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kam er zu einem Endresultat, das ich in einem wesentlichen Punkte als unzutreffend zu erweisen in der
Lage bin. Er folgerte nämlich, dass die polypoide Knospenanlage lediglich das sog. „Polypid“ aus sich
hervorgehen lasse, während das zugehörige „Cystid“, also die äussere Leibeswand des Individuums, aus
den Zellen des nächst älteren Cystides sich aufbaue, und er gründete darauf seine Bestätigung der A.11-
man’schen Theorie von der Doppelnatur der Bryozoen, wonach jedes scheinbar einheitliche Individuum
thatsächlich aus zweien von ungleicher Entwickelung bestehen sollte. Das Cystid und das Polypid waren
nach ihm zwei selbständige, zu einer secundaren Einheit verschmolzene Einzelwesen. Die schon von
ihm beobachteten „Doppelknospen“ sah er als, wiewohl häufige, Ausnahmen an.
Nitsches wie seiner Vorgänger Angaben, wonach theoretisch an jeder beliebigen Stelle der Leibeswand
durch Einstülpung ihrer beiden Blätter ein neues Polypid entstehen könnte, lassen somit die Frage
offen, warum dennoch die jungen Knospen in gesetzmässiger Weise einander folgen und warum ihre
Anlage stets an einem bestimmten Punkte, oral vor dem nächst ältern Individuum, vor sich geht. Ich
werde im Folgenden den Versuch machen, diese Frage ihrer Lösung entgegenzuführen.
I. Das Knospungsgesetz der Phylactolaemen.
Ehe ich auf allgemeine Verhältnisse eingehe, scheint es mir rathsam, die Entstehung der Knospe
zunächst in einem besondem Fall, bei Cristatella, genau zu verfolgen und dann vom Speciellen und
Complicirten zum Einfachen und Regulären fortzuschreiten.
Cristatella liefert schon deshalb das günstigste Object zur Untersuchung, weil sie in Folge der
regelmässigen Anordnung und dichten Häufung der Individuen auf die einfachste Weise die Herstellung
von Schnitten verschiedener Stadien in verschiedener Richtung ermöglicht.
Die Kolonie als Ganzes (Taf. VI, Fig. 71) bietet bekanntlich den Anblick eines abgeplatteten
Wurms, in welchem seitlich von der Mediane zunächst die ältesten Polypide (P) in zwei an den beiden
Polen des Körpers ineinanderlaufenden Längsreihen angeordnet sind, worauf dann nach der Peripherie
zu stufenweise die jüngeren Individuen in immer weiteren Reihen folgen, bis endlich gegen den Rand
hin in einer diesem parallelen Vegetationszone (KZ) die Kolonie sich durch Entwickelung neuer Knospen
ergänzt. Die Einzelthiere jeder Reihe stehen nicht genau vor denen der höheren Reihe, sondern sind in
die Zwischenräume hineingerückt, so jedoch, dass, je mehr sie gegen die Peripherie hin sich verjüngen, ihre
Zahl wächst, bis diese in der äussersten Knospenregion ihr Maximum erreicht bat.
Auf Querschnitten der Kolonie werden die Individuen annähernd sagittal resp. median getroffen.
Jeder derartige Schnitt (Fig. 72) bietet uns in seinem mittleren Theil die ältesten Polypide mit der Analseite
der Symmetrieebne zugekehrt und jederseits gefolgt von den jüngeren, die unter gleicher Orientirung
allmählich zu den Knospen hinüberführen (KZ). . Die schmale Zone, in der die Bildung der letzteren vor
sich geht, befindet sich an der oberen Decke der Kolonie in geringer Entfernung vom Rande, wo das
Integument sich umbiegt und zur Sohle wird. Die Knospen ragen hier als mehr oder weniger compacte:
Säcke frei in das Innere der gemeinsamen Leibeshöhle der Kolonie hinein.
