Var. ß Idae: Statoblasten im Mittel über 1 mm. (1—1,25 mm.) breit. Zahl ■ der Dornen auf der
Dorsalseite 20 bis 34, an der Ventralseite 38 bis 50.“
Var. Idae soll nur in Amerika Vorkommen, genuina die europäische Form repräsentireri.
Ich glaube kaum, dass diese Trennung sich aufrecht erhalten lässt, im Falle sie wirklich nur
auf den genannten Unterschieden beruht. Nach meinen Beobachtungen erstrecken sich die Grenzen, in
denen die fraglichen Charaktere der heimischen Statoblasten schwanken, erheblich weiter und bis in
den Kreis der var. Idae hinein, so dass der Zusammenziehung beider Spielarten von dieser Seite nichts
entgegenstände. Ich habe bei der Durchsicht von nur einem Dutzend unversehrter Statoblasten, die in
der Alle gesammelt waren, die Zahl der „ventralen“ Dornen in fünf Fällen grösser gefunden als 32,
das Maximum, welches Kraepelin selbst beobachtet hat, und einmal sogar = 44 (neben 21 auf der Oberseite),
wodurch nicht allein das für genuina zulässige Maximum von 37, sondern auch das für Idae angesetzte
Minimum von 38 um ein Beträchtliches überboten ist. Erwähne ich ferner, dass an eben diesen
Statoblasten, bei denen jeder Verdacht einer künstlichen Verletzung ausgeschlossen war, die „dorsalen“
Dornen oft eine so rudimentäre Ausbildung zeigten, dass sie in 6 unter 12 Fällen die Zahl 10 nicht erreichten,
während sie nach Kraepelins Angabe zwischen 10 und 22 schwanken sollen (ich zählte 2, 4, 5, 8, 9,
wovon nur ein Theil mit normalen Ankern versehen war), so wird man erkennen, dass die Zahl der
Dornen überhaupt nicht als systematisches Kriterium Verwerthung finden kann, und dass die Trennung
der Varietäten nur noch auf die Grösse der Statoblasten zu basiren wäre. Selbstredend entzieht es
sich meiner Kenntnis, in wie weit das Mittel für die- Grösse der amerikanischen Statoblasten richtig
bemessen ist, dagegen kann ich verbürgen, dass auch bei unseren Cristatellen das angebliche Maximum von
0,97 mm. häufig überschritten wird. Dies war unter 10 nach Belieben* gewählten Statoblasten der Alle
nicht weniger als sechsmal der Fall, wo ich den Durchmesser = 0.98, 0.99, dreimal == 1.00 und
einmal = 1.03 mm. fand, so dass sich das Mittel für diese Statoblasten weit höher beziffern würde, als
Kraepelins Angabe lautet. Aehnliche Zahlen zeigten andere Statoblasten, die ich im Herbst 1889 im
Pregel fischte. Die in Preil gesammelten Keimkörper hielten sich mehr in den von Kraepelin angegebenen
Grenzen, vielleicht dass die Strömung des Flusses in Folge der durch sie gebotenen günstigeren Athmungs-
bedingungen und durch die reichere Zufuhr von Nährstoffen jene Vergrösserung der Statoblasten bewirkt
hatte. Jedenfalls ist es sicher, dass das Maass der Cristatdla Idae auch von unsern heimischen Formen
erreicht wird, und somit die Identität beider in hohem Grade wahrscheinlich.
9. Paludicella Ehrenbergii Van Beneden. v
Im Preiler Teich, im Lauther Mühlenfliess, im Pregel. An Steinen, trockenen Aesten, Binsen,
Rhizomen etc., Juni bis in den Winter, diesen vielleicht überdauernd. Noch am 24. Januar 1887 habe
ich bei Lauth Kolonien mit lebenden Polypiden gesammelt und heimgebracht. Am reichsten entwickelt
fand ich sie im September und October.
