ist diese Umkehr entbehrlich. Aber auch hier wird die definitive Kolonie nicht unmittelbar von der-
ursprünglichen Anlage gebildet, sondern sie wird von dieser g e k n o s p t und zwar nicht im Wege der
Einstülpung, was eine Umkehr der Keimblätter bedingen würde, sondern im Wege der Au s s t ü l p u n g ^
wo die Umkehr fortfällt. Diese Ausstülpung geschieht an dem der Mündung des Ooeciums zugewendeten
Pole der Anlage. Es wird dadurch ein Stadium herbeigeführt, welches in dem Schema Ila wiedergegeben
ist und das ich bei Älcyondla thatsächlich beobachtet habe. Der ausgestülpte Theil (ec7 m')>
repräsentirt ohne Zweifel die definitive Kolonie, wie es beim Statoblasten der eingestülpte Theil thut
(II b, ec7 m7). In beiden haben wir zunächst die cystidalen Partien der Kolonien vor Augen, die Polypide
bilden sich später. Der Rest der Anlage degenerirt, nachdem er beim Statoblasten die Schale erzeugt
und von der Einstülpung sich abgeschnürt hat, beim Ei-Embryo zum larvalen Cystid ausgewachsen ist
und mittels der Duplicatur, welche sich in Fig. Ila bei d zu bilden beginnt, die Ausstülpung einschliesst
(vgl. Taf. XV, Fig. 173 u. 168, I: d).
Was nun aber die Polypide angeht, so nimmt das erste derselben im Statoblasten da seine Entstehung,
wo die Einstülpung sich vom äusseren Theil der Anlage abschnürt, also in der jüngsten, zuletzt,
eingestülpten Region des eigentlichen Statoblasten, in Fig. II b bei *. Dieser Stelle würde beim geschlechtlichen
Embryo die basale Zone der Ausstülpung entsprechen, wir hätten also die Polypidbildung
theoretisch nicht am Scheitel der Ausstülpung, sondern am Grunde derselben (Fig. I l a bei X) zu erwarten.
Dadurch wurden wir aber gezwungen, die mit X bezeichnete Stelle der Fig. Ila als die Oberseite
der künftigen Kolonie zu deuten, während sie thatsächlich nicht die Oberseite, sondern die Basis
derselben bildet. Unser Gedankengang führt uns also zu einem Conflict mit der Wirklichkeit, wir ge-
rathen in offenen Widerspruch mit den Thatsachen.
Muss uns schon dieser Umstand gegen die Richtigkeit der Voraussetzung, dass wir in dem
schalenbildenden Theil der Statoblastenanlage ein Seitenstück zum Primärcystid der Larve zu erblicken
haben, einnehmen, so wird jene Voraussetzung vollends entkräftet durch die Erwägung, dass uns in der
Einstülpung der Statoblastenanlage ein Vorgang ganz anderer Art, eine Wirkung ganz anderer Ursachen
vorliegt, als es bei der Entwickelung des Eies der Fall ist. Die Einstülpung der Statoblastenanlage ist
eine rein morphologische Nothwendigkeit, eine an und für sich verständliche Erscheinung, vermöge deren
die Keimblätter eine Umlagerung erfahren, wie sie nach Massgabe der Verhältnisse schlechterdings nicht
zu umgehen ist. Bei der Larve kann von einer derartigen Nothwendigkeit nicht die Rede sein. Man
könnte sich hier sehr wohl denken, dass die erste Anlage (Fig. Ia) unmittelbar die Polypide erzeugt
und ohne Rückstand in die definitive Kolonie übergeht. Wenn dies gleichwohl in Wirklichkeit n i c h t
der Fall ist, sondern die definitiven Cystide erst von dem larvalen geknospt werden, das larvale Cystid
seinerseits aber der Auflösung anheimfällt, so ist d i e s e Thatsache nur aus tiefer liegenden, p h y l o g
e ne t i s c h e n Gründen erklärbar, Gründen} deren volles Verständnis uns erst eine genauere
Untersuchung der geschlechtlichen Entwickelung eröffnen wird.*) Die Einstülpung beim Statoblasten
*) Selbst die Beziehung zu anderen Larven derselben Klasse ist noch nicht klar. In den „Recherches sur
l’embryologie des Bryozoaires (1877), S. 91, vergleicht Barrois die Duplicatur (bourrejet annulaire) der Phylactolaemen-
Larve mit dem Cilienkranz bezw. dem Gürtel (couronne) der Entoprocten- und Cyclostomen-Larve. Den Rest des Em-
bryonalcystids stellt er dem „aboralen“ Pol, den Theil, welcher die Polypide trägt, dem „oralen“ Pol der genannten
Typen zur Seite. Später (Ann. des sc. nat. I, S. 64 ff.), nachdem er bei Pedicellina, Discopora u. a. constatirt hat, dass
Ist bloss ein Umlagerungsprocess, die Ausstülpung beim Ei - Embryo wahrscheinlich eine wirkliche
Knospung*).
