gierig, aber anscheinend nicht erfreut, zusammenlief, geriethen wir
in die Ruinen eines anderen zerstörten, deren durch Vegetation
überwucherte Vorrathslöclier*) gefährlicher waren, als die wüthenden
und bissigen Köter im vorhergehenden. Bald darauf sahen wir eine
sanfte Hügelkette vor uns. Hier sollten die Jurten sein, versicherte
der Kosak und ich glaubte ihm, denn wir waren mehr als anderthalb
Stunden fast ununterbrochen scharfen Trab geritten und konnten
die Strecke**) bald hinter uns haben. Aber der brave Wassily
Iwanowitsch oder Iwan Wassilywitsch, oder wie er heissen mochte,
hatte sich eben geirrt und gestand endlich kleinlaut,-was ich schon
längst ahnte, dass er den Weg überhaupt nicht wisse. Was war
da weiter zu machen? Meine Verwünschungen, die ich in zwar
fremder, aber verständlicher Zunge auf den Kosaken herabschleuderte,
besserten weder die Situation, noch meinen wirklich erbärmlichen
Zustand. Ich konnte mich kaum mehr zu Pferde halten und streckte
mich, von Fieberfrost durchschüttelt, nur mit dem dünnen Kosakenmantel
bedeckt ohne Weiteres auf die feuchte Steppe nieder, während
der Kosak aufs Neue recognosciren ritt.
Ein Kalmück unseres Reisezuges der, wegen seiner 2 Handpferde,
nicht ohne gewisse Furcht vor umherstreifenden Dunganen-
räubern war, fand die Richtung besser als der Kosak und so langten
wir fast gegen 11 Uhr im Lager an, nachdem wir statt 18 wol an
30 Werst zurückgelegt hatten. Ohne mich auszuziehen fiel ich auf
das Lager, von dem ich mich erst in der Frühe des 23. (Mai), also
nach fast 36 Stunden, erhob oder vielmehr erheben musste. Mein
Schlaf war kein stärkender, sondern ein blosses, von Fieberphantasien
unterbrochenes Hinträumen gewesen. Wiederholt flimmerten und
gaukelten vor meinen Augen Tausende bujitfarbiger Sterne, die meiner
Phantasie noch von dem im Knabenalter durchgemachten Nervenfieber
unvergesslich geblieben waren. Dabei war mein Zustand ein
so apathische», dass mich wahrscheinlich kaum Feuer in der Jurte
zum Aufstehen bewegt haben würde. Meine Gefährten hatten, da
ich mich zu Pferd nicht halten konnte, vorsorglich eine Telege besorgt,
*) In eine solche Grube stürzte Major Tiehanoff mit seinem Pferde, hei Gelegenheit
der Verfolgung dunganischer Pferdediebe (siehe weiter zurück) glücklicherweise
ohne sich Schaden zu thun.
**) 18 Werst in U/j Stunde darf immerhin als eine befriedigende Leistung
angesehen werden; es macht ca. 5 Minuten auf eine Werst (fast gleich einem Kilo
meter). Man rechnet hei der Kavallerie gewöhnlich 1 Kilometer zu 4 bis 5 Minuten.
denn es galt vor allen Dingen den ungesunden Lagerplatz am Ukun-
tsche, (600 M. hoch) dessen schlechtes Wasser ich trotz aller Warnung
gierig trank, zu verlassen. So zogen wir endlich am 23. langsam
weiter und erreichten am Abend des 24. gegen 97a Uhr das russische
Grenzpiket Burgusutai*), richtiger wohl Burgasutai und zugleich
die Passhöhe des Tarbagatai-Gebirges**).
Dasselbe hat seinen Namen von der Menge Murmeltbiere
(Tarbaga) oder Bobacs (Arctomys bobac) erhalten, welche sich nach
Karelin aber nur am Nordabhange finden sollen, eine Angabe die sehr
merkwürdig klingt, welche ich aber' weder zu widerlegen noch zu
bekräftigen vermag, da uns die genannten Thiere hier nicht vorkamen.
Die Kette des Tarbagatai, deren westliche Ausläufer wir
schon vor Sergiopol gesehen hatten, erstreckt sich von hier
nach Osten bis nahe zum See Uljungur (Kisyl-bascb), in einer Ausdehnung
von fast 600 Werst (ca. 87 deutsche Meilen), ist also ein
recht ansehnliches Gebirge.
Die mittlere Kammhöhe beträgt nach Semenow 4,500 Par.
Fuss, doch giebt es mehrere über 9000 Fuss hohe Pies, unter denen
der Tass-tau 9700 Fuss (nach Feodorow, nach Anderen 10760 Fuss)
am höchsten ist. Weiter westlich folgen der Maral-Tscheku und
Ssandyk-tass. Die Osthälfte der Kette, oder das Ssa-nr-Gebirge ist
höher als die westliche, aber erst das im Südosten des Saissan-Districts
etwas nördlich vom Hauptgebirgszuge abgezweigte Muss-tau-Gebirge
(d.h. Eisgebirge) trägt ewigen Schnee, der übrigens auch an anderen
Stellen des Tarbagatai das ganze Jahr über liegen bleibt. Der Tarbagatai
bildet die Wasserscheide zwischen dem dsungarischen Steppengebiet
und dem Saissan-Becken. Er entsendet eine Menge kleiner
Flüsse, die aber meist weder den südlichen Emil oder Aemil noch
den nördlichen Kara-Irtisch erreichen, sondern fast alle in der Steppe
verlaufen. Unter den mehr als 14 Passübergängen fehlt es nicht an
solchen, die selbst für Wagen passirbar sind. So der Karakolpass,
über welchen die Poststrasse von Sergiopol nach Urdschar führt;
1 *) So hörte ich es aassprechen. Auf der russischen vom topographischen Corps
in Omsk officiell herausgegebenen Karte heisst es „Burgasutai“, das Gebirge Burgusutai
tscheku“ ; auf anderen Karten auch wol Burgustai, Bugasutai und seihst
Bugustai.
**) Sein erster Erforscher war der Botaniker Siewers (1793); ausführlicher
berichteten Karelin (1840) und namentlich A. Schrenk (1. c. p. 55 u. ff.), der
namentlich viel Geologisches mittheilt. — Siehe auch Wenjukow p. 247.