Fasse ich das G e s am t r e s u l t a t meiner faunistischen Untersuchungen in einem kurzen Ueber-
blick zusammen, so ergiebt sich, dass sämtliche in Europa heimischen Arten — von den nur örtlich
eingewanderten und als seltene Gäste zu betrachtenden Pectinatdlen und Victorellen*) sehe ich füglich
ab — auch in der Provinz Preussen vertreten sind. •
Was die Verbreitung der einzelnen Arten anlangt, so habe ich für Plum. repens, fungosa und
vesicularis, sowie für Fredericelia und Lophopus das Vorkommen auch in den höher gelegenen Landstrichen
constatiren können. Ebenso darf man wohl für die übrigen Formen annehmen, dass sie sporadisch
durch das ganze Gebiet verbreitet sind. Daneben aber glaube ich noch d a s deutlich erkannt zu haben:
Ihren Gipfel erreicht die Verbreitung der Bryozoen des süssen Wassers in den Niederungen um die
Mündungen der grösseren Flüsse, wo die Fortpflanzungskörper aus allen Theilen des Binnenlandes zusammengeführt
werden und eine Fauna begründen, deren Charakter für die Beurtheilung des ganzen
Landstrichs den besten Masstab bietet. Von diesen Metropolen aus nimmt dann die Häufigkeit nach den
Quellgebieten zu immer mehr ab, um auf der Wasserscheide wahrscheinlich ihren tiefsten Stand zu erreichen.
Es dürfte demnach kein Zufall sein, dass ich die Gewässer der preussischen Seenplatte ausserordentlich
arm an Bryozoen gefunden habe, und zwar nicht nur da, wo wegen des diluvialen Grandbodens
Mangel an Pflanzenwuchs herrschte, sondern auch an Stellen, die eine üppige Vegetation entwickelt hatten, wie
z. B. im Damerauer Teich bei Wartenburg, der keine Spur jener Thiere zu bergen schien.
Leider bin ich nicht dazu gekommen, die beiden grössten Süsswasserbecken der Provinz, das
frische und kurische Haff, die wegen ihrer Verbindung mit der Ostsee von besonderem Interesse sind,
in das Gebiet meiner Untersuchungen zu ziehen.
Eine besondere Erwähnung verdient der Preiler Teich bei Königsberg, wo auf einem Flächenraum
von wenigen Hektar sämtliche europäischen Formen bis auf einige Plumatellen ( fruticosa, emarginata,
ves'icularis) zum Theil in reicher Fülle vertreten sind.
Schon Allman**) giebt an, dass die Bryozoen des süssen Wassers im Allgemeinen als Bewohner
der Oberfläche zu betrachten sind. Dies trifft auch nach meinen Erfahrungen für Cristatella und die
Plumatellen zu, welche in einer Zone, die etwa 2 Fuss unter den Wasserspiegel hinabreicht, ihre grösste
Entfaltung zeigen, ohne jedoch ängstlich darauf beschränkt zu sein. Auch Fredericelia und Paludicella
siedeln sich in dieser Region an, kühle, schattige Stellen bevorzugend. Ihre breiteste Ausdehnung gewinnen
sie aber am Boden der Gewässer, die dort liegenden Aeste und Steine zuweilen wie mit einem
Gespinnst umgebend. Asper und Forel***) haben eine Fredericelia, die Forel als besondere Art (Fr. Duplessis)
beschreibt, in deren angeblichen Eigenthümlichkeiten ich jedoch keine Unterschiede von unserer Fr.
sultana entdecken kann, als stehenden Constituenten der Tiefenfauna der Alpenseen vorgefunden, und
auch Paludicella wird einmal als häufig in einer Tiefe bis zu 25 m. erwähnt. Dass aber auch die übrigen
Formen gelegentlich weiter hinabgehen, folgt aus der Angabe Forels, dass mit Paludicella vereint in
der Tiefenregion des lac de Joux PI. repens und fungosa und selbst Cristatdla und Lophopus auftreten.
PI. fungosa und emarginata forma Benedeni wurde auch von Kraepelin y) neben Fredericelia und Paludicella
*) Kraepelin 1. c. S. 93 f. 133 f.
**) Monograph. S. 75.
***) G. Asper im Zool. Anz. 1880, S. 201.
F. A. Forel, la faune profonde des lacs suisses. Lucerne 1884.
f) Abhandl. a. d. Gebiete der Naturwiss., herausgeg. v. natunviss. Ver. in Hamburg. Bd. IX, H. 1, 1886.