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Zu den Muskeln, die erst indirekt an der Bewegung des Rüssels sich betheiligen, gehören ferner
die Retractores colli. Es sind dies zwei mächtige Längsmuskelsyncytien, die mit dem einen Ende an der
Halsbasis, mit dem anderen aber 4 mm hinter derselben an dem Hautmuskelschlauche sich inseriren.
Diese Syncytien bilden zwei halbcylinderartig gebogene Muskelplatten, die ihre Konkavität der Rüsseltasche
zukehren. Am hinteren Ende sind sie tief bogenförmig ausgeschnitten, damit die Retinacula
ungehindert auf und ab pendeln können. An jedem Halbcylinder lassen sich drei Theile unterscheiden,,
nämlich ein röhrenförmiges Mittelstück und zwei Seitenflügel. Die letzteren haben eine einfache Plattenform
und enthalten je nach ihrer Breite 15 bis 40 zu einem gestreckten Maschennetze verwobene Fasern
(s. Tafel 5, Fig. 6 Rc). Das Mittelstück hat die Form eines Hohlkegels, der in der Nähe der Halsbasis
beginnend nach hinten allmählich an Weite zunimmt. Es bildet 'eigentlich nur den Anfangstheil eines
mächtigen Schlauches, der das konisch sich einengende Ende des Lemniskus in sich aufnimmt. Diebeiden
hinteren Dritttheile des Lemniskus entbehren der muskulösen Umhüllung. Soweit der Lemnisken-
mantel frei in die Leibeshöhle hineinragt, unterscheidet er sich hinsichtlich seines feineren Baues kaum
von dem eigentlichen Retvactor colli. Das konische Anfangsstück dagegen besitzt verhältnissmässig sehr
dünne Fasern, die dafür aber in überaus grösser Zahl (20 bis 120) vorhanden sind und sich zu einem,
sehr engmaschigen Netzwerke verbinden (s. Tafel 5, Fig. 6 Lm). In jedem der beiden Retractores colli
findet man bei geschlechtsreifen Individuen zwei grosse kugelrunde Kerne. Sie liegen an den lateralen
Rändern der Seitenflügel und zwar dort, wo selbige mit den Blätter des Compressor lemniscorum verschmelzen.
Die eigenartige Konfiguration des Rüsselapparates beeinflusst natürlicherweise auch die Gestaltung-
der Hautmuskulatur. Ich habe schon an einer früheren Stelle Gelegenheit gefunden, darauf hinzuweisen,,
dass bis zur dritten Hakenreihe herab an der Rüsselwand überhaupt keine Muskelfasern vorgefunden,
werden. Anders verhält es sich mit der hinteren Hälfte des Rüsselknopfes, die von der eigentlichen
Rüsselhöhle durch den Sarkolemmaring geschieden ist und einen integrirenden Theil der allgemeinen
Leibeshöhle darstellt. Hier sehen wir ein ansehnlich entwickeltes Ringmuskelsyncytium sich ausbreiten,,
das aus zwei, oberhalb der vierten Hakenreihe sogar aus drei Schichten verzweigter Muskelröhren sich
aufbaut und an der Rückenfläche zwei symmetrisch gestellte Kerne enthält. Zweifellos ist dieser Muskel
identisch mit den Querfasern, die nach S c h n e id e r 1) die vordere Hälfte der ersten Längsmuskelzelle-
ausmachen sollen.
Die meiste Aehnlichkeit mit dem Rüsselapparate des Riesenkratzers zeigt der des Echinorhynchus-
monüiformis. Ich will im Folgenden versuchen, eine kurze Schilderung des Baues dieses so merkwürdigen
Organes zu geben.
Betrachten wir zunächst einen Querschnitt, der ungefähr in der Höhe der Ganglionmitte geführt
wurde, so erhalten wir ganz das nämliche Bild vom Receptaculum, wie bei Echinorhynchus gigas. Die-
Muskelmasse bildet eine nach der Bauchfläche hin weit klaffende Rinne, die durch eine die scharfen
Ränder derselben verbindende dicke Sarkolemmamembran zu einem allseitig geschlossenen Hohlcylinder
vervollständigt wird (s. Tafel 8, Fig. 34). Die kontraktile Rindensubstanz setzt sich aus zahlreichen
dünnen, aber breiten, sichelförmig gekrümmten Fibrillenplatten zusammen, welche durch dünne Sarko-
lemmasepten an der derben äusseren Sarkolemmahülle befestigt sind. Auch die radiär einstrahlenden
*) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1868, pg. 584.
sehr dünnen Sarkolemmabänder, die wir schon bei Echinorhynchus gigas kennen lernten, sind hier, wenngleich
in weit geringerer Menge, vorhanden (s. Tafel 8, Fig. 34 f°). Der Markraum ist — wie bei
Echinorhynchus gigas^£ in der Gegend des Nervenzentrum nur spärlich ausgebildet (s. Tafel 8, Fig. 34 M°).
