Fürsten treten. Die Berauschung im Somatrank ist oft religiöse
Vorschrift, anderswo verpönt, und [wie die Skythen verboten die
Nervier die Einfuhr von Wein, obwohl eben so vergeblich, wie
die Irokesen den des Branntweins und die Chinesen den des
Opium. Die Lüge *) würde als ein grosses Verbrechen erscheinen,
wenn sie vorkäme, ist aber den auf sich beschränkten Naturvölkern
eigentlich unbekannt, da sie eine viel zu grosse Combi-
nation der Gedankenarbeit verlangt, um den etwa erreichbaren
Vortheil zu compensiren, und es weit bequemer ist, den wirklichen
Thatbestand, also das Wahre, einfach wiederzugeben. Nicht zu
tödten, nicht zu stehlen, nicht zu huren, nicht zu berauschen, nicht
zu lügen sind die fünf Normalverbote in fast sämmtlichen Religionssystemen,
und aus Utilitätsrücksichten**) in complicirteren
Staatsverhältnissen ist ihr Bruch dann meist auch mit weltlichen
Strafen belegt neben moralischer Verdammung. Die letztere ist in
diesem Sinne dem Naturmenschen fremd. Kakini ist derjenige,
der das Tabu bricht***), der das dem Atua geweihte Thier isst,
das unter seinen Schutz gestellte Feld bestiehlt, die in seinem
Tempel weilende Jungfrau berührt. Das Stehlen an sich hätte
nichts auf sich, wenn es sich unbemerkt verüben liesse; das aber
mit dem Tabuzeichen bemerkte Feld ist gegen jede Gefahr gesichert,
denn Niemand ist so unbesonnen, dasselbe zu betreten,
weil er sogleich, vom Zorne des Atua getroffen, todt niedersinken
*) Tb x o a n o io v roiv Ayad'cöv fj alijSsia, xa i o eoyaros oqos rîjs TtovrjQÎas
ro tpevSos (Basil). Homo cui incumbit nécessitas mentiendi diligenter attendat,
n t sic utatnr interdum mendacio, quomodo çondimento et medicina (Orig.). Ovx
Iv rois itolêfiois fiô vo v , âXXà «ai i v el^r'jpr, nolXryv xa l à va yxa la v zvooi ris
d v rrjs ândrtjs rryv yqsiav (Chrys.).
**) La lettre d’Ardeshyr Babegan (à Djenfeshah roi du Fershwad et du Dey-
lem), remarque, que (sous les Parthes) beaucoup des délits étaient punis des
crimes, tandisque que des manquements infiniment plus graves n’étaient atteints
par aucune pénalité (Oobineau).
***) Der Perser verfiel in Sünde, wenn er durch seine Handlungen anfhörte
ein Iranier zu sein, sonst war seine Seele rein, wie ihr Ferner.
oder doch von ähnlichen Plagen getroffen werden würde, wie
der Verrücker der Grenzsteine in dem an Arruns Veltymnus
gerichteten Orakel ex libris Vegoiae. Wie lebendig und unerschütterlich
fest gewurzelt dieser Glaube*) in dem Herzen der
Polynesier war, davon haben wir aus den Berichten der ersten
Entdecker und Missionäre Beispiele die Hülle und Fülle. Die
Verletzung des Tabu war geradezu undenkbar. Schon bei einer
Andeutung der Möglichkeit schien die Einbildung so mächtig zu
wirken, um alle gefürchteten Folgen sogleich hervorzurufen. Die
Tabu-Plätze**) waren Sacra, kein Profaner wagte ihnen zu nahen.
Wenn es nun aber doch geschah? und vielleicht gar ohne das
instantane Gottesgericht ? Nun, dann war dieser Missethäter eben
ein Kakini. Jeder mied ihn, der Priester hatte ihn verflucht, der
beleidigte Atua hielt nur deshalb mit der Rache zurück, um
ihn desto furchtbarer zu treffen, und vielleicht mit ihm die ge-
sammte Gemeinde, der er angehörte. Im Laufe der Zeit musste
immer der eine oder andere Unglücksfall eintreten, der sich in
entsprechender Weise deuten liess, und wenn durch irgend ein
Wunder der Kakini auch geheimen Nachstellungen entging, so war
die Strafe für seine Kinder***) aufbewahrt, bis in’s dritte Glied,
oder für seine Seele nach dem Tode. Jetzt wurde den Priestern
der ganze Umfang ihrer Gewalt f) erst klar. Sie hatten ja die
Mantra in ihrem Besitz, denen die Götter des Jenseits f }•) ge*)
Als Wächter der Sittlichkeitiwird die Gespensterfurcht aufgestellt (Rosegger)
bei den steirischen Bauern (1870).
**) Unstätten (Mayer), von denen das Lept. Conc. spricht: de incertis locis
qnae colunt pro sacris.
***) Der athenische Jüngling hatte das Wesen der Üev&epia in sich anfzu-
nehmen, als das Werk der agerrj, während die Schlechtigkeit {xaxorrjs) n ur rfjv
SovXeiav brachte. Deshalb sei ein Roher nnd Schlechter nu r zum Dienen, ein
Gebildeter und Tugendhafter dagegen n ur zur Freiheit berufen (s. Krause).
f ) Olavibus (ecclesiae) quodcunque fin terra solvitur, etiam in coelo solutnm
promittitur (Aug.).
+ i) Cyprian fordert zum Bekenntniss der Sünden auf, weil der Tod ungewiss