äussert, Gebilde von der Natur und Beschaffenheit des Leucochloridium als selbstständige Tiere mit Gattungsnamen
zu belegen und in das System aufzunehmen, da dieselben doch nur vorübergehende, zu dem Ent-
wicklungscyklus einer bestimmten Tierart gehörige Formen seien, welche sich dereinst aus dem System als
eigene Arten verlieren müssten.
Diesen Auseinandersetzungen Wiegmanns pflichtet Nordmann1) völlig bei und nimmt deshalb auch
Anstand, das Leucochloridium als selbstständige Form in das Helminthensystem einzureihen.
Vollständiges Licht über die wahre Natur des eigentümlichen Schneckenparasiten und anschliessend
daran über den Ort, wohin derselbe im System einzig und allein gehört, wurde durch Steenstrups2) Untersuchungen
verbreitet, die er in seiner epochemachenden Schrift über den Generationswechsel darlegte.
Danach wird die Möglichkeit einer Urerzeugung, entgegen den Carus’schen Ansichten, mit Bestimmtheit
in Abrede gestellt; der sonderbare Wurm Leucochloridium paradoxum ist vielmehr nichts anderes, als
eine Amme, deren Inhalt aus einer Menge entwickelter Distomen, nicht aber aus Eiern besteht.
So grundlegend und einleuchtend aber die Steenstrup’schen Resultate waren, dauerte es doch immerhin
noch einige Zeit, ehe sie zu allgemeiner Anerkennung gelangten.
Während in der Folge Dujardin8) das Leucochloridium in gleicher Weise als Amme auffasst, und
diesen »sac, contenant de jeunes trematodes analogues aux distomes«, im Anschluss an die K. E. v. Baer’sche4)
Bezeichnung der Keimkörner als sporae, mit dem Namen Sporocyste belegt, ist es Diesing5), der, wie er
überhaupt den Ergebnissen der neueren Trematodenforschung gegenüber eine längere Zeit' hindurch eine
ablehnende Haltung einzunehmen für gut fand, mit den Cerkarien auch dem Leucochloridium wiederum
eine selbstständige Stellung einräumt und dasselbe in seinem Systema helminthum als Subordo I der Cerkarien
aufführt. Erst später erkennt auch er die Zusammengehörigkeit von Distomen und Cerkarien an
und gibt dieser Erkenntnis auch in seiner Revision der Cerkarien6) Ausdruck.
Eine ebenfalls unrichtige Ansicht über den Bau der in dem Leucochloridiumschlauche enthaltenen
Gebilde finden wir in Carl Vogts7) Bildern aus dem Tierleben; derselbe beschreibt diese als Cerkarien mit
blasenförmigem Schwanz, in den sich der Körper der Tiere zurückstülpt, so dass es aussieht, als ob dieser
in einer Eihülle läge, eine Anschauung, die nicht unwahrscheinlicher Weise von den Finnen der Blasenwürmer
herübergenommen ist. Dass dies völlig unzutreffend ist, dürfte sich wohl von selbst verstehen.
So war es erst v. Siebold8) Vorbehalten, die Frage nach der wahren Natur der Organisations- und
Lebensverhältnisse des Leucochloridium ihrer endgültigen und richtigen Lösung entgegen zu führen; Durch
thatsächliche Beobachtung stellt er zunächst fest, dass das gesammte Sehlauchwerk des Parasiten mit der
Leber der Schnecke in keinerlei organischem Zusammenhänge steht, also auch wohl kaum aus demselben
') Nordmann; Lamark; Hist. nat. d. anim. s. vert. 1840. T. HL pag. 592.
*) Steenstrup; über den Generationswechsel oder die Fortpfl. etc. Copenhagen. 1845. pag. 105.
*) Dujardin; Hist. nat. des heim. Paris 1845. pag. 479. •
P E- E- v- Baer- Noy. Acta Acad. Nat. Cur. T. XHL pag. 645. 1827. Vergleiche auch v. Siebold. Art. Parasiten
in Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie.
6) Diesing. Systema helminthum. Vindob. 1850—51. pag. 303.
e) Diesing. Revision der Cerkarien. Wiener Sitzungsberichte. 1855. Bd. XV. pag. 377.
7) C. Vogt. Bilder aus dem Tierleben. 1852. pag. 183 u. 191.
