so würde nun die Frage nach der Ernährung, wenn ich mich so ausdrücken darf, um eine Etage höher
verschoben sein.
Ehe wir indessen uns entschliessen, gewissermassen als Nothbehelf, die in die Tiefe sickernden
abgestorbenen organischen Massen als einziges Nährmaterial anzusprechen, so dürfte es von besonderem
Interesse sein, eine genauere Vorstellung über die Tiefe zu gewinnen, bis zu welcher lebende pflanzliche
pelagische Organismen Vordringen. Leider fehlen uns hierüber einstweilen die Daten. Ich selbst vermag
keinen Aufschluss zu geben, da ein Schliessnetz für Untersuchungen, bei denen es sich um den Nachweis
der kleinsten mikroskopischen Organismen handelt, nicht der geeignete Apparat ist. Der Schluss
wird kaum je ein so vollkommener sein, dass in ein Netz einzelne einzellige Algen und Flagellaten nicht
hineingerathen könnten. Man wird also .darauf angewiesen sein, den von S i g s b e e construirten Apparat
anzuwenden und ein solcher stand mir nicht zur Verfügung.
Dagegen vermag ich wenigstens einige Daten über die Vorbedingung zur Existenz pflanzlicher
Organismen,, nämlich über das Vordringen des Lichtes im Meerwasser, mitzutheilen. Die bekannten
Versuche von F o r e l 1) und F o l über das Vordringen des Lichtes in den Schweizer Seen schienen mir
durchaus einer Controle für das Meer zu bedürfen. Ich hatte, als ich diese Versuche anstellte, keine
Kenntniss von den inzwischen durch F o l auch im Mittelmeer angestellten Experimenten, welche zeigten,
dass das Licht bedeutend tiefer wahrnehmbar ist. Immerhin glaube ich, dass eine Bestätigung und
Erweiterung seiner werthvollen Befunde durch eine von dem Forerschen Apparat abweichende Construktion
nicht unwillkommen sein werden. Der von den beiden genannten Forschern verwendete Apparat hat
zwei Uebelstände. Einmal öffnet er sich erst, wenn er auf den Boden aufstösst und weiterhin muss er
bei Nacht an die Oberfläche gezogen werden. Gelänge es nun einen Apparat zu construiren, der uns
von der Tiefe unabhängig macht und an jeder beliebigen Stelle im Ocean auf jeder gewünschten' Tiefe
exponirt werden kann und der weiterhin nach der Exposition sich selbstthätig schliesst, so würden die
genannten. Uebelstände und etwaige Fehlerquellen beseitigt werden. Denn ' es lässt sich nicht leugnen,
dass die Beschaffenheit des Bodens, auf den der Apparat aufstösst, störend einzuwirken vermag und dass
weiterhin, da ja in der Nacht nicht absolute Finsterniss herrscht, eine empfindliche Bromsilberplatte bei
dem Aufziehen des Apparates afficirt werden könnte.
Allen diesen Anforderungen entspricht ein Apparat v. P e t e r s e n ’s, dem ich so vielfach für
seine Bemühungen zu Dank verpflichtet bin. Ich habe ihn auf Taf. 1, Fig. 4— 6 in den verschiedenen
Phasen der Thätigkeit abgebildet und bemerke zur Erklärung der Figuren Folgendes. Die Bromsilberplatte,
welche, wie vorherige Versuche lehrten, von dem Seewasser nicht angegriffen wird, liegt in einer
aus Blei hergestellten Dose (Fig. 4 a). Der ebenfalls aus Blei bestehende Deckel der Dose kann an
einem Scharnier auf- und zugeklappt werden und greift in einen doppelten Falz derart ein, dass seitlich
kein Lichtstrahl einzudringen vermag. Die Dose hängt excentrisch, freibeweglich in einem Rahmen und
würde demgemäss ohne weitere Vorrichtung die aus Fig. 6 ersichtliche Stellung einnehmen. Um nun in
beliebiger Tiefe ein Oeffnen des Deckels, also eine Exposition, herbeizuführen und nach beliebiger Zeit
wieder die Dose zu schliessen, ist nach dem Princip des Negretti und Zambra’schen Umkippthermometers
l) F. A. P o r e l , La fauna profonde des lacs suisses. 1884, p. 33—35. S. ebenda die Literaturangaben über
frühere Versuche,
ein Propeller (p) verwerthet. Derselbe besitzt 4 Flügel und beginnt erst zu wirken, wenn der Apparat
in die Höhe gezogen wird. Ein feines, an dem Propeller befestigtes Schraubengewinde greift durch eine
Schraubenmutter in den durchbohrten Rand der Dose ein und steckt etwa einen halben Centimctcr tief
in dem seitlichen Falz des Deckels.
