zur Auinahme meiner Untersuchungen gezwungen war, griff ich zu Zuchtversuehen und benutzte zu diesem
Zwecke die bereits von Kühn zur Auffindung der sogen. Fangpflanzen angewandte Methoäei Durch die
Freundlichkeit des Herrn Geheimrath Kühn, dem ich an dieser Stelle meinen besten Dank dafür sage,*)
erhielt ich, nachdem der langandauemde Frost nachgelassen hatte, ein Quantum infizierter Erde aus den
Hallenser Versuchsgärten, deren oberflächliche Untersuchung schon das Vorhandensein einer reichlichen
Menge überwinternder Weibchen mit lebenskräftigen Embryonen ergab. Diese Erde wurde thäßrin Blumentöpfe,
theils in Holzkästen mit durchlöchertem Boden vertheilt und darauf sowohl mit Bübenkernen als
auch mit Samen von Brassica Kapa oleifera und Lepidium sativum besät. Der Same ging bald auf, und
die jungen Pflänzchen trieben bei gehöriger Wärme und Feuchtigkeit B d i e meisten Zuehttöpfe wurden
in einem Mistbeet untergebracht — rasch Wurzeln. Schon nach vier Wochen, gegen Mitte April, war ich
in der Lage, eine Infektion konstatieren zu können, so dass ich nun nach und nach in den Besitz eines
vorläufig genügenden Materials gelangte.
Um der Thiere, die alle mit Ausnahme des trächtigen Weibchens von mikroskopischer Gröss#®fili
habhaft zu werden, -schnitt ich einzelne Partieen von Wurzelfasem weg und schwemmte dieselben ab, worauf
ich sie einer Untersuchung mit der Lupe oder einer schwachen mikroskopischen Vergrösserung unterwarf.
Die jugendlichen Weibchen, die noch’-nicht durch ihre Turgescenz die Wurzelepidermis gesprengt haben,
muss man ebenso, wie die Larvenstadien des Männchens, mit Nadeln aus der Binde herauspräparieren,
was sich bei einiger Geschicklichkeit unschwer bewerkstelligen lässt. Die freilebenden Larven fand ich
zumeist in genügender Menge in der den Wurzelfasern anhaftenden Erde. Behufs Erlangung derselben
breitete ich die Erde unter Wasserzusatz auf einer Glastafel aus, suchte die Larven zwischen den Partikelchen
heraus und übertrug sie mit einem .feinen PihSjä auf einen Objektträger zur weiteren BBoBa’chtung.
Bereits bei geringer Vergrösserung lassen sich die jungen, geschlechtslosen Würmchen durch ihre ziemlich
trägen Bewegungen von den sehr häufig neben denselben vorkommenden, äusserst agilen Bhabditisformen
unterscheiden.
Bei der Kleinheit der Objekte und ihrer Resistenzfähigkeit gegen Reagentien, die allen Nematoden
eigen ist, war ich hauptsächlich darauf angewiesen, meine Beobachtungen am lebenden Thier anzustellen.
Als Untersuchungsflüssigkeit verwerthete ich dabei eine halbproccntigc Kochsalzlösung oder Hühnereiweiss.
Um die oft störenden Bewegungen etwas aufzuheben, wurde ein gelindes Erwärmen über der Alkoholflamme
benutzt, was stets, ohne die Thiere zu tödten, eine Streckung derselben zur Folge hatte. — Während diese
Methode bei den durchsichtigen Männchen gute Dienste leistete, könnte sie bei der Untersuchung der völlig
opaken Weibchen nur wenig zur Anwendung kommen. Hier war es nöthig Quetsch- und Zerzupfungs-
präparate herzustellen und, wo diese nicht ausreichten, Schnitte anzufertigen. Warmes Wasser oder warme
Chrom-Pikrinschwefelsäure, welche ich anfänglich zur Conservierung der Weibchen benutzte, erwiesen sich
als nicht brauchbar, weshalb ich zu warmem Sublimat griff, das als das geeignetste Härtungsmittel zu
empfehlen ist. Nach genügender Einwirkung des Sublimates wurden die Thiere weiterhin, wie üblich, in
die verschiedenen Alkohole bis zum Alkohol absolutus gebracht, vermittelst sauren Karmins und Pikro-
I - B B de“ Herr8n 8 "ta" ™d Pshdkhesitsern, dis mich thails direkt, thsüs durch Vermittbrag des Herrn Seheim-
ratn neuckart m liberalster Weise mit Material unterstützten, sei hier mein Dank ausgesprochen.
