entwicklung zu entwerfen, müssen wir durch den Wechsel unseres
specifischen Beobachtungspunktes die für diesen richtigen
Proportionen in gegenseitiger Vergleichung auf eine allgemein
gültige Scala projiciren. Unsere geschichtlichen Vorstellungen
sind genährt von denen der classischen Völker, die in dem ra schen
Aufschwünge ihrer Cultur auf die vom Massstabe dieser
in ihrer'Bildung abweichenden Völker stolz hinunterblickten und
sich als die Träger der Erleuchtung betrachteten, obwohl sie im
nördlichen Europa nicht weniger als in Asien mit selbstständig
entwickelter Civilisation in Berührung kamen, und im letztem
Erdtheil sowohl wie in Afrika das Vorangehen, zu ihrer eigenen
Blüthezeit bereits erloschener, Bildungsherde anerkennen mussten.
Das Entdeckungsalter der Neuzeit führte in den abgelegeneren
Theilen des Globus meist zu Völkern, die in ihrer Isolirtheit einfache
Geisteserfassung zeigten, obwohl auch dort, in Amerika einestheils
und andererseits in Polynesien, in manchen Punkten complicirtere
Cultusverhältnisse sich vorfanden. Wenn ein auf der Höhe derZeit
stehendes Culturvolk die übrigen nach sich bemisst, kann es in
ihnen nur niedrigere Vorstufen sehen, obwohl das Sinken solcher
Culturvölker dem objectiven Beobachter zeigt, dass dieselbe Treppe,
wie zum Aufsteigen, auch zum Niedersteigen dienen mag.
„Der Uebergang von den physikalischen Vorgängen im .Gehirn
zu den entsprechenden Thatsachen des Bewusstseins ist undenkbar“
(nach Tyndall) und kann von der Physiologie nicht
weiter gelöst werden, wenn ihr nicht die Psychologie ein neues
Beobachtungsmaterial in den ethnologischen Thatsachen liefert.
Die durch die Sonne angeregten Lichtgestaltungen fallen, von
den Umrissen des Baumes zurückgeworfen, auf einen brechenden
Körper, der das Bild jenes -reflectirt und, wenn als Augenlinse
mit einem Nerven-Ganglion verbunden, in diesem weitere Erzitterungen
hervorrufen muss. Wir haben also eine in der Natur bestehende
Form neu geschaffen, die Existenz dieses Aussendinges
prägt sich dem subjectiven Organismus ein. Diese Erkenntniss
des Daseins wird sich zunächst etwa nur mit Bewegungs-
combinationen associiren, um den (materiell empfundenen) An-
stoss zu vermeiden, aber in einer höher organisirten Wesenheit
weiterer Stufe dann bereits mit den Anlagen zu dieser erworbenen
Erfahrung geboren werden? Dadurch ergiebt sich sogleich eine
Thätigkeitsäusserung, die mit keiner anderen aus der objectiven
Natur in directe Correlation mehr gesetzt werden kann, deren
Zusammenhang mit dieser aber dennoch festzuhalten bleibt. Indem
sich dann mit fortschreitender Vollendung die geistigen Concep-
tionen verfeinern bis zu denen des Menschen, erhalten wir schliesslich
unter Zutritt der Sprache die nach Aussen projicirten Ideenbilder,
die wieder in ihrem klaren Verständniss (unter der Controle
ihrer bei allen Völkerstämmen wiederkehrenden Analogien) einen
festen Ansatzpunkt erlauben, um von ihnen rückwärts den Weg
bis zu jenem Punkte zu durchmessen, wo die Physik an der
Grenze der Physiologie stehen blieb. Die so gewonnenen Resultate
würden dann weiter als Führer benutzt werden müssen, um die
Geistesthätigkeit tiefer abwärts in die Thierreiche hinunter zu verfolgen,
bis sie mit den ersten Erscheinungen der Lebensäusserung
zusammenfällt. Wenn wir das schematische Bild einer allmäligen
Vervollkommnung in der Wesenslinie entwerfen, wenn wir
Tausende und Millionen von Jahren zusammenreihen, um, Sternchen
auf Steinchen zufügend, die Uebergangsbrücken der Species,
der Gattungen und Familien zu einander zu bahnen, so muss
der rein hypothetische Charakter dieser subjectiven Aushilfe nicht
vergessen und im Auge behalten werden, dass, was wir durch
mühsames Aneinanderreihen, durch das Zusammenaddiren unübersehbarer
Summen herauszurechnen suchen, einer höheren Intelligenz
vielleicht durch eine instantane Multiplications-Operation
das gesuchte Resultat ergeben würde. Dem Wilden, der nur bis
drei zu zählen vermag (wie der Zaparo), wird es nie gelingen,
p
B a s tia n , lleise VI.