Dicht oberhalb des Ganglions verdickt er sich, und wir finden in ihm dann zwei grosse Kerne, die hinsichtlich
der Form, Lage und Fixirungsweise vollständig mit den gleichen Bildungen im Receptaculum des Riesenkratzers
übereinstimmen. Auch das Receptaculumende gleicht in seinem Baue dem des Riesenkratzers.
Dicht hinter dem ganglionären Zellenhaufen wachsen die Ränder der Muskelrinne einander entgegen,
bis sie schliesslich in der ventralen Medianlinie zusammenstossen und mit einander verschmelzen. Die
Fibrillenplatten vertauschen hierbei allmählich ihre Sichelform mit der eines gleichmässig dickwandigen
Ringes. Der Markraum erfüllt die von der kontraktilen Rinde begrenzte kegelförmige Höhlung des
hinteren Receptaculumendes bis auf einen in dorsoventraler Richtung verlaufenden Spaltraum, den wir
schon beim Riesenkratzer fanden und als den Beutelanhang der Retractores proboseidis in Anspruch
nahmen. Ungefähr in der Mitte des den letzteren bildenden reticulären Protoplasma ruhen zwei bis drei
länglich-ovale Kerne, in deren nächster Umgebung die Fäden in so reichlicher Menge sich anhäufen, dass
wir von einer förmlichen Kernkapsel sprechen können. In gleicher Höhe mit diesen hinteren Retractoren-
kernen finden wir im Marke des Receptaculum, und zwar lateral der Bauchfläche etwas genähert, zwei
grosse ovale Kerne, die gleichfalls von einer ähnlichen Fadenkapsel eingeschlossen sind.
Beim erwachsenen, geschlechtsreifen Echinorhynchus gigas sind die hinteren Kerne der Rüsselscheidenwand
nicht mehr vorhanden. Dagegen lassen sie sich selbst noch bei Larven von 3—4 mm Länge
leicht auffinden. Es scheint demnach, dass sie erst nach Uebertragung der Larven in den definitiven
Wirt der Resorption anheimfallen.
Es sind dies jedoch nicht die einzigen Eigentümlichkeiten, welche dem Echinorhynchus moniliformis
und Echinorhynchus gigas in der gleichen Weise zukommen. Von besonderem Interesse mag es sein,
dass auch bei Echinorhynchus moniliformis Längsmuskeln sich direkt am Aufbaue des Receptaculum betheiligen.
Soweit nämlich das Receptaculum der sonst gewöhnlichen Röhrenform entbehrt und eine nach
der Bauchfläche geöffnete Rinne vorstellt, sehen wir auf der Oberfläche jener derben Sarkolemmamembran,
welche die Rüsselscheide und ventral auch die Retractores proboseidis nebst dem Ganglion scheidenartig
umhüllt, zwei über einander gelagerte, platte Längsmuskeln entlang ziehen. Sie beginnen eine kurze
Strecke hinter der aboralen Ganglionspitze mit einer ansehnlichen halbkugelförmigen Anschwellung. Hier
liegen, umgeben von einer zarten Fadenkapsel, drei giesse Kerne, von denen einer in dem Marke der
äusseren, zwei aber in dem der inneren Platte gefunden werden (s. Tafel 8, Fig. 34 M). Sie laufen,
immer die Ventrallinie einhaltend, nach vorn bis zum oberen Rande des Ausschnittes. Hier verschmelzen
beide Muskeln, indem die mittleren Fibrillenlamellen ausfalien, mit einander. Bald jedoch spalten sie
sich in zwei Faserstränge, die ungefähr in der Mitte zwischen der ventralen Medianlinie und den Laterallinien
das Receptaculum bedecken. Nach vorn zu werden diese beiden Platten immer dünner und dünner,
bis sie schliesslich am Ende des ersten Dritttheiles der Rüsselscheide gänzlich auf hören. Hinsichtlich des
histologischen Baues stimmen diese medianen Muskelbänder mit den gleichen Bildungen des Riesenkratzers
überein. Die Faserwand • bildet eine allerorts gleichmässig dicke, aus dünnen Fibrillenplatten sich aufbauende
Rinde. Aussen wird die Muskelröhre von einer derben Sarkolemmamembran umhüllt, die
zumal da, wo sie dem Receptaculum aufliegt, eine ganz erstaunliche Dicke annehmen kann. Das Röhren