Eigene Beobaehtung’en.
Der männliche Genitalapparat der Echinorhynchen1) hat nicht im Entferntesten eine Aehnlichkeit
mit dem der Nematoden. An Stelle des langen röhrenartig gebauten und von einer Rhachis durchzogenen
Hodenschlauches der Nematoden findet man bei den Kratzern zwei cylindrische oder länglich
ovale Keimdrüsen (A. a. 0 . Fig. 1 H.; Fig. 2 H.) vor, die sich sowohl gegen einander, als auch
gegen die Leitungswege scharf absetzen. Der in ihnen erzeugte Samen gelangt zunächst in zwei häutige,
mit etlichen sackartigen Ausbuchtungen versehene Kanäle, die Vasa deferentia (A. a. 0 . Fig. 1 V. def. ;
Fig. 2 Sr.), welche in mehr oder minder grösser Entfernung vom Hoden sich zu einem meist sehr
geräumigen Vas efferens (A. a. 0 . Fig. 1 V. eff.; Fig. 2 V. eff.) vereinigen. Unmittelbar hinter den
Hoden liegen alternirend in zwei Reihen sechs öder acht Drüsen, die auch bei den kleineren Arten
schon dem unbewaffneten Auge infolge ihrer dunkelgelben oder bräunlichen Färbung auffallen.
(A. a. 0 . Fig. 1 Kd.; Fig. 2 Kd.). Sie scheiden eine zähflüssige, leicht erstarrende Masse ab, die
nach vollzogener Begattung die weibliche Genitalöffnung verstopft und so das Austreten des gewaltsam
hineingepressten Samens verhindert. Zur Befestigung der ebengenannten Drüsenkörper dient ein häutiger
Schlauch, das Ligamentum Suspensorium. Selbiges inserirt sich am hinteren Ende des Recepta-
culum proboscidis unmittelbar neben der Durchbruchsstelle der grossen Retractores receptaculi und
umhüllt als kontinuirliche Membran die beiden Hoden, die Kittdrüsen und deren Leitungswege
(A. a. 0 . Fig. 1 Ls.; Fig. 2 Lg.). Die vordere Hälfte des Ligamentes ist vorwaltend sarkolem-
matiseher Natur; nur hier und da gewahrt man vereinzelte Längsmuskelfibrillen. Der hintere Abschnitt
aber besteht der Hauptmasse nach aus muskulösen Elementen, die sich zu netzartig verwobenen Ringfasern
zusammengruppiren. Am vorderen Rande dieser Ringmuskelscheide erblickt man jederseits ein
sehr grosses, polsterartiges und blumenkohlartig verzweigtes Nephridium, welches frei in die Leibeshöhle
hineinragt (A. a. 0. Fig. 1. Nephr.). Alle Einschlüsse der Genitalscheide vereinigen sich schliesslich
mit einander und münden in der Achse eines konischen Penis nach aussen. Bei allen Spezies liegt das
Begattungsglied im Grunde einer halbkugel- oder helmförmigen Bursa copulatrix, die nach aussen hervorgestülpt
werden kann und dann zum Umfassen des weiblichen Leibesendes dient. Die Grundlage
der Bursa bildet ein eigenartig gebauter Ringmuskel (A. a. 0 . Fig. 1 Bm.; Fig. 2 Bin.), der vermittelst
eines dünnen Stieles mit einem mächtigen, von Ringfasern umgürteten Markbeutel in Verbindung steht.
Die Portrusion und die Retraktion der Kopulationsorgane werden durch mehrere in diagonaler Richtung
zwischen dem Muskelmantel des Ductus ejaculatorius und der Leibeswand sich ausspannende Längsmuskelstränge
bewirkt.
Die Morphologie der männlichen Genitalien ist wohl für alle eingehender untersuchten Spezies
hinreichend beschrieben. Ich werde deshalb mich hauptsächlich mit der Histologie und der Entwickelungsgeschichte
der einzelnen Organtheile zu beschäftigen haben und die Morpholgie nur dann, wenn sie zum
allgemeinen Verständnisse erforderlich ist, andeutend berühren.
