition durch das
Dorf Ssamarowskoje nach Obdorsk gehen solle. Den gewaltigen
Nutzen einer solchen Arbeit einsehend und anerkennend, baute ich,
da ich weiss, dass man aus Ssamarowskoje nur zu Boot nach Obdorsk
gelangen kann, vom Wunsch geleitet, nach Kräften die
Expedition zu erleichtern, ein gedecktes, achtruderiges Boot für
dieselbe, um es Herrn Dr. Finsch persönlich zur Disposition zu
stellen.“ : ; ' ■ ■
War diese Absicht nun auch nicht zur Ausführung gelangt,
sondern hatte Herr Semzow, das wirklich treffliche Boot, welches
wir später kennen lernten, aus berechtigtem und patriotischen Gefühle
und „als Russe dem Russen gegenüber“ seinem vor uns (am
2. Juli) eingetroffenen Landsmann, dem im Aufträge der Kaiserl.
Akademie reisenden Herrn Poljakoff überlassen, so konnten wir ihm
immerhin nicht dankbar*) genug sein. Denn durch seine Vorsorge
*) Auf meinen Vorschlag wurde Herr Semzow von der Geographischen Gesellschaft
in Bremen in voller Würdigung seiner Verdienste um die Expedition
zum Ehrenmitglieds ernannt.