LIV Vorwort.
vielleicht könnte, wie der Buddhist meint, eine Accumulation
von Tugenden, wenn man eifrig und unermüdlich dabei ist, noch
vor der Ankunft der verfolgenden Erinnyen eine solche Fülle
von Verdienst*) aufhäufen, dass dieselbe als eine Schutzwehr
gegen jene zu dienen vermöchte. Eine andere wäre jedenfalls
nicht denkbar. Nur der im Uebergang zur Buddhavollendung
stehende Weise vermag beim Eintritt in’s Nirwana den Zusammenhang
des Alles genügend zu durchschauen, um dergleichen
Winke zu ertheilen. In dieser Harmonie zwischen dem Erleuchteten,
vor dem der Trug der Maya-Welt zerfliesst, und dem Sein
der Dinge gewinnt der Buddha die Bedeutung der Gottheit,
durch seine harmonischen Kräfte das All erhaltend, und schon
der Heilige**) auf Erden beeinflusst wohlthätig seine Umgebung.
Wer durch eifrige Uebung der Kammattan ***) sich von der Nichtigkeit
des Irdischen überzeugt, die immer frisch keimende
Wurzel desselben in sich ertödtet hat, der steigt auf den Stufen der
Contemplation zu den Pfaden (Megga) empor, die zu den Früchten
*) Die Früchte des Tittham Wetanija-kam erwachsen in der gegenwärtigen I
Existenz (sonst würde es als Ahosikam nentralisirt werden), die des Dpacha We- I
tanija-kam in der nächsten, die des Oprapara Wetanija-kam nach der dritten I
Existenz. Durch Erlangung von Upakhathaka-kam mögen die Verdienste das I
Wirken des geschehenen Uebels abschneiden.
**) Die göttlichen Menschen (die schwer zu erkennen sind) bedürfen Nichts, I
denn sie haben alles zum vollkommenen Eigenthum gewonnen (Wäre Alles mein, I
was Gott je geschaffen hat, das gäbe ich Alles den Menschen auf einmal dahin, I
nm es zu verzehren, und ich thäte es mit Fug und Recht, denn Alles ist sein). I
Dieser Leute Wirkeu bringt das höchste Heil [Buddha’s ] , ihr Wirken aber ge- I
schiebt innerlich im Grunde der Seele. Selig das Königreich, in welchem diese I
Menschen immer weilen, sie schaffen mehr ewigen Heiles in einem Augenblick, I
als alle äusseren Werke, die jemals äusserlich gewirkt haben (Meister Eckhart). I
Der geheiligte Mensch ist das Ende des absoluten Processes, in ihm und durch I
ihn kehrt die Gottheit aus ihrer Offenbarung in sich selbst zurück (s. Lasson).
***) Oum ad mensam accumbis sit tibi ipsa commestura acerbae illius mensae }
recordatio, cum vermes in sepulcro depascentnr artus tuos et minus voluptatis I
capies (Gr.). Beim Zubettgehen betrachte das Lager als Sarg n. s. w.
r Vorwort. t.V
(Phala) führen, mit deren Genuss sich das Nirvana dem Vollendeten
öffnet.
Ehrlich contrastirt mit dem buddhistischen Mitleid, als passiver
Liebe, die active Liebe des Christenthums, die sich auf
Freude in den von Gott vollkommen geschaffenen Dingen begründe,
aber wenn auch die letztere durch edlere Gefühlsströmungen*)
das Gemüth erheben würde, so muss sie doch immer
nur auf einzelne Auserwählte beschränkt sein (und sich dann
unter einer philosophischen Anschauung moduliren), wie es die
Geschichte des Christenthums beweist, wogegen die des Buddhismus
für ihre bescheideneren Anforderungen auch die grosse
Masse, auf die die Religion zu wirken bestimmt ist, fähig findet
und als erstes Zeichen der Gesittung die Barbarei zu mildern
pflegt.
Die geistige Thätigkeit wird unterbrochen in zwei Arten,
einmal durch den Schlaf (der indess zur Erholung dient durch
Ersatz des verbrauchten Sauerstoffes), und dann durch die sinnliche
**) Lust (die die Nervenkräfte an dem dem Gehirn entgegengesetzten
Pole für irdische Fortzeugung verbraucht), so dass ein
neuer Kreislauf der Existenzen die Erlösung aus der Leidens-
*) Ein göttlicher Geist lehrte die Menschen nachahmen das Göttliche, so
wissen sie nnn zwar, was sie th n n , aber wissen n ich t, was sie nachahmen (nach
Heraklit). Anf Sokrates’ Frage, ob der Mensch, der ungerecht handelt, oaxpgoveZv,
gesunden Sinnes zu sein, scheine, dass er unrecht th u t, antwortet Protagoras,
dass die Meisten dafür hielten. Das Gerechte ist das Zuträglichere des Stärkeren
(nach Thrasymachos).
**) Der Eudämonist macht den Genuss des Angenehmen, der Stoiker dagegen
Selbstveredelung und Befolgung des Pflichtgesetzes zur Bestimmung des Menschen.
Als Glückseligkeit versteht Helvetius die gröstmögliche Summe an physischer Lust.
Alles was von dem lebendigen Sein der Vernunft in der Organisation zu der
Gesammtwirksamkeit der Vernunft im irdischen Sein hingeht, ist (nach Schleiermacher)
das Werden des höchsten Gutes. Aristones flnem dicebat esse axSioupoqiav,
ex scientia vivere posuit Herillus finem. Avxoc o Ttepina.'iiyiixAs xfjv aXti&ivrjv
'/anav rrje i/wx^s x£ios tAayyv e lv a i, Oritolaus perfectionem viae recte fiuentis
xaxä tpvotv (CI. AL)