gern der erste Ueberbringer einer Neuigkeit sein. So waren die
Kirghisen stets von dem Gange unserer Reise o o unterrichtet und unsere
Ankunft wusste man allenthalben rechtzeitig, um noch Staatskleider
anziehen zu können. — Bei Festlichkeiten zumal, wo es sich doch
stets noch um tüchtige Essereien handelt, ist selten eine Entfernung
zu weit. Dass bei einem so eminenten Reitervolk als es die Kirghisen
sind Alles, vom Kinde an, welches eben laufen lernte, bis zum Greise
zu reiten versteht, darf als selbstverständlich vorausgesetzt werden;
waren sie doch die Meister der Kosaken, deren Kunstreiterstücke
ich bereits beschrieb. Das weibliche Geschlecht ist übrigens zu Pferd
nicht minder gewandt als das männliche, und sitzt wie dieses rittlings.
Wie sehr Alles, was mit Pferden und Reitkunst zusammenhängt,
das Wesen, Denken und die Phantasie des Kirghisen beherrscht,
beweist am schlagendsten die Thatsache, "dass ihre Hippomanie sogar
eng mit ihrer Astronomie verwachsen ist. Gleich allen Nomadenvölkern
sind den Kirghisen die hauptsächlichsten Sterne und Sternbilder
wolbekannt. So namentlich der Polarstern, welchen sie
Demir-Kassyk (eiserner Pfahl), und das Sternbild des Grossen Bären,
welches sie Dschedi-Karabtschi d. h. die sieben Diebe, nennen. Die
Bewegung der Sternbilder erklären sie nun folgendermassen: An den
eisernen Pfahl sind zwei' Pferde gebunden (zwei helle Sterne des
kleinen Bär), die von sieben kecken Dieben verfolgt werden, wobei
allesammt den eisernen Pfahl (Polarstern) umkreisen. — Dieses
hübsche Märchen zeigt zugleich wie phantasiereich die Kirghisen
sind, die wirklich eine grosse Menge von Legenden und Heldengedichten
besitzen, über die Radloff die beste Kunde verbreitete.
Sehr anziehend ist auch das Mährchen von den zwei Riesen und
dem Berge Kalmak-Tologai, welches Wlangali wiedererzählt (p. ,89).
Und wie würdevolle Redner Kirghisen sein können, zeigt Obrist
Wenjukow’s Unterhaltung mit Sultahn Ali, dem Chef der Dulaten
(Reisen in den Grenzstrichen von Russ. Asien. 1868. p. 125.).
Doch kehren wir aus dem Gebiet der Phantasie wieder in die
Wirklichkeit und zu unserer Reise zurück!
VII. Kapitel.
Im dsimgaris chen Ala-Tau.
(Lepsa bis Bakti.) H B - Dessen Gründung. ; B ; Handelsstrassen. Entwickelung. - Areal und
Bevölkerung. — Siebenstromgebiet, — Kirghisen des Gebiets. — Ackerbau.
Bienenzucht. — Eomantische Lage von Lepsa. — Erforscher des Ala-Tau.
Transilischer Ala-Tau. — Dsungarischer Ala-Tau. — Erhebung. — Lepsafluss.
Gebirgstour von Graf Waldburg-Zeil. - Kammhölie erreicht. Saixmieleifer der
Jugend. — Excursion nach dem Dschasil-Kul. — Vegetation. — Wilde Aep e -
bäume. - Am „grünen See?*, - Vögel des Ala-Tau. - Amphibien. - Schnecken.
— Fische. — Hochwild. — Maralgeweihe als kostbarer Handelsartikel. Her
Maral verschieden von unserem Edelhirsch. - Speckstein. - Abreise von Lepsa.
— Ueber den Tentek. — Russische Kolonie Udsch-aral. — .Betrachtungen über
Kolonisirung. - Mausoleum eines Sultahn. - Wildschweine. - Vogelleben. -
Haussperlinge in der Steppe. — In den Eohrwäldern am Tentek. - Nachtigall.
üeber dem Uejali. B Sultahn Abin-Dair. - Nahe dem grossen Ala-Kul. -
Pelekane. — ’ Hitze. — Agin-Su. — Saatkrähen. — ürdschar. — Aufbruch nach
Bakti. — Gute Strasse. — Steppe. — Zwischen den asiatischen Säulen des Herkules.
— Höhenbestimmuugen. — Die Saiga-Antilope. Steppenvögel. Schlangen.
■ Magils.—Makendschi. — Unvorsichtige Schwalben. — Schwieriges Einspannen
von Steppenpferden. — Durchgehen und Umwerfen. — Unerwartete Explosion. —
Ankunft in Bakti.
Lepsa, wie die landesübliche Bezeichnung lautet, die Stanize
Lepsinskaja oder das Lepsinsk der Karten, zum Unterschied von
dem gleichnamigen weiter nordwestlich gelegenep Piket der Strasse
nach Kopal, auch Werchne- (Oberes) Lepsinsk genannt, gehört zu
den erst seit der Einverleibung (1844) des Siebenstromgebietes
(Semirjetschensk) angelegten Militärkolonien (Stanizen). Die Besiedelung
des genannten Gebietes erfolgte 1854 auf Befehl des
Kaisers und wurde zunächst mit 200 Kosaken des Sibirischen Lien