Glaubensartikeln überschreitend, allzu oft die Wissensoperationen
falschen. In unseren Forschungsformeln haben wir bereits manches
x in der Natur aufgelöst, das der Entstehung bleibt noch
eine völlig unbekannte Grösse, und so lange sie solche ist, nützt
es nicht viel, über ihren möglichen Werth herumzurathen, da man
sich veranlasst sehen möchte, die eine oder andere Fiction als
reale zu betrachten und so zu verwenden. Wir werden auch diese
Frage lösen, wenn die Rechnungscombinationen*) so weit gediehen
sind, aber vorher ist mit Rathen nichts gedient und viel geschadet.
Kant nennt Sinnlichkeit und Vernunft zwei Stämme der
menschlichen Erkenntniss, die vielleicht eine gemeinsame Wurzel
hätten, während einheitliche Induction den Stamm der Vernunft
als einen Zweig auf dem Stamme der Sinnlichkeit anzusehen
hat, als ihren letzten Blüthenzweig, der deshalb wieder auf das
Ganze zurückwirkt, und in seiner Frucht bereits den Keim ein-
schliesst, dem eine neue Wurzel entsprossen wird. Der Satz
nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in sensu ist falsch,
wenn auf das Individuum bezogen und wenn die Sinnlichkeit
auf die Weite und Art der menschlichen Sinne beschränkt wird.
Er ist dagegen richtig, wenn in solcher Weise verstanden, dass
erst aus der Wechselwirkung des Innern und Aeussern, des Makrokosmos
und Mikrokosmos, das Bewusstsein in letzterem zum
Selbstabschluss gelangen wird. Bei der in den verschiedenen
Systemen (auch ohne die Extravaganz der Notional Beings) un-
*) C’est à l’abus de l’induction, c’est-à-dire à l’induction appuyée sur un
trop petit nombre d’expériences ou sur des expériences trop légères, qu’il faut
rapporter le paralogisme, qu’on appelle dans l’école le dénombrement imparfait
(enumeratio imperfecta) et le passage d’u n -g en re à un autre (argumentum a
genere ad genus). Wer durch Induction oder Analogie red et, fällt in Irrthum
(hinsichtlich der Ursachen ausser der durch das Bewusstsein gegebenen) durch
drei Paralogismen, non causa pro causa, post hoc ergo propter hoc, fallacia acci-
dentis (s. Garnier). Wahrnehmung ist eine besondere Art von Verwandlung und
Verwandlung ist Bewegung (Aristotl.).
¡bestimmt schwankenden Verwendung der Bezeichnung Idee würde
der Streit der Ideae innatae auf einen Wortstreit hinauslaufen,
je nachdem man Idealbilder oder die Modi, die Modi rerum oder'
Modi cogitandi, in’s Auge fasste. Jedenfalls liessen sich die
Ideen, wenn im weitesten Sinne gefasst, bei dem als Theil der
Menschheit geborenen, und je nach seiner mit der höheren oder
niederen Phase derselben zusammentreffende Zeugung verschiedentlich
begabten Individuum nicht auf ideae adventitiae innerhalb
seines Special-Lebens beschränken. Was wir durch die
Thore unserer Sinne von der Welt aufnehmen , ist ein nach unserer
relativen Stellung zu derselben nothwendig bedingter, aber
. auf dem Standpunkt des Absoluten rein zufälliger (und deshalb
gern als nichtig täuschend aufgefasster) Theil derselben; nicht also
diese Sinnesempfindungen vermögen zur Wahrheit zu führen, sondern
erst, indem aus ihnen allen die gesetzlichen Causalitäten harmonisch
zusammenklingen, klärt sich die Efkenntniss subjectiv
in idealen Objecten. — Seit Leibnitz hat das Gesetz der Continui-
tät durch seinen trügerischen Schein viel unbestimmt verworrene
^Systeme über den Fortschritt in der Weltentwicklung*) hervorgerufen,
und besonders die in inductiver Schule erzogenen Urheber
der Descendenztheorie sollten wissen, dass vielmehr dahin ge-
) strebt werden muss, statt durch rhetorischen Wortqualm die Grenz-
*) Wenn es in den Naturwissenschaften gelingt, eine Reihe von Entwicklungen,
die bisher getrennt schienen, zu einer continuirlichen zu machen, so ist
die überwiegende Stimmung, als ob damit alle Schwierigkeit geschwunden sei,
indem man die Leichtigkeit, ein geometrisches Contiuuum zu erzeugen, wie es
scheint, auf Alles, was eine Reihe ausmacht, überträgt, während im Grunde Alles
bleibt wie vorher (Baumann). Im dialektischen Process is t das Gesetz der Con-
tinuität (dass. Eins sich aus dem Ändern zu ergeben schiene, in. einem höheren
Fortschritt) vielfach für den vollen Beweis einer Welterklärung genommen (Baumann),
wogegen (nach Trendelenburg) das Auseinanderherleiten in reinem Denken
nur Schein wäre. Tawallad bedeutet Fortpflanzung (bei Bisr), indem eine von
einem Agens bewirkte Thätigkeit sich weiter fortpflanzen und neue Veränderungen
au anderen Objecten bewirken könne. •
B a s tia n , Heise VI. ^