unter die Oberfläche zurückzuziehen; wie man es denn überhaupt aufgeben muss, die Beweglichkeit dieser
Form noch ferner als eigentliche Locomotion, welche durch äussere Umstände bedingt und auf bestimmte
Ziele gerichtet wäre, zu deuten, da' sie, wie ich bereits gezeigt habe, lediglich in den Wachsthumsverhältnissen
begründet ist, vermöge deren die anfangs rundliche Kolonie allmählich in die Form eines
langen Bandes übergeführt wird.
Natürlich sind es nicht ausschliesslich pflanzliche Stoffe, die zur Besiedelung gewählt werden.
Auch die am Boden liegenden Steine werden von Formen wie Plumatella fungosa, emarginata und
Paludicella Ehrenbergii bedeckt.
Indem die auf der Wasserfläche treibenden Statoblasten nach Massgabe der Witterung bald früher,
bald später, in der Regel wohl im Mai, ihre Kolonien entwickeln, legen sie den Grund zur Fauna des
folgenden Sommers. Es wäre indessen ein Irrthum, zu meinen, dass nun das gesamte vom Vorjahre her
überlieferte Material mit einem Schlage verbraucht wäre. Vielmehr lehrt die Erfahrung, dass bis in den
Herbst hinein die Erzeugung von Statoblasten-Stöckchen fortdauert, wie ich denn noch im August und
September sehr häufig jugendliche Exemplare von Plum. repens, fruticosa und emarginata gefunden habe,
welche durch die ihnen anhaftenden Schalen der Mutterstatobiasten ihren Ursprung in unverkennbarer
Weise zur Schau trugen. Meine anfängliche Vermuthung, sie seien aus den Keimen hervorgegangen,
welche im Lauf des nämlichen Sommers producirt waren, wurde durch die Erkenntnis, dass diese sich
nur ausnahmsweise ohne Beihülfe des Frostes entwickelten, nicht ganz nach Wunsch unterstützt. Auf
eine andere Bahn wurden daher meine Gedanken gelenkt, als ich am 1. September 1888, wo die im
Preiler Teich bei Königsberg massenhaft auftretenden Cristatellen noch keine fertigen Statoblasten enthielten
E die Anlage derselben hatte am 8. August eben begonnen, Mitte September waren die ersten gereift —,
eine Menge leerer Schalen an der Oberfläche des Wassers schwimmen sah, welchen ohne Zweifel erst vor
Kurzem die Embryonen entschlüpft waren. So musste ich annehmen, dass nur ein Th e il der vorjährigen
Statoblasten schon im Frühling zur Entwickelung gelangt war, ein anderer dagegen sich auf irgend eine
Weise für spätere Zeiten erhalten hatte. Dadurch allein schien es mir auch erklärlich, wie sich vom
Juni bis tief in den October hinein neben fusslangen Kolonien stets kleinere in allen Abstufungen bis
zur Grösse eines Stecknadelkopfs und zwar in solcher Fülle vorfinden konnten, dass ich sie bei der
Seltenheit der geschlechtlichen Embryonen aus diesen herzuleiten Anstand nahm. Auf Grund der
experimentell belegten Thatsache, dass die Statoblasten nur dann keimen, wenn sie an der Oberfläche
des Wassers ihren Aufenthalt haben, wurde mir eine schon früher gemachte Beobachtung jetzt von
besonderer Bedeutung. Ich hatte bemerkt, dass alle freien Statoblasten die Neigung besitzen, sich an
schwimmenden Gegenständen festzuheften, und dass namentlich die von Cristatella vermöge ihrer Dornen
Ueberbleibsel der verschiedensten Art um sich versammelten, welche, wenn sie in Fäulnis übergingen,
die Keimkörper mit in die Tiefe zogen. Im Kleinen hatte sich dieser Vorgang selbst im Aquarium
constatiren lassen. Er musste, so schien es, dazu fuhren, dass ein grösser, wo nicht der grösste Theil
aller Statoblasten im Lauf des Herbstes und Winters den Grund der Gewässer erreichte und hier so
lange unentwickelt blieb, bis er durch einen günstigen Zufall sich wieder zur Oberfläche erheben konnte.
