Während die weiblichen Thiere nun, wie wir sahen, unter dauernder Vergrösserung ihres Volumens
und ohne je die Nahrungsaufiaahme zu unterbrechen, durch eine einfache Häutung aus der bewegungslosen,
zweiten Larve direkt in die Geschlechtsform übergehen, verläuft der Bildungsprozess beim Männchen
wesentlich anders. Zu einer bestimmten Zeit sistiert hier nämlich nicht blos das Wachsthum der Larve,
sondern auch die weitere Zufuhr von Nahrungsmaterial. Anstatt dass aber jetzt, wie man nach der Entwicklung
des Weibchens vermuthen könnnte, die alte Hülle abgestossen wird, zieht sich der durch fettartige
Kugeln stark getrübte Inhalt von der Chitinwand zurück, nachdem er sich selbst mit einer neuen dünnen
und sehr nachgiebigen Membran umgeben hat.a) Anfangs besitzt dieses im Innern liegende Gebilde noch
eine plumpe Keulenform, gar bald indessen nimmt die Länge desselben auf Kosten der Breite zu, und die
ganze Masse formt sich in kurzer Zeit zu einem ziemlich schlanken cylindrischen Wurme von allenthalben
gleichem Körperdurchmesser.b) Mit diesem Wachsthume hat auch die Verdunkelung durch die zahlreichen
Kügelchen nachgelassen, so dass man im Stande ist, den Bau unseres Thieres unschwer zu überblicken und
die Neubildungen zu verfolgen.
Zunächst bemerken wir, dass die Cuticula dicker geworden ist und ihre glatte Beschaffenheit verloren
hat, indem \sich nach und nach eine deutliche Querringelung ausprägte. Gleichzeitig bemerkt man
das Auftreten der beiden Seitenfelder. An dem Vorderende bildet sich durch eine ringförmige Einschnürung
die Kopfkappe, und an dem Hinterende trennt eine seichte Furche die Schwanzpartie von dem übrigen
Körper. Was den Darmtraktus anbelangt, so hat sich der vordere Abschnitt desselben kaum verändert, nur
der Stachel ist durch einen neuen, kräftigeren ersetzt worden. Derselbe stellt auch hier, wie ich schon bei
der Larve hervorgehoben habe, anfangs eine blose Verdickung des inneren Oesophagealrohres dar. Seine
Wandungen werden allmählich fester, und an seiner Basis erscheinen dann die drei charakteristischen Knöpfe.
Der eigentliche Darmabschnitt hat mit der Längenausdehnung sein sackartiges Aussehen mit einer schlanken
Cylinderform vertauscht. Natürlich haben sich damit auch die Zellen seines Epithels auf eine geringere Zahl
reduciert. Mastdarm und der vordere Theil des Exkretionsgefässes sind wie der Stachel eine Häutung
eingegangen.
Die wesentlichste Umbildung hat aber der Geschlechtsapparat erfahren. Die ursprüngliche Genital-
-anlage, die Sich in nichts von der des Weibchens unterschied, ist unter lebhafter Vermehrung der Kerne,
gleich dem Darme, zu einer schlanken Röhre ausgewachsen, die oben blind endet und unten sich mit dem
Mastdarme vereinigt, wo in Form zweier anfänglich glasheller Chitinlamellen0) die beiden Spicula sichtbar
werden. Der Inhalt der Genitalröhre differenziert sich sehr rasch. Im oberen Abschnitte unterscheidet man
rundliche, gekernte Protoplasmaballen, während weiter unten sich helle, kugelige Gebilde finden, die bereits
.ausgebildeten Spermatozoen.
Je distinkter nun aber die Gestalt unseres Wurmes geworden, und je weiter die Ausbildung seiner
Organe fortgeschritten ist, umsomehr hat auch seine Längenausdehnung zugenommen. Anfangs hält der
Wurm innerhalb der alten Larvenhaut — denn als solche müssen wir die äussere Hülle deuten^- noch
•eine völlig gestreckte Lage ein, allein sehr bald beginnt er sich unter lebhaften Contraktionen seiner Muskulatur
zu schlängeln; er krümmt sein Schwanzende umd) und biegt sich, bis er schliesslich in 3 oder
a) Tat 1. Fig. 23. b) Taf. 1. Fig. 24. c) Taf. 1. Fig. 24 u. 25. d) Taf. 1. Fig. 25.
