schränkt sich daher die Götter um Hilfe gegen die bösen Geister
anzuflehen, welche in den Kranken sitzen und oft in Gestalt von
Würmern am Herzen nagen. Er (der Schaman) (vergl. hierüber
auch Schrenk p. 548) sieht es dem Patienten gleich an ob er genesen
wird oder nicht, ebenso Gesunden, wie lange sie leben
werden.
Gestohlenes Gut zu entdecken (vergl. auch Castren I. p. 201)
benöthigt er eines Glases Schnaps, eines Messers und eines Kreuzes,
denn es giebt auch christliche Schamanen, da das Christenthum die
Kraft nicht auf hebt. Der Dieb wird dann in Folge der Beschwörungen
mit dem Messer ins Auge getroffen. Verlorenes weiss er
(der Schaman) nicht zu erkunden, und ebensowenig als seine Herren
Collegen leider kein Mittel gegen die Renthierseuche. Die, denen
Renthiere sterben, sind gewöhnlich Sünder und erleiden die gerechte
Strafe!!
Schamanen werden zuweilen bei Hochzeiten eingeladen um das
Brautpaar vor „dem bösen Blicke“ zu schützen. Auch bei Begräbnissen
pflegen sie mitzuwirken, namentlich um die Rückkehr des
Todten zu besprechen. Ostiaken und Samojeden haben kaum einen
Unterschied im Glauben. Sie vereinigen sich im Herbst zu dem
grossen 7 tägigen Feste, welches samojedisch den klangvollen Namen
„Schin jellä heiwida jellä“, ostiakisch den noch zungenbrecherischen
„Labetchatel jemungchatel labetchatel“ führt (von Labet = 7 und
Chatel = Sonne) und als eine Art Dankfest betrachtet werden darf.
Zu diesem Feste kann Jeder kommen; auch Frauen und Kinder.
Sie versammeln sich dann bei einem besonders verehrten Götzenbilde,
opfern demselben Pelzwerk, Renthiere u. s. w. und essen und
trinken. In Zeiten der Noth wird den Göttern besonders geopfert
um sie günstig zu stimmen. Dann verkünden Schamanen den
Willen der Götter und erinnern an nicht gehaltene Gelübde, die
dann pünktlich nachgeholt werden. Es giebt Schamanen, welche
Legenden und Erzählungen des Volkes kennen, unser Mann weiss
aber keine, ebensowenig als Taschenspielerkünste. So sollen sich
manche berühmte Schamanen Säbel und Spiesse durch den Leib
stossen. Ich selbst fand einmal bei einem verlassenen Tundralager
eine fusslange 4 eckige Speerspitze, die als ein Schamanenspiess bezeichnet
wurde. Die Vorstellung hatte übrigens Alle befriedigt!
Auch uns, denn wir hatten wenigstens einen Einblick in das
Schamanenthum erlangt und uns zur Genüge überzeugt, dass es
unter der dünnen Schicht Christenthum, welches jene Gegenden
spinnwebenartig bedeckt, noch tief wurzelt. Als ich einen Russen
fragte „was er von dem Hokuspokus des erwähnten Schamanen
halte?“ meinte er „der Mann sei als Wetterprophet und Fischebeschwörer
ganz ausgezeichnet; überhaupt hätten diese Leute doch
manche Kenntniss von denen man sich nichts träumen lasse“. Wie
prächtig sich übrigens Christenthum und Schamanismus hier vertragen,
zeigte dieser Tatibe am besten. Denn er war ja gar kein
Heide, sondern ein guter Christ der orthodoxen Kirche und früher
selbst als Vorsänger angestellt. Hatte er nicht ein Kreuz um den
Hals und fand ich nicht in seinem Tschum drei prächtig vergoldete
Obras (Heiligenbilder)? Jedenfalls war der Mann nicht dumm: er
molk zwei Kühe zugleich; am Tage sang er Kirchenlieder und
Litaneien, in der Nacht rührte er die Zaubertrommel. Gerade so,
wie er mir seine Obras verkauft haben würde, stand er mir nach
einigem Widerstreben das Zauberinstrument ab, das übrigens ab-
seit im Busch versteckt war, aus Furcht vor den Missionären, die
selbstredend Zaubereien gänzlich verbieten.
Jedenfalls hatte dieser Schaman schon Manches der christlichen
Lehre in seine Glaubenssätze anfgenommen, wie ans dem strafenden
Gotte hervorgeht, und erzählte auch sonst viel dummes Zeug. So
behauptete er, früher habe man Jaü-mal sogar Menschenopfer gebracht,
aber Jorka, den ich darum befragte, wies diese Anschuldigung
entrüstet von sich: nie habe so Etwas stattgefunden! Aus
ähnlichen Quellen mögen übrigens die mancherlei unwahren Berichte
entspringen, die noch heut die Darstellung jener Völker verunstalten.
Hören wir nun Jorka Mamrun hinsichtlich der religiösen Anschauungen
der Ostiaken.
Der gewaltigste Gott heisst „Oort“, auch wo! Moster oder
Moschter (Meister) genannt. Er ist ein unsichtbares gutes Wesen
und bemüht den Menschen zu helfen, aber nicht allmächtig, denn
den Tod kann er nicht aufhalten, ebensowenig die • Renthierseuche,
welche übrigens nicht als eine Strafe nur den Sünder trifft. Die
grossen an besonderen Stellen verehrten Götzen (wie das in Wes-
pugl), aus einem oft an 2 Arschin grossen, mit kostbaren Fellen
gefüllten Sacke mit einem Gesicht aus Eisen bestehend*) (ähnlich
*) Diese Angaben sind jedenfalls richtig, denn ganz in ähnlicher Weise beschreibt
Sohrin, ein Ostiak von Gehurt, das Bild des Gottes Ortik (Oort), welches