Der Apparat wird nun in eine beliebige, durch das Zählwerk der Lothleine controlirbare Tiefe
herabgelassen. Wird er, dort angelangt, in die Höhe gezogen, so hebt sich das Schraubengewinde durch
die Drehung der Flügel des Propeller und tritt aus dem entsprechenden Falz des Deckels. Letzterer
klappt auf und die Platte wird exponirt (Fig. 5). Ein dem Deckel seitlich anhängendes Bleigewicht (ff)
erleichtert das Aufklappen, welches bei einer Hebung des Apparates um 2,5 Meter erfolgt. Hat man
die erforderliche Zeit hindurch exponirt, so tritt bei einer weiteren Hebung das Gewinde auch aus der
entsprechenden Oeffnung der Dose und letztere, weil excentrisch aufgehängt, klappt zu (Fig. 6).
Was nun die mit dem Petersen’schen Apparate erzielten Resultate anbelangt, so stellten wir die
ersten Versuche in Tiefen von 150 und 250 Meter am 9. Oktober ausserhalb Capri während eines wolkenlosen
Tages um die Mittagszeit an. In beiden Fällen ergab sich eine starke Belichtung der Platte,
obwohl nur lU Stunde exponirt wurde. Um einen ungefähren Vergleich anstellen zu können, so wurde
während der Nacht eine Platte ebensolang auf dem Schiffe exponirt. Es war mondhell, der Mond jedoch
hinter Wolken während der Dauer der Exposition versteckt. Die Platte war nach der Entwicklung
nicht so intensiv gedunkelt, wie die während des Tages in den obigen Tiefen exponirten Platten.
P e t e r s e n hat dann nach meinem Weggang die Versuche in 500 und 550 Metern wiederholt
und theilt mir mit, dass auch in diesen Tiefen nach halbstündiger Exposition eine Belichtung erzielt
wurde, welche nur wenig schwächer war als die früher während der Nacht erhaltene. Die Versuche
wurden wiederum um 12 Uhr Mittags bei wolkenlosem Himmel am 10. November angestellt.
Weitere, über eine grössere Reihe von Beobachtungen während verschiedener Tages- und Jahreszeit
sich erstreckende Resultate, hoffe ich noch mittheilen zu können.
Die hier mitgetheilten Beobachtungen geben eine nicht unwillkommene Bestätigung und Erweiterung
der von As p e r und F o l angestellten Versuche. Ersterer1) constatirte bereits, dass in 90 und 140 Meter
eine Belichtung der Platten in den Tiefen des Zürichersees erzielt wurde und letzterer2) wies nach, dass
auch im Genfersee in 170 M. Tiefe eine Lichtwirkung wahrnehmbar ist. Endlich constatirten F o l und
S a r a s i n 8), dass im Mittelmeer hoch in 400 M. Tiefe versenkte Platten vom Lichte afficirt wurden.
Die hier mitgetheilten Versuche geben freilich nur über das Vordringen der chemisch wirksamen
Strahlen, nicht aber über die Verbreitung der gelben und rothen Strahlen Aufschluss. Immerhin zeigen
sie, dass die Lichtstrahlen nicht so rasch in reinem Seewasser absorbirt werden, wie man bisher annahm.
Es fragt sich nun, welche Helligkeit noch genügt, um eine Assimilation den niedrigsten Pflanzen
zu ermöglichen. Wir besitzen über die Verbreitung von Algen in grösseren Tiefen nur wenige sichere
s p e r in: F . A. F o r e l , La fanna profonde des lacs Suisses 1884, p. 34.
2) H. F o l . Compt. Rend. Acad. Sc. Paris XCIX, p. 783, Nov. 1884.
3) H. F o l et Ed. S a r a s i n , Sur la profondeur à laquelle la lumière du jour pénètre dans les eaux de la mer. Compt»
Rend. Ac. Sc. Paris, Bd. 100, April 1885, p. 991.