deckung basirte sich die ganze nachfolgende Literatur, so voluminös,
um Häuser und Städte zu füllen, aber heute (nach einem
ändern Jahrhundert) streiten wieder, als die besten Autoritäten
anerkannte, Philosophen, ob der Raum subjectiv oder objectiv,
oder nicht vielleicht beides, subjectiv-objectiv sei. Um was sind
wir also in den 300 Jahren (um nicht den langen Weg. bis
Aristoteles zurückzugehen) weiter gekommen, und was würde in
der Gesammtheit der philosophischen Literatur überdauern, wenn
mit der Schneide scharfen Denkens geprüft? Die naturwissenschaftliche
Behandlung der Physiologie, die erst seit wenigen
Decennien kaum begonnen ist, hat die Fragen über Raum und
Zeit noch nicht erreicht, aber eines Tages wird sie dahin kommen,
die Aufgabe untersuchen, sie lösen, und damit für immer
ein- und allemal entschieden haben.
Die Natur ist nicht so ärmlich beschränkt, um nur in der
einfachen Reihe eines indianischen Gänsemarsches zu operiren,
sie ist reich und weit genug, um das Gewühl volkreicher Städte
zu umfassen, in allen ihren Varietäten und Nüancirungen neben
und zwischen einander. Für menschliche Schöpfungen des in
Zeit und Raum entstandenen Geistes werden wir uns stets schematisch
einen Anfang entwerfen müssen, mit dem sie begonnen;
für die Schöpfungen des, weil ausser Raum und Zeit, unbegriffenen
Gesetzes dagegen haben die innerhalb unseres Gedankenganges
nothwendigen Begrenzungen keine Geltung. — Wenn
die Natur nur die einfache Fortbewegung in der geraden Linie
kännte, wenn sie im vervollkommnenden Stufen gang vom Wurm
bis zum Menschen fortschritte, so wäre damit auch ein zeitliches
Ziel gesetzt und sie hätte das Schicksal aller Entwicklung zu
durchlaufen, nach erreichter Höhe der Mannheit im schwachsinnigen
Alter hinzusiechen. Aber die Natur altert nicht, ihre
Productionen sind ewig neu und jung, in den physikalischen
Charakteren der Völker ebensowohl, wie in ihrer Sprache, bei
denen man gleichfalls von einem Altem sprach, indem man die
Fülle allseitiger Gestaltung auf einen schematischen (und für
die Theorie immerhin nützlichen) Strich zusammenzwängt. Wollen
wir die uns gewohnheitsmässige Anschauung eines Zieles fest-
halten, so ist dasselbe wenigstens über die Grenzen von Raum
und Zeit hinaus zu versetzen.
Während die alten Sagen der Völker von einem goldenen
Zeitalter ausgehen, das der Götter bei den Indern, der Heroen
bei den Griechen u. s. w., hat man neuerdings statt dieses Herabsinken
ein allmähliges Aufsteigen aus dem Standpunkte tiefster
Uncultur angenommen, aber hier gleichfalls bei Ausziehung der
Geschichte der Menschheit in eine einzige Zeitreihe den Fehler
schematischer Verallgemeinerung begangen, ehe man sich mit der
Masse der Details genügend bekannt gemacht hatte. Dem Zustande
des umherschweifenden Nomaden gegenüber bildete die
Civilisation den auf verschiedenen Wegen erreichbaren Fortschritt,
zunächst in dem gesetzlich geregelten Leben des Bürgers,
in der Civilitas Theoderich’s M., bei dem Uebergang der Gothen
zu festen Ansiedelungen, und im Hinblick auf solche Civilitas
stehen z. B. die alten Gallier mit ihren Duumvir in cisalpini-
schen Städten, mit ihrem Vergobret und Brennus (dem rex und
princeps der Germanen), mit ihren Doppelkönigen (wie sie, ausser
bei Spartanern, bei Siamesen wiederkehren, und ähnlich bei den
Kru) auf ziemlich gleicher Stufe mit den alten Römern, denen
gegenüber man sie gerne als Barbaren betrachtete. Ein anderes
ist dann die unter besonders begünstigten Umständen (bei Hellenen,
bei Assyrern und Egyptern,. bei Chinesen und Japanern,
bei Peruanern und Mexicanern, sowie in der Neuzeit Europas)
aufblühende Cultur, gleichsam der Luxus eines Schmuckgartens,
der vorhanden sein oder fehlen mag, nicht aber die nothwendige
Grundlage der Gesittung darstellt, wie jene weiten Saatfelder
der Civilitas.