den Aesten hatte das verheerende Element übrigens nichts angehabt,*)
Es scheint daher nicht so leicht, einen ganzen Wa 1 d anzuzünden
und selbst die absichtlichen Bemühungen der Kirghisen in dieser
Beziehung waren, wie wir mehrmals im Altai bemerkten, nicht weiter
als bis zum Abbrennen des Unterholzes gediehen. Doch genügte
dies ihren Zwecken, Weidegründe zu schaffen, vollständig. Sie
pflegen daher vorzugsweis das Gestrüpp der Hänge abzubrennen und
sind wie alle Nomaden erklärte Baumverwüster.
Der Morgen des 10, (Juni) brachte uns wiederum eine völlige
Winterlandschaft : Alles war mit einer dünnen Lage frischen Schnees
bedeckt! Die Heftigkeit der Regen- und Schneeschauer gestattete
erst gegen Mittag aufzubrechen. Wir hatten den höchsten der
sieben Pässe, den Dschedi-kesen (1740 M. nach Graf Waldburg) zu überschreiten
und wanden uns in halber Höhe des Gehänges einer tiefen
Schlucht mühsam aufwärts. Bei der Schlüpfrigkeit des Weges, den
vielen losen, glitschrigen Steinen musste es billig Verwunderung
erregen, dass die unbeschlagenen Pferde nicht öfter stürzten, als
es thatsächlich der Fall war und'dass nicht die, in Folge der nassen
Filze, besonders schwer beladenen Paekpferde nicht zu Schaden kamen.
Als wir die Höhe erreicht hatten, ging es meist auf dem nicht
sonderlich breiten Grate, rechts und links an Abgründen von mehreren
hundert Fuss Tiefe weiter, in Wolken, Nebel und Schnee. Nach
Ueberschreitung von 3 bis 4 Schluchten stiegen wir über Schneefelder,
die .theilweis noch Pferd und Reiter zu tragen vermochten,
und durch Bäume windend, so steil zu Thale,. dass ich ein paar Mal
abstieg und selbst Kosaken das Gleiche thaten. Das'Thal des
Kara-kala in welchem wir (in 1640 M, Höhe) lagerten, übertrifft
die bisher gesehenen an Ausdehnung. Seine sumpfigen Wiesengründe
sind von zahlreichen Wässerchen durchzogen,, an deren
grösseren, wie dem Kara-kala, reihenweis hohe Nadelbäume wachsen.
Die umgrenzenden Berge tragen dichte Wälder aus Lärchen, Arven und
Fichten (Pinus sibirica und cembra), aber ihre Kuppen scheinen die
Holzgrenze zu überragen; sie sind kahl und mit Schnee bedeckt, der
in den Schluchten tiefer herabreicht. In der Schlucht .vor uns zur
Rechten erheben mächtige^Bergriesen ihre ganz in Schnee und Eis
*) Die Widerstandsfähigkeit gegen Feuer ist eine besondere Eigenthtimlichkeit
der Lärche, von welcher Tepluchow überraschende Beispiele anführt (Cotta’s
Altai p. 292).
gehüllten Leiber. Es sind die Häupter des Tau-teke oder Steinbock-
Gebirges, dessen malerische Formen ich (siehe Abbildung) mit vor
Kälte zitternder Hand zu Papier bringe, während die übrigen Herren
auf die Jagd reiten. Schon am Nachmittage waren chinesische
Kirghisen, die hier oben sommern, erschienen und hatten das Vorkommen
eines Rudel Steinwild gemeldet, auch 2 Felle frisch erlegter
Thiere mitgebracht; denen leider das Wichtigste, der Kopf mit den
Hörnern fehlte, um sie für unsere Sammlungen zu benutzen. Es
wurde somit trotz Regen- und Schneewetters eine Jagd arrangirt,
an der ausser den Damen und mir fast Alle des Reisezuges theil-
nahmen. Schon um 5 Uhr früh (11. Juni)- sollte aufgebrochen
werden* der. Weiser zeigte aber bereits 6V2 ehe sich der mächtige
Reiterzug, noch durch etliche dreissig hiesige Kirghisen als Treiber
verstärkt, in Bewegung setzte. Gegen 11 Uhr kamen die ersten
Jäger bereits zurück und bis Mittag war die ganze Gesellschaft
müde,, nass, erfroren und enttäuscht wieder um die Lagerfeuer
versammelt. „Wol waren“, so schreibt mir Graf Waldburg, „an
der Schneegrenze angelangt, einige Steinböcke*) frisch gespürt, ja sogar
gesehen worden, aber da Jeder jagen, Keiner treiben wollte, war
Niemand zu Schuss gekommen, obwol wir in 4 bis 5 Fuss tiefem
Schnee hinaufritten“.
So endete die vielverheissende Jagd äusserst kläglich: ein
Burunduk (Tamias striatus) und ein Schneehuhn waren die einzigen
sichtbaren Ergebnisse; letzteres von dem früher erwähnten kirghi-
sischen Meisterjäger mit der „Kugel“ erlegt! Wenn es uns auf dem
ganzen Zuge durchs Gebirge nicht ein einziges Mal glückte, grössere
Vierfüssler nur zu sehen und desshalb manche Stimme laut wurde,
um die Wildarmuth dieses Gebirges zu schmähen, so geschieht dies
gewiss mit Unrecht. Das Gebirge, oder vielmehr die Gebirge, sind
viel zu sehr verzweigt und unser Aufenthalt war ein viel zu kurzer,
als dass wir uns ein Urtheil hätten erlauben dürfen. Nur einmal
waren zwei Bären eiligen Laufs verschwunden, aber wie diese zufällig
bemerkten, offenbar andere ebenfalls aufgejagt worden. Ebenso
vermuthlich Hirsche (Maral); Rehe und anderes Wild. Sahen wir
doch im Altai nicht einmal Auer- oder Birkhühner, die ja sonst so
gewöhnlich sind! Ledebour und Bunge, die doch viel länger als wir
*) Kalmückisch : „Tekd“; kirghisisch : „Irke“; Capra sibirica, Pall, (vergl.
dessen Eeise III. p. 393).