Sonach glaube ich, dass das Embryonalcystid der Larve eine Bildung sui generis und mit dem
-äusseren Theil der Statoblastenanlage nicht in Parallele zu stellen ist. —
Auch das befruchtete Ei repräsentirt ein im Innern der Kolonie sich entwickelndes Individuum,
welches der Erhaltung der Art zu dienen berufen ist. In dieser Beziehung liegt das gleiche Verhältnis
vor wie beim Statoblasten. Der Statoblast aber ist ein durch Kn o s p u n g entstandenes Individuum,
welches im Innern der mütterlichen Kolonie v e rw e i l t , um nach deren Tode, meist erst nach längerer
Ruhezeit, d e n a l t e n Stamm f o r t z u führ e n. Das Ei, welches den Belebungsprocess der Be f r u c h t u n g
erfahren hat, ist ein Individuum, welches schon bei Lebzeiten der mütterlichen Kolonie dieselbe v e r-
l ä s s t , um in der nämlichen Periode e i n e n neuen S tamm zu be g r ün d en .
fiie Larve sich mit dem oralen Pol festsetzt, die definitiven Polypide aber die Aboralseite einnehmen, nachdem er ferner
bei den gymnolaemen Ectoprocten eine in vieler Hinsicht ähnliche Um- und Rückbildung eines Theils des Larvenkörpers
■wie bei den phylactolaemen beobachtet hat, ändert er demzufolge seine Auffassung und sieht die Mündung des Embryonal-
cystids einer Älcyonella als Aboralseite, die Basis als Oralseite an, d. h. in letzter Instanz als die Stelle, wo sich vordem
-der Gastrulamund befand. So wenig auch Barrois an der Richtigkeit dieser Homologie zweifelt, so bleibt es doch ungewiss,
ob man die Situation, welche die Larve bei der Festheftung einnimmt, unbedingt als massgebend für die Vergleichung
der verschiedenen Typen ansehen darf. J a die Thatsache, dass die Phylactolaemen-Larve zunächst am poly-
pidalen Pol zweischichtig wird, dass durch eine Wucherung und theilweise Einwanderung der hier gelegenen plasmareicheren
Zellen das innere Blatt der Larve gebildet wird, scheint mir ein directer Beweis zu sein, dass wir h i e r den
„oralen“ Pol in Barrois’ Sinne zu suchen haben. Denn obwohl das innere Blatt nun thatsächlich nicht die Functionen
des Entoderms, sondern die des Mesoderms übernimmt, so wird uns der ganze Vorgang doch nur im Zusammenhänge mit
einer Gastrulation verständlich, einer Gastrulation, welche erst sehr viel später, bei Gelegenheit der ersten Polypidbildung,
wirklich in die Erscheinung tritt, um sich dann in jedem neuen Polypid abermals zu bethätigen. Es würden demnach
die Seiten homolog sein, auf denen sich in beiden Fällen die Primärpolypide befinden, und die Larve würde sich bei den
Phylactolaemen mit dem „aboralen“ statt wie bei den Gymnolaemen und Entoprocten mit dem „oralen“ Pol festsetzen.
Ich möchte dazu bemerken, dass es mir möglich scheint, der Festsetzung der letzteren beiden Gruppen phylogenetisch
einen ganz anderen Werth beizumessen als der definitiven Festsetzung der Phylactolaemen-Larve. Vielleicht haben wir
-die Befestigung des Phylactolaemen-Embryo im O o e c ium als den entsprechenden Vorgang aufzufassen und als eine
innere Festsetzung jener äusseren der Gymnolaemen und Entoprocten gegenüberzustellen, welche im Lauf der Zeit in
den Kreis der embryonalen Entwickelung einbezogen wurde. S. übrigens Anm. **) S. 132.
*) Eine Knospung mit voraneilendem Cystid. Es ist jedoch zu beachten, dass der Gegensatz zwischen dem
„ausgestülpten“ Theil der zweischichtigen Embryonalanlage und dem „Embryonalcystid“ eigentlich erst secundär, bei
Bildung der Duplicatur, hervortritt, so dass wir die „Knospung“ vielleicht auf eine Art S e g m e n t i r u n g der primären
Anlage (eines primären Cystids) zurückzuführen, das „Embryonalcystid“ aber als erstes Segment derselben zu betrachten haben.