Soweit unsere Erfahrungen reichen, besitzen sämmtliche Echinorhynchen zwei Keimdrüsen von
*) Zur Erläuterung der topographischen Anatomie der männlichen Genitalien möge die lOOste der von L e u c k a r t
herausgegebenen „Zoologischen Wandtafeln“ dienen, woselbst ich in Fig. 1 ein in ganzer Länge geöffnetes geschlechtsreifes
Männchen von Echinorhynchus gigas, in Fig. 2 ein solches des Barschkratzers (Echinorhynhus angustatus) abgebildet habe.
sehr ansehnlicher Grösse. Bei der Mehrzahl der Arten sind selbige in der Längsachse des Leibes
und zwar in kurzer Entfernung hintereinander angebracht. Hierbei soll jedoch der Fall nicht ausgeschlossen
sein, wo die beiden Hoden so dicht aufeinander rücken, dass ihre Enden neben- oder übereinander
zu liegen kommen (Echinorhynchus trichocepholus, Echinorhynchus gigas, Echinorhynclius
proteus etc.). Die einzigen bekannten Ausnahmen bilden Echinorhynchus strumosus und Echinorhynchus
hystrix, zwei durch einen kurzen, gedrungenen Körperbau ausgezeichnete Spezies. Bei ihnen werden
die dicken, fast sphärischen Hoden in gleicher Höhe, also neben einander angetroffen.
Die Lage, welche die Hoden in der Leibeshöhle einnehmen, ist bei den verschiedenen näher
untersuchten Arten keineswegs die gleiche; sie erregt umsomehr unser Interesse, als sie häufig in letzter
Instanz die Gestalt und die Anordnung der Kittdrüsen influenzirt. Bei Echinorhynchus gigas, Echinorhynchus
angustatus, Echinorhynchus porrigens, Echinorhynchus proteus, Echinorhynchus moniliformis etc.,
überhaupt bei der Mehrzahl der Arten findet man sie in der Körpermitte oder wenigstens unmittelbar
vor derselben. Nur einige wenige Spezies machen hierin eine Ausnahme. Bei Echinorhynchus tricho-
cephalus, einem sehr langen und äusserst dünnen, fadenartigen Kratzer, liegen die beiden eiförmigen
Hoden in jener eigenartigen, ovoiden Auftreibung dés Vorderleibes; mit der wir uns schon des aber-
ranten Baues ihrer Wandung wegen eingehender beschäftigt haben. In der hinteren Leibeshälfte findet
man die Geschlechtsdrüsen nur bei den Männchen von Echinorhynchus haeruca und Echinorhynchus major.
Weit mannigfaltiger sind die Unterschiede, die hinsichtlich der Grösse und der äusseren Gestalt
obwalten. Was zunächst den ersten Punkt angeht, so verweise ich auf die unten aufgestellte Tabelle1).
Lang gestreckte cylindrische oder gurkenähnlich gestaltete Hoden Avurden nur bei einer sehr beschränkten
Zahl von Kratzern vorgefunden. Zu ihnen gehören Echinorhynchus gigas und der von V 'e s trum b auf
seinen anatomischen Bau untersuchte und abgt ibildete Echinorhynchus major aus dem Darme von Erina-
ceus europaeus. Eine weit grössere Verbreitung scheinen die mehr gedrungenen, eiförmigen oder
sphäroiden Hoden zu haben. Wir finden sie bei Echinorhynchus angustatus, Echinorhynchus haeruca,
Echinorhynchus proteus, Echinorhynchus polymorphus, Echinorhynchus trichocepholus, Echinorhynchus porrigens,
Echinorhynchus strumosus, Echinorhynchus hystrix etc.
Gehen A v ir nun nach diesen einleitenden Bemerkungen zur Besprechung des anatomischen und
histologischen Baues der männlicheu Keimdrüsen über.
Wir wollen uns zunächst mit den Strukturverhältnissen, welche der Hoden des geschlechtsreifen
Echinorhynchus gigas zur Schau trägt, etwas eingehender beschäftigen. Schon bei Amvendung schwacher
Vergrösserung kann man eine dünne, scharf konturirte Membran erkennen, die auf der Oberfläche des
dickflüssigen, zellenreichen Hodenparenchymes sich ausbreitet und dieses allseitig umhüllt (s. Tafel 3,
Fig. 8 tp). Diese Tunica propria erscheint im Leben vollkommen homogen, glasartig durchsichtig und
*) Länge des geschlechtsreifen Männchen vön: . Länge, Breite der Hoden.
Echinorhynchus augustatus 7 mm, 0,85 mm, 0,51 mm.
Echinorhynchus haeruca 12 mmj : 0,96 mm, 0,62 mm.
Echinorhynchus porrigens juv. 20 mm. 1,20 mm, . 0,68 mm.
Echinorhynchus strumosus juv. 6 mm. 0,27 mm, 0,23 mm.
Echinorhynchus Irichocephaltts 46 mm, 0,68 mm, 0,52 mm.
Echmorhynchns gigas 95 mm, 13,00 mm, 1,35—1,58