4 Schlingen, die unter den lebhaften Bewegungen eine sehr wechselnde Stellung zu einander einnehmen,
gleich dem Embryo im Ei, in seiner Hülle aufgerollt liegt.a)
Dieses Stadium des Männchens trifft man, wie das des Weibchens, im Innern der Wurzel.b) Allein
während das Weibchen durch seine Turgescenz die Epidermis zerreisst, bleibt hier die cystenartige, weit
flachere Erhebung immer intakt und kommt nie infolge eines Druckes von Seiten der Puppenhülle zum
Platzen. Erst wenn das fertige Männchen seine neue geringelte Haut abgestossen und darauf die schützende
Larvenhülle an der Spitze gesprengt hat, wird die Epidermis der Wurzel von ihm durch die stetigen
Bewegungen des Stachels durchbohrt. Das freigewordene Thier gelangt dann in die Erde und nimmt
seinen Weg zum Weibchen, um dasselbe zu befruchten. Ist dieser Akt vollzogen, so geht es sehr bald zu
Grunde. Dass man seine Ueberreste nicht selten später an oder in dem sogen. Eiersacke findet, ist schon
oben erwähnt worden. Schmidt, der zuerst ein ausgebildetes Männchen in der alten Larvenhaut beobachtete,
ohne seinen Bildungsprozess zu kennen, glaubte in dieser Hülle ein Aequivalent der bei vielen Nematoden
vorkommenden Cystenbildung vor sich zu haben. Nach unserer Darstellung bedarf es kaum einer eingehenderen
Zurückweisung dieser irrthümlichen Ansicht. Was Leuckart schon annahm, konnten Müller*) und
ich nur bestätigen.
Die Dauer der Umwandlung des Männchens beträgt gewöhnlich (unter günstigen Bedingungen)
5—6 Tage, manchmal auch nur 4 Tage. Die ganze Entwicklung vom Eie bis zu den geschlechtsreifen
Thieren verläuft, soweit ioh feststellen konnte, meist in 4-—5 Wochen, so dass, da dieselbe bereits im Frühjahre
anhebt, im Zeiträume eines Jahres eine ganze Reihe von Generationen (6—7) auf einander folgen.
Während der Fortpflanzungsperiode ist das numerische Verhältniss von Mann und Weib dasselbe; man
trifft dann beide in gleicher Zahl. Später dagegen finden sich die Männchen nur noch vereinzelt, da sie
nach dem Begattungsgeschäfte, wie gesagt, bald absterben, — ein Umstand, der er es auch erklärlich macht,
dass bei vielen kleinen Nematoden letztere noch unbekannt geblieben sind.
Die Nachkommenschaft, welche ein einziges Pärchen innerhalb eines Jahres hervorzubringen vermag,
ist, wie eine einfache Berechnung lehrt, eine ganz ausserordentlich grosse. Nimmt man an, dass
von einem Weibchen durchschnittlich 300 Embryonen erzeugt werden, und dass letztere sich zur Hälfte
wieder zu weiblichen Thieren entwickeln, so resultiert nach 5 Generationen eine Descendenz von 151
Milliarden Individuen, nach 6 Generationen eine solche von 22781 Milliarden. Allerdings ist hierbei der
den natürlichen Verhältnissen kaum entsprechende, günstigste Fall vorausgesetzt: dass alle Individuen zur
Geschlechtsreife gelangen und sich fortpflanzen. Aber selbst wenn, theils schon während des Embryonallebens,
theils später, soviele Individuen zu Grunde gingen, dass die von einem Pärchen nach 6 Generationen
abstammende Nachkommenschaft nur die Hälfte der oben angegebenen Zahl betrüge, so würde diese Ziffer
genügen, um die so grosse und rasche Verbreitung des gefährlichen Parasiten zu illustrieren.
a) Taf. 1. Fig. 26. b) Taf. 2. Fig. 27.
*) Wenn Müller Leuckart’s Beobachtungen an Trichosoma crassicäuda als unrichtig hinzustellen und den hier von demselben
nachgewiesenen Parasitismus der Männchen im Uterus des Weibchens auf ein bloses Häutungsphänomen zurückzufahren
sucht, so fehlt ihm für diese Behauptung jedwede Begründung. 6anz abgesehen davon, dass Linstow und Bütschli die Befunde
Leuckart’s bestätigten, hätte schon ein Einblick in des Letztem Parasitenwerk (Bd. ü . p. 462) genügt, um jeden Zweifel an der
Bichtigkeit der Beobachtung zu beseitigen.