karmins gefärbt und darauf nach Einbettung in Paraffin in möglichst dünne Schnitte zerlegt. — Das
Weibchen färbt sich trotz seiner dicken Cuticula ziemlich rasch, das Männchen dagegen bedarf oft eines
Zeitraumes von mehr als drei Wochen, um sich völlig zu tingieren. — Vor der jedesmaligen Schnittführung
ist es räthlich, die Schnittfläche mit einer dünnen Kollodiumschicht zu überziehen, da die inneren Theile
des Weibchens sonst leicht auseinander fallen.
Beschreibung
des äusseren und inneren Baues der Gesehlechtsthiere.
Die artenreiche Gruppe der Nematoden zeigt im allgemeinen eine so geringe Variabilität in der
Gestalt ihrer Vertreter, dass es uns schon desshalb von Interesse sein muss, in Heterodera einen Nematoden
kennen zu lernen, der einen so auffallenden geschlechtlichen Dimorphismus besitzt, wie er bis jetzt nur in
ganz seltenen Fällen bei Rundwürmern gefunden wurde. Denn nicht allein, dass die beiden Geschlechter
unserer Heterodera, abgesehen von dem Bau der Sexualorgane, wesentliche Verschiedenheiten in Bezug
auf ihre Grösse aufweisen — die Differenz in ihrer Gestalt ist eine so weitgehende, dass es einem auf
diesem Gebiete selbst erfahrenen Forscher kaum möglich wäre, ohne Einblick in die Lebensgeschichte
ihre Zusammengehörigkeit zu erkennen. Hauptsächlich ist es das Weibchen, welches ein so äbweichendes
Aussehen hat. Während das Männchen nämlich die Charaktere der Larve im ausgebildeten Zustande im
Grossen und Ganzen bewahrt, schwillt das Weibchen im Laufe seiner Entwicklung zu einem kugeligen
Gebilde an, das äusserlich in Nichts mehr Ähnlichkeit mit dem männlichen Thiere zeigt. Nur den von
Lieberkühn 19) in dem Proventrikel der Ente entdeckten Tetrameres vermöchten wir als einziges Analogon
unserem Geschöpfe an die Seite zu setzen, wenn nicht in neuester Zeit Leuckart22) uns mit jenem noch
merkwürdigeren Allantonema bekannt gemacht hätte, das als protandrisch er Hermaphrodit in Hylobius pini
schmarotzt. Deutet bei Heterodera das abgesetzte schlanke Kopfende und bei Tetrameres auch die Schwanzspitze
noch auf nematoide Wesen hin, so vermissen wir solcherlei Merkmale bei Allantonema vollständig.
Unter der entoparasitären Lebensweise ist hier der langgestreckte Nematodenleib zu einem wurstförmigen
Körper geworden, der mit dem Mangel eines Darmes auch der Mund- und Afteröffnung entbehrt.
Bei dieser Verschiedenheit, die hauptsächlich den äusseren Habitus unserer Heterodera angeht, theil-
weise aber auch den inneren Bau ergreift, halte ich es für angemessen, die Organisation der Gesehlechtsthiere
getrennt zu beschreiben. Organe, die histologisch und anatomisch bei Mann und Weib mit einander übereinstimmen,
werde ich bei Besprechung des ersteren ausführlicher darstellen und bei letzterem dann nur in
Kürze berühren.