8) von Siebold; Zeitschrift für wissenschft. Zool. .1853, IV. Bd. pag. 425.
durch Urerzeugung hervorgegangen sein kann. Während er dann weiter in Bezug auf den feineren Bau
der grossen Schläuche die Angaben der älteren Forscher im allgemeinen bestätigt, tritt er mit aller Entschiedenheit
der Auffassung entgegen, welche in den Inhaltskörpern der Schläuche Eier erblickt. Nicht
Eier sind diese Gebilde, sondern Keimkörper, wie sie bereits Steenstrup in den Ammen anderer Trematoden
vorgefunden hatte, die sich durch Wachstum und Weiterentwicklung in die den Cerkarien entsprechenden
Formen umwandeln. Gegen die Einatur jener Keimkörper sprechen auch die beiden thatsächlichen Gründe,
dass einmal die von Carus als solche angesprochene Keimstätte weiter nichts ist, als eine Anhäufung wexsser,
körniger Pigmentzellen, und dass anderenteils auch diese Pseudoeier selbst weder mit einer der Eihülle entsprechenden
Haut, noch mit Keimbläschen und Keimfleck ausgestattet sind. Im Laufe ihrer Weiterentwicklung,
die von v. Siebold genauer verfolgt wird, legen sich nach und nach die verschiedenen Organe
des Trematodenleibes an; den Schluss derselben bildet dieEncystierung, nach v.Siebold ein reiner Häutungsprozess,
bei dem die abgeworfene Haut aber nicht verloren geht, sondern als elastische, durch Flüssigkeit
prall aufgetriebene Hülle den Körper auch weiterhin umgibt. Das Vorhandensein von geschwänzten, durch
active Wanderung an den Ort ihrer Bestimmung gelangenden Cerkarien ist somit nicht für alle Trematoden
charakteristisch; völlig richtig erkennt von Siebold in dem Leucochloridium eine Trematodenamme, dei*en
Brut bis auf die Wanderung durch den Stiel nach den grossen Schläuchen passiv bleibt, während die Amme
selbst durch ihre auffällige Färbung und Bewegung für die Weiterbeförderung ihrer Nachkommenschaft
Sorge trägt. Die fertig gebildete Larve wird dem Distomum holöstomum ähnlich, darum vermutet auch
von Siebold den Wirt für den geschlechtsreifen Wurm unter den Vögeln, am wahrscheinlichsten unter den
Ralliden. Fütterungsversuche an Fröschen ergaben ein negatives Resultat.
Anschliessend an die Untersuchungen von Siebolds beschäftigt sich auch Wagener1) mit dem Leucochloridium
und spricht im Anschluss an dessen Mutmassungen geradezu das Distomum holostomum als
Geschlechtsform desselben an.
Durch die umfassenderen Untersuchungen Zellers2) endlich werden die Vermutungen der früheren
Forscher experimentell durch Fütterungs- und Zuchtversuche geprüft und zum Teil bestätigt.
Entgegen der Vermutung von Siebolds wurde constatiert, dass vor allem auch Singvögel die in
Thätigkeit begriffenen Leucochloridiumschläuche begierig verzehrten, und dass im Darme namentlich junger
Nestvögel die in den Schläuchen eingeschlossene Brut nach Verlauf von 6 Tagen sich zu geschlechtsi’eifen
Individuen von Distomum macrostomum umbildete, einUmstand, der Zeller bewog, das Distomum macrostomum
mit dem auch sonst wenig von ihm unterschiedenen Distomum holostomum völlig zu identifizieren.
Die durch die Vögel ihrer Insassen beraubten Succineen gingen nicht nur nicht zu Grunde, sondern
es entwickelten sich von dem in der Leber gelegenen Schlauchwerk aus nach nicht allzu langer Zeit neue
Schläuche, welche an die Stelle ihrer Vorgänger traten und deren Thätigkeit fortsetzten.
Somit erhalten wir durch die Zeller’sche Arbeit zum ersten Male eine wenigstens in der Hauptsache
vollkommen abgeschlossene Kenntnis von dem Entwicklungscyklus des Wurmes, dem das Leucochloridium
als Jugendform angehört; die weiteren Vermutungen, dass der aus dem reifen Distomumei heirvorgehende
*) Wagener. Beiträge zur Entwickl. der Eingeweidew. Naturk. Verhandl. etc. 1857. pag. 107.
*) E. Zeller. Zeitschrift für wiss. Zool. 1874. Bd. 24. pag. 564—578.