Winkelneigungen (nach Mitscherlich) führen. Partialverän-
dernngen treten ein; durch polarische Hinwegnahme der Rhomboeder
Scheitel des Rauten-Dodekaeders ergiebt sich das Tetraeder,
aber das Ebenmaass-Gesetz (und das Gesetz der Gleichheit
der Dimensions-Verhältnisse) erhält in den Correlationen
den einheitlichen Zusammenhang. Eine Mineralspecies setzt
gleiche chemische Zusammensetzung und gleiche Krystallisation
voraus, sie mag sich isomorphisch oder dimorphisch verhalten, sie
mag sich aus Rothkupfererz durch Aufnahme von Kohlensäure
und.Wasser zu Malachit (aus Octaeder zu schiefer rhombischer
Säule), aus Kupferlasur durch Verlust eines Theils der Kohlensäure
zu Malachit umbilden; die gegenseitige Abhängigkeit von
äusserer Gestalt und innerer Zusammensetzung wird dadurch
indessen nicht gestört. Jede Krystallform hat eine gewisse Weite
möglicher Veränderungen, und mag sich durch Entrandung,
Entkantung, Enteckung u. s. w. manchmal für den ersten Anblick
dem Spielräume anderer Kernformen nähern, sie wird aber
stets auf die ihr zukommende reducirbar bleiben, ausser wenn
sie auch ihre chemische Zusammensetzung ändert,- also überhaupt
ein neues Art-Ding wird. Aus dem Mangel scharfer
Unterscheidung zwischen dem Sein und dem Schein fiiesst der
Grundfehler, der die Vorstellung der Descendenztheorie fälscht.
Natron vermag im stumpfen Rhomboeder oder im Würfel aufzutreten,
aber im ersten Falle bildet sich mit Salpetersäure der
Salpeter, im letzten mit Salzsäure Steinsalz. Der Rolle der
analysirbaren Elemente in der anorganischen Natur entsprechen
in der organischen nicht die dort immer gleichen Grundstoffe,
sondern die wesentlichen Eigenschaften des jedesmaligen Organismus.
Wollte man nun eine Entwicklungsreihe der Mineralien,
etwa vom Würfel (des Steinsalz) zum stumpfen Rhomboeder
(des Salpeter), der schiefen rhombischen Säule (des Glaubersalz),
dann Salmiak (in Octaedern), Anhydrit (in geraden rektangulären
Säulen), Borazit (in Tetraedern), Sodalit (in Rauten-Dodeka-
edern), Leucoit u. dgl. aufstellen, so wäre damit Alles umgeworfen,
was die Induction aufzubauen sucht. Die Chemie
gewann ihre Stützpfeiler eben dadurch, dass sie sich aus der
unbestimmten Verschwommenheit der Alchemie losrang, dass
sie die so weit festgestellten Grundstoffe als unantastbare heiligte
und denjenigen als Ketzer ausstossen müsste, der auch heute
noch von einer Umwandlung der Elemente in einander träumen
wollte, weil ihm solche Hypothesen ein glatteres und bequemeres
System hersteilen würden. So weit uns Partialveränderungen
an den Krystallen bekannt sind, nehmen wir sie an, aber durch
jeden Schritt*), mit dem wir über die factisch gesicherte Basis
hinausschreiten, verletzen wir die exacte Naturwissenschaft. Ist
es uns in der organischen Natur noch nicht möglieh gewesen,
die wesentlichen Bestandtbeile jeder Species in so fest umschriebene
Formeln zu fassen, wie in den Atomgewichten der
Stöchiometrie, so haben wir doch zu versuchen, dahin zu gelangen,
und uns nicht von vornherein den Weg dadurch abzu-
I *) „Die Induction fordert Vollständigkeit der Beobachtungen, wenn sie zu
sicheren Ergebnissen führen soll (eine Induction aus einzelnen Fällen ist nach
Bäcon eine Kinderei). Der Gegenstand, muss von allen Seiten, nach allen Gesichtspunkten
, mit allen Sinnen, in jeder Lage und Zeit beobachtet werden“
(s. Harms). Wenn die Induction ihre Rohmaterialien zusammenträgt, bedarf sie
allerdings eines ungefähren Planes des Risses, nach dem sie bauen will, und dies
ist ihre Hypothese. Sie darf dann aber nicht die Bausteine dem entsprechend
zuschneiden, um ihre subjective Idee, wie die künstlerische Architektonik, zur Ausführung
zu bringen, sondern da sie mit den umhergeworfenen Stücken eines
schon seit dem Beginn des Seins fertigen Kosmos baut (Um ihre Idee vom Mikrokosmos
neu anzuschauen), so muss sie je nach der Art der sich an Material dar-
bieteuden Formen den Gang der Arbeit stets entsprechend modiüciren, bis sich
schliesslich das Ganze vollkommen harmonisch in einander geschlossen zeigt. Erst
dann verschwindet die Hypothese vor dem Gewussten, das dann später weiter
als eigene Stütze des Ferneren verwendet werden kann. Zur Controle muss auf
■die Synthesis der Induction die zersetzende Analyse der Deduction folgen, die
■von der Speculation aus dem Einen wieder auf das constituirende Viele zurück-
Jlgeht.