geistige Gesundheit zu bewahren. Und obwohl es immer Krankheiten
geben wird, hat doch noch Keiner, dessen Vernunft ungetrübt
ist, das Kranksein mit Absicht der Gesundheit vorgezogen.
Die Moralprediger werden in die Ferien gehen können,
wenn der Knabe schon auf der Schulbank das Verständniss des
Guten als des Naturgemässen eingesogen hat. Liegt auch solch’
goldene Zeit zu ferne, als dass unserer Generation ihrer Genüsse
theilhaft werden könnte, so lohnt es sich doch der Mühe, schon
jetzt an ihrer einstigen Herbeiführung mitgearbeitet zu haben.
Die Buddhisten erkennen den Schmerz als der Menschennatur
inhärirend, und somit die Nothwendigkeit des Leidens,
ohne sich indess deshalb mit dem pessimistischen Zerrbilde einer
im hoffnungslos Schlechten möglichst bessten Welt zu befassen,
denn wenn die heilende Ruhe nur im Nichtsein winkt, wird
weil thöricht, verächtlich machen. Der gebildete Kaufmann anerkennt den Sprnch:
Ehrlichkeit wahrt am längsten, und während sein Schlitzgott früher zugleich der
Gott der Diebe, jeder kleine Vortheil erlaubt war, weiss er jetzt, dass nur ein
makelloser Ruf, die strengste Rechtschaffenheit seinen Credit an der Börse aufrecht
erhält. Auch der Handwerker muss aufgeklärt genug werden, um einzusehen,
dass ein schlecht genähter Rock, ein brüchiges Schuhleder ihm für den
Augenblick einige Ausgaben erspart, aber ihn durch den Verlust eines Kunden bestraft,
von dem er noch auf Jahre hinaus auf einträgliche Einnahmen hätte rechnen
können. Es ist ein kurzsichtiger Wirth, der an dem Gericht verdorbenen Fleisches
einige Groschen spart, aber jetzt seinen Gast verscheucht, der ihm noch viele
Thaler zugetragen haben würde. Und ist die bessere Einsicht nicht eine mechanisch
angelernte, sondern selbstbewusst als wahrhaft erkannte, so macht sie den
Organismus, in dessen Fleisch und Blut sie übergegangen ist, mehr und mehr
unfähig fehl zu gehen, sie macht sein sensitiveres Nervensystem empfindlich gegen
Vergehen, sie entnervt ihn völlig gegen schwere Verbrechen, und diese feinere
Veredlung erhält sich dann durch erbliche Uebertragun'g mehr oder weniger in
dem fortgeborenen Geschlecht. Der erste Schritt liegt darin, die Triebe wilder
Sinnlichkeit, aus der indirect oder direct alle Verbrechen fliessen, wenn nicht zu
unterdrücken, doch zu bezähmen, und den Genuss in geistigeren . • Freuden zu
suchen. Aber das wird nicht durch das Vorsprechen von Morallehren erreicht
werden, sondern dadurch, dass der denkende Geist seinen eigenen Vortheil verstehen
lernt, und ihn dann, bis zum Verschwinden der Angewöhnung im Unbewussten
als sein Bestes, dieses Besten wegen, su ch t, nach dem natürlichen
Princip des Selbsterhaltungstriebes.
dieses eben als die Glückseligkeit erstrebt, und zwar von dem
allein, dessen geschärfter Intellect die gebotenen Illusionen
zerreisst, während die grosse Masse des Durchschnittmenschen
bei dem Wohlgefühl gesunder Existenz die zwischenlaufenden
•Schmerzen leicht mit in den Kauf nimmt. Dem auf der Höhe
geistiger Entwicklung Stehenden wird das Treiben der Menge
eben so unbefriedigend scheinen, wie dem Manne das des
Kindes, aber das letztere ist deshalb nicht weniger glücklich,
und in seiner Sorgenlosigkeit weit glücklicher als der, wenn
auch froh, doch nicht unbesorgt herniederschauende Vater. Die
schwellende Jugendkraft, die mit jedem frischen Morgen neu
gestärkt, sich aller ihrer Bewegungen und körperlicher Empfindungen
freut, muss schon im Gegensatz zu den krank und
schwächlich Geborenen als positives Lustgefühl aufgefasst werden,
und bei Jedem, der sich einen seiner Kräfte angemessenen
Wirkungskreis zu schaffen vermochte, dauert die active Lust am
Leben fort, bis sie, wenn das Tagewerk als beendet angesehen
werden kann, in die passive des Greisenalters tibergeht, das
ungetrübt dem Herannahen des Todes entgegenblickt, ohne ihn
zu fürchten oder zu wünschen. Die Durchschnittsumme des
Volkes ist überall gesund und freut sich seiner Gesundheit, trotz
der nimmer fehlenden Plackereien des Lebens und trotz der
romantischen Weitschmerzier, die, durch den guten Geschmack
aus der Dichtkunst vertrieben, auf das Gebiet der Philosophie
retirirt sind, und dort sich in eine Conspiration der Menschenwillen
zum Umsturz der Welt durch gleichzeitig gemeinsamen
Entschluss verschworen haben. Die hohle Nichtigkeit der
leeren Abstractionen, in denen sich die Gedanken der Philosophen
umherdrehen, ermüdet durch ihre langweilige Einförmigkeit,
so dass sie, des Lebens überdrüssig, dem Tode entgegengähnen.
Wer dagegen seine Geisteskräfte in praktischer Thätig-
keit erprobt, — der Staatsmann, der Kaufmann, der Fabrikant,