aber für unser Gepäck musste eine Tarantass angeschafft werden,
um das jedesmalige Umladen an allen Stationen zu vermeiden. Herr
von Rothast, ein liebenswürdiger Deutscher aus den Ostseeprovinzen
und verdienter Officier der Armee des Kaisers Nicolaj, an den wir
empfohlen waren, unterstützte uns in zuvorkommender Weise und
so erstand ich für 53 Rubel einen Wagen der aussah, als wenn wir
mit ihm das Ende der Welt erreichen könnten. Am 3. April früh
6 Uhr sollte der Wagen bereit sein, aber der Schmidt hämmerte
noch an ihm herum, so dass es Mittags l l/2 Uhr wurde, ehe wir
von Perm Abschied nehmen konnten. Vorher machten wir noch
eine jener interessanten Bekanntschaften, wie sie eben nur in jenen
Gegenden Vorkommen können. Eben als wir abfahren wollten traf
ein Reisender ein, dem man es ansah dass er weit, sehr weit herkam.
Und in der That war es ein Officier der auf der Reise vom Amur
nach St. Petersburg begriffen und bereits 36 Tage unausgesetzt
unterwegs war. Im Jahre zuvor hatte er dieselbe Reise hin- und
zurück gemacht und damals von Kiachta nach Petersburg (6268
Werst = ca. 900 deutsche Meilen!) nur 33 Tage gebraucht.
Mit dem Posthötel konnte man im Allgemeinen, namentlich
für so kurzen Aufenthalt, wol zufrieden sein; doch besitzt Perm im
Clubhotel einen weit besseren Gasthof.
Der Herr Gouverneur von Perm hatte, wie sein Herr College
in Kasan, die Güte den Poststationen unsere Ankunft telegraphisch
anzuzeigen, damit frische Pferde bereit sein sollten, eine Massregel,
die wenigstens für die erste Strecke ihre Wirksamkeit nicht verfehlt.
Wir konnten Sr. Excellenz selbst unsern Dank abstatten und hatten
das Vergnügen einen sehr liebenswürdigen Herrn kennen zu lernen,
der auch mit Deutschland sehr gut bekannt war. Seine leider vor
Kurzem heimgegangene Gattin, die sich wie der Gouverneur grösser
Beliebtheit zu erfreuen hatte, war eine Deutsche gewesen. — Als
wir im Laufe des Gesprächs auch auf das Kapitel Stiefeln kamen
und unsere Verwunderung ausdrückten, dass die bei uns so berühmten
Juchtenstiefeln hinter unseren Erwartungen weit zurückgeblieben seien,
äusserte der Herr Gouverneur, dass er überhaupt nur drei gute
Schuhmacher kenne: einen Schuhbekleidungskünstler in Paris, einen
in Wiesbaden oder Baden-Baden, wenn ich nicht irre, und Meister
Irmler in Warmbrunn. Dieses ehrende Zeugniss machte mich nicht
wenig stolz und ich gelobte, sobald mich der Weg einmal in die
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I Laudsmanne anmessen zu lassen.
Jenseits Perm passirt man zuerst ein paar tatarische Dorfe ,
; die 4 Station ist die ziemlich beträchtliche Stadt K™gur von er
wir aber nichts zu sehen bekamen, da es bereits spat Abends wa
U wir durchfuhren. Die Gegend ist wellenförmig ^
L e i Perm, ziemlich anmuthig, da man viel durch Wälder kommt KL indess zum Theil auch bereits stark abgeholzt und verkommen
aussehen. Diese Wälder bestehen vorherrschend aus Nadelhölzern
unter denen die Kiefer am meisten vertreten ist. Es lag hier noch
B e l Schnee, so dass mit Wagen schlecht fortzukommen war, besonders
da wir so vielen Karawanen von Irbit, die jetzt auch zu
■Wagen waren, auszuweichen hatten. Am Nachmittag des 4. April
■erreichten wir das grosse Kirchdorf Bisertzkaja, am Flusse Bisertz,
I auf dem grosse, neuerbaute Schiffe (Lotken) lagen um den Eisaufgang I abzuwarten und dann mit Hochwasser die Ufa, Bjelaja m die Kama
lund weiter hinabzuschwimmen. Das Dorf steht in meinem Tageibuche
auch noch deshalb angeschrieben, weil der Posthalter für
I Theewasser und die Benutzung einiger Teller so naiv war, 1 Rub.
I 75 Kop. zu fordern.
Wir näherten uns nun immer mehr dem Ural und wenn wir
auch nach Schilderungen Anderer kein grosses Gebirge erwartet
hatten, so wurden wir dennoch getäuscht. Man sieht nirgends eine
I ordentliche Gebirgskette vor sich, sondern bewaldete Höhenzüge
reihen sich aneinander und hat man die Passhöhe eines solchen
erreicht, so geniesst man ungefähr dasselbe Bild. Nirgends eröffnen
sich wirklich malerische Blicke in Thäler und Schluchten mit Felsund
Wasserpartien. Vor dem Dorfe Bilimbajewskaja, wo wir in der
Frühe (6 Uhr) des 5. April eintrafen, passirt man die ziemlich breite
Tschussowaja, welche der Gegend mehr Reiz verleiht und durch ihre
Schlangenwindungen oft recht anmuthig wirkt.
Auch an diesem Flusse lagerten viele neuerbaute Lotken, welche
auf Hochwasser warteten.
Da nur die untere Tschussowaja einen Theil des Jahres
über schiffbar ist, aber gerade in ihrem oberen Laufe für die Schmelz-
und Hüttenwerke des Ural wichtig wird, so ist man sehr erfinderisch
gewesen, den Transport dieser Erzeugnisse, welche eine so wichtige
Abtheilung der Messe in Nishnej-Nowgorod bilden, dennoch zu bewerkstelligen.
Mit Beginn des Eisganges wird nämlich aus den