
Friederielis, dessen Aeusserungen Dr.Brehm in; der. nachfolgenden
Stelle wiedergiebt, die ich dem citirten Artikel entnehme, in welchem
er Beredter und packender als vielleicht mancher Augenzeuge (aber
leider ohne alle Daten), den Dunganenaufstand im Emjlthale
schildert. .................. ....... .. . . .
„Als vierzehn Tage nach der Einnahme von Tschugutschak
unser Freund und Reisebegleiter Friedrich die. unglückliche Stadt
oder, richtiger die. Stätte, auf welcher. sie gestanden, besuchte,
kräuselte keine Rauchwolke die Firsten ihrer Häuser, brannte das
einladende Feuer .auf keinem Herde mehr; denn Häuser und Herde
waren vernichtet. Als er durch das Thor eingeritten war, umschwirrte
das lebendige Gewimmel betriebsamer Menschen nicht
mehr wie früher, Auge und Ohr, denn jene Menschen hatten unter
dem Schwerte ihr Leben gelassen. Aber Hunde und Wölfe, die
Bäuche geschwellt vom Aase menschlicher Leiber, schlichen beutesatt
vor ihm davon oder liessen sich in ihrem eklen Mahle nicht
stören und nagten weiter an dem Gebein ihrer früheren Gebieter.
Adler und Milane theilten mit ihnen den Schmaus, diesmal ohne
sich gegenseitig darum zu streiten; denn mehr als überreich war
für alle Nahrung vorhanden. Wo man Raum hatte schaffen müssen
um sich bewegen zu können, waren die Leichen auf Haufen geworfen
worden, Dutzende, Hunderte Männer und Frauen durcheinander, in
den übrigen Stadttheilen, in den Strassen, Hofräumen, Häusern lagen
sie einzeln, zu zweien, zu zehu, Gatte und Gattin, Urahne, Grogsmutter,
Mutter und Kind, Familien und Trupps flüchtend nach
Rettung suchender Nachbarn nebeneinander, die Stirnen zerklafft
von Schwerthieben, die Gesichter zerfetzt^ verbrannt, vom Zahne
der Hunde und Wölfe zerrissen, die Leiber ohne Hände, ohne Köpfe.
Was die tollste Einbildung an Gräueln ersinnen kann, sah das entsetzt
umherirrende Auge unseres Gewährsmannes verwirklicht vor
sich. Unerträglicher Leichengeruch verpestete Oertlichkeit und
Gegend, so dass Friedrich froh war, als er die Stätte des Schreckens
glücklich wieder hinter sich hatte.“
Jetzt waren von diesen Zerstörungsgräueln keine Zeugen mehr
übrig geblieben; auch hier hatte die Zeit wieder die Schäden und
Wunden geheilt, freilich ohne der Stadt ihren Flor nur annähernd
zurüekzugeben. Sie zählt jetzt wol kaum mehr als 3—4000'Einwohner,
nach Dr. Brehm gar nur 1400, während sie vor dem Aufstande
mindestens 30,000 besessen haben, soll; 1868 nach Golubew
allerdings nur 10,000. Sie war damals ein wichtiger Handelsplatz,
der im. directen Karavanenverkehr mit Semipalätinsk und anderen
Städten stand. Doch durften die Russen erst nach dem Vertrage
von Kuldscha, der schon 1851 durch Kowalewski abgeschlossen, aber
erst 10 Jahre später bekannt wurde, Factoreien errichten. Wie bedeutend
die von Tschugutschak gewesen sein mag, erhellt aus dem
Nachweise, dass sie 1854 allein für 1,600,000 R. Thee aus- und für
, 500,000 Manufacturen einführte. Leider wurde sie schon im folgenden
Jahre vom chinesischen Pöbel zerstört und ist seither nicht
wieder errichtet worden. Immerhin scheint sich der Handel nach
und nach zu heben. Tschugutschak liegt nach Golubew auf 46. 4 L 30.
n. Br. und 82. 57. 30 östl. Länge v. Gr. in einer Höhe von 1900
Fuss. Nach den mir gütigst von Graf Waldburg gemachten Mittheilungen
wäre die astronomische Lage 46. 50 und 83. 40 bei 340
Meter Höhe; zugleich würde Tschugutschak die Hauptstadt der
chinesischen Provinz Ui-Tarbagatai bilden.
Wir hatten von unserem ausgezeichneten Geleitsgeber Obristlieutenant
Friederichs und dem trefflichen Kirghisenältesten Tarnar-
Bei*), unter aufrichtigem Danke herzlich Abschied genommen, da
sich unsere Wege ausserhalb der Stadt, leider wol für immer, trennten
und wandten uns dem Osten zu. Da die Jurten nur 18 Werst
entfernt sein sollten, so ritt ich mit Martin Dzerwitnnd einem
Kosaken als Wegweiser voraus, denn ich musste je eher je lieber
Ruhe und Schlaf gemessen, das war mir klar.
Eine-Strecke weit gaben uns zwei phantastisch gekleidete und
mit Bogen und Pfeil bewaffnete Burschen, mongolischer Rasse, wol
Schibö, von denen der eine als Kopfbedeckung einen mit Silbertressen
besetzten Dréistützer aus dem vorigen Jahrhunderte trug,
das Geleit. Es war die Ablösung für eine chinesische Grenzwacht
(wahrscheinlich Ulustau), die sich irgendwo in der Nähe befinden
sollte, wurde mir von dem Kosaken gesagt, der sich,'wie die Folge
lehrte, wol zu eifrig mit seinen chinesischen Kollegen unterhalten
hatte. Nachdem wir ein Dorf passirt, dessen Bewohnerschaft neu*)
Sein wahrer Name lautet Tamar Metekoff; das Wort „Bei’1 oder „Bii“
bezeichnet seinen Stand als Richter oder unbesoldeter Aeltester der Aktschaolinsk’schen
Wollost, er gehörte in Kalgnti, ca. 40 W. von Sergiopol zu Haus und war der
tüchtigste, gewissenhafteste und zuverlässigste Mensch den wir kennen lernten. In
Folge seiner uns so nützlichen Begleitung wurde ihm vom Kaiser von Russland
eine Medaille als anerkennende und verdiente Auszeichnung zu Theil.