Lenken wir nun unser Augenmerk auf die Entstehung einer einzelnen Knospe, so fällt uns bei
der Durchsicht einer Reihe von Querschnitten mit Nothwendigkeit ein Verhältnis auf, welches schon
Nitsehe*) als „besondere Eigentümlichkeit“ der Phylactolaemen beobachtet hat. Es ist die Thatsache,
dass, wie Nitsche sagt, „in sehr vielen Fällen nicht e in , sondern zw ei Polypide aus derselben Knospenanlage
hervorgehen“. Eine solche Bildung bezeichnet Nitsche als „Doppelknospe“. Die „secundäre Knospe,
fährt er fort, entsteht an der primären Knospenanlage häufig schon sehr früh. Besonders ist dies bei
Cristatella der Fall, wo oft zwei noch ganz junge Knospen von einer und derselben Einstülpungsstelle
ausgehen, so dass man anfänglich eine tief nierenförmig eingeschnittene Knospe zu sehen meint, die mit
der convexen Seite der Leibeswand des Thieres ansitzt.“
Auch Hatschek kommt in der Arbeit über Pedicellina**) auf dies Verhältnis zu sprechen und
bestätigt theilweise die Angaben Nitsches. Ja er geht etwas weiter und bemerkt auf einem Stadium
wo „die Mutterknospe schon weitere Differenzirungen zeigt, an der Tochterknospe den Beginn einer
abermaligen Theilung“. „Ich habe, sagt er, unter einer grossen Anzahl von Querschnitten keine Knospe
gefunden, deren Entstehung nicht durch ihr bestimmtes Lageverhältnis auf die nächst ältere Knospe
zu beziehen war.“
Im Folgert den wird es sich in erster Linie darum handeln;, nachzu weisen, inwiefern dieser Satz
thatsächlich für die Knospen der Cristatella zutrifft, und welcher Art die Beziehungen sind, in denen
das einzelne Polypid zu den benachbarten und zu der gesamten Kolonie steht. Wir werden das
Schicksal der Einzelknospe vom Moment ihrer Entstehung bis zur Vollendung des Individuums verfolgen
und aus den beobachteten Thatsachen die für den Aufbau der ganzen Kolonie sieh ergebenden
Schlüsse ziehen. .
Wenn wir auf Querschnitten die jüngsten Knospen durchmustern, so lehrt schon ein flüchtiger
Ueberblick, dass hinsichtlich ihrer Entstehung keine völlige Einheit herrscht. Neben solchen, welche
direct von der Kolonialwand zu entspringen scheinen (Taf. VI, Fig. 81, B1), finden wir andere, welche
offenbar aus einer älteren Knospe hervorgehen (Fig. 75, B) und mit dieser zur typischen Doppelknospe
verbunden sind. Um hier Klarheit zu schaffen, wollen wir eine Bildung der letzteren Art näher ins
Auge fassen.
Taf. VI, Fig. 73 zeigt eine Doppelknospe im ersten Stadium ihrer Entwickelung. Die Knospe
A stellt einen zweischichtigen Sack dar, welcher oben an der Wandung der Kolonie festsitzt, mit seinem
blinden Ende dagegen frei in die von Blutflüssigkeit erfüllte Leibeshühle hineinragt. Das äussere Blatt
der Knospe geht in das mesodermale Epithel (m) der Leibeshöhle über, das innere grenzt unmittelbar an
die blasigen Zellen (ec) des Integuments, von denen es sich in Folge seines embryonalen Charakters
deutlich abhebt. In Karminpräparaten erscheinen nämlich die Zellen der Knospe stets intensiv roth,
während das ältere, ohnehin stark modificirte Ectodermgewebe eine ganz blasse Färbung zeigt, aus der
nur die Kerne, schärfer hervortreten. Das Lumen des Knospensackes reicht bis über die Mitte in den
obern Theil désselben, den wir fortan als Halstheil (h) bezeichnen wollen, hinauf, aber niemals weiter in
denselben hinein, so dass er in der Nähe der Leibeswand stets compact bleibt. Die Halsregion der
Knospe A lässt nur an ihrer dem Rande der Kolonie zugekehrten Seite, welche der Oralseite des künftigen
Polypids entspricht, eine leichte Anschwellung B erkennen, welche auf eine lebhaftere Wucherung der
hier gelegenen Zellen beider Blätter zurückzuführen ist. Die Anschwellung nimmt, rasch zu und ein
*) Knospung S. 132 f.
**) Ztschr. f. wiss. Zool. Bd. XXIX, S. 537 ff. 1877.