Ich wünschte nun den Beweis zu führen, dass dieser Folgerung, welche aufs glücklichste alle Fragen zu
lösen schien, die Wirklichkeit entspräche. Am 15. September 1888, wo die ältesten diesjährigen Statoblasten
eben zur Reife gelangt, alle aber noch von den Mutterkolonien umschlossen waren, füllte ich an
einer von zahlreichen Cristatellen besiedelten Stelle des Preiler Teichs einige Flaschen mit Schlamm, der
mittels eines dichten Netzes aus der Tiefe von etwa einem Meter gewonnen war. Die Hoffnung, dass
ich hierin keimfähige Statoblasten würde entdecken können, bestätigte sich in vollem Maasse. Indem
ich den Mulm in Schalen goss und mit reinem Wasser verdünnte, sodann das Ganze mit einem Stabe
umrührte und wieder ruhen liess, bewirkte ich, dass die darin enthaltenen Statoblasten emporstiegen,
und gewann so nach und nach mehr als 50 dieser Körper, welche ihre Herkunft aus früheren Jahren,
wenn noch ein Zweifel hätte bestehen können, durch ihre dunkle, den langen Aufenthalt im Schlamm
kennzeichnende Färbung, vor Allem aber durch ihre Keimfähigkeit an den Tag legten. Denn mit
wenigen Ausnahmen hatten sie sich bereits am 22. September zu jungen Stöckchen entwickelt, während
ich bei den diesjährigen Statoblasten bis zum December warten musste, ehe ein günstiger Erfolg eintrat.
Ich habe diese Beobachtung dann noch einigemal wiederholt und stets mit dem nämlichen Resultat. Am
7. Juni 1889 erhielt ich aus etwa Vs Liter Teichschlamm, der an derselben Steile geschöpft war, wo
ich im Vorjahre Cristatellen in solcher Menge entdeckt hatte, jetzt aber überhaupt keine Kolonien aufzufinden
vermochte, nicht weniger als 120 wohl erhaltene Statoblasten, die schon nach 4 oder 5 Tagen
bis auf verschwindende Ausnahmen die Embryonen ausschlüpfen Hessen. Auch Statoblasten von Pluma-
tellen kamen vielfach zum Vorschein, doch habe ich sie keiner weiteren Prüfung unterzogen.
Angesichts dessen werden wir uns nun von dem natürlichen Schicksal der Statoblasten folgendes
Bild zu entwerfen haben.
Die während des Sommers erzeugten Keime gelangen durch den Zerfall der Mutterkolonien in
Freiheit. Da aber bei der complicirten Verästelung vieler Stöcke das Schwinden der Gewebe allein die
Zerstreuung der Fortpflanzungskörper noch nicht herbeiführen würde, so muss auch für die Zersetzung
der chitinigen Gehäuse gesorgt sein. In dieser Hinsicht wird mau die Thätigkeit der zahlreichen Larven
von Dipteren und ändern Insecten, welche sich schon zu Lebzeiten der Kolonien in diese einbohren
und so ihr Zerstörungswerk beginnen, in Anschlag zu bringen haben. Immerhin wird nur ein Theil
aller Statoblasten vor Eintritt der kalten Jahreszeit die Oberfläche erreichen, ein anderer wird bis zum
Winter von den Röhren umschlossen bleiben. Soweit nun die Bryozoenfauna an die Vegetation gebunden
ist, welche das Ufer unserer Flüsse und Seen an seichten Stellen bedeckt, werden die abgestorbenen
Kolonien im Herbst, oder wenn das Wasser zeitweilig gethaut ist, spätestens also im Frühjahr,
mit den verwesenden Pflanzenresten zu Boden sinken. Dasselbe gilt auch von einem grossen Theil der
freigewordenen Statoblasten, die vermöge der Adhäsion ihrer Flächen, bei Cristatella mittels der Dornen,
an Blättern, Fasern u. s. w. haften geblieben sind. Bei Cristatella kann man ferner beobachten, wie
sich im Herbst die ermattenden Kolonien von ihrem Podium loslösen und mit dem ganzen Inhalt an
Fortpflanzungsmaterial*) zu Grunde gehen. Nach und nach wird sich also die Mehrzahl aller vorhandenen
Keime in der Tiefe des Wassers anhäufen. Hier werden ähnliche Bedingungen herrschen, wie etwa in
einem festverpfropften Glase: Auch diejenigen Statoblasten, welche vom Frost unberührt geblieben sind,
werden durch den Abschluss der Luft keimfä Mg werden und in diesem Zustand einstweilen auf unbestimmte
Zeit verharren. Sobald dann im Frühling die Temperatur des Wassers auf den erforderlichen
*) Eine Kolonie von 12 mm. Länge (15. October 1887) enthielt 69 reife Statoblasten, eine solche von 65 mm.
(18. October 1886) deren 496.