gerichteten, als Widerhaken funktionirenden Stacheln in die umliegenden Gewebspartien ein. Jetzt
kann der Wurm seinen Rüssel bis auf die letzten Reihen einstülpen und neue Bohrungen unternehmen
ohne Gefahr zu laufen, durch die andrängenden Kothmassen aus der Wunde herausgerissen
zu werden.
Vorder- und Hinter-Rüssel unterscheiden sich demnach wesentlich hinsichtlich ihrer Funktionen:
ersterer stellt das eigentliche Bohrwerkzeug, letzterer aber nur einen Fixationsapparat dar. Dementsprechend
sind denn auch die Haken beider Regionen in Form und Grösse sehr verschieden. Die
vordere Partie trägt grosse, kräftige Haken mit krallenartigen, stark zusammengebogenen Dornfortsätzen,
die sehr geeignet sind, bei einer drehenden Bewegung ein Zerreissen des darüber befindlichen Gewebes-
herbeizuführen. Auf der hinteren Rüsselhälfte findet man kleinere Dornen mit geraden, meist unter einem
Winkel von 45° nach hinten geneigten Stacheln, die bei jedem Zuge, der auf den Körper ausgeübt
wird, mit grösser Leichtigkeit in das Darmgewebe einzudringen vermögen.
Die Thätigkeit der rücklaufenden Refraktoren wird gewissermassen durch die Kontraktion des-
Ringfasernetzes unterstützt, insofern nämlich durch die Zusammenschnürung das Ausheben der Haken
und somit auch die Verkürzung des Rüssels erleichtert wird.
Man sieht hieraus, dass dieser Mechanismus, der von morphologischem Standpunkte aus eine sehr
nebensächliche Rolle spielt, für die Existenz der Echinorhynchen von ganz enormer Bedeutung ist, da
er sie in den Stand setzt, nicht nur aussergewöhnlich tief in die Darmwandungen einzudringen, sondern
unter Umständen sogar den Darm zu verlassen und in der Leibeshöhle oder den angrenzenden Gewebspartien
Wanderungen zu unternehmen. Dass in der That die eben ausgesprochene Behauptung vollkommen
zutreffend ist, geht daraus hervor, dass der Ausfall der rücklaufenden Retraktoren eine völlige-
Umgestaltung des Rüsselapparates zur Folge hat. Das einzige, aber sehr typische Beispiel dieser Bildung
liefert uns Echinorhynchus gigas.
Durch die eigenthümliche Insertion des Receptaculum an der dritten Hakenreihe zerfällt der Rüssel
auch hier in zwei von einander unabhängig bewegliche Partien, von denen die vordere in der oben beschriebenen
Weise als Bohrwerkzeug, die hintere als Fixationsapparat Verwendung findet.
Die vordere Rüsselhälfte umfasst circa 18 Haken, die in drei Spiralgängen alternirend übereinander
stehen. Zur Aus- und Einstülpung dienen das Receptaculum und die Retractores proboscidis.
Ausserdem aber können auch die Haken sich selbstständig bewegen, ohne dass die letztgenannten
Muskeln in Mitleidenschaft gezogen werden. Es geschieht dies durch jene Ringfaserplatte an
der Rüsselspitze, die ihre Wirkung vermittelst einer derben Sarkolemmamembran auf die Haken
überträgt.
Bekanntlich ist Echinorhynchus gigas die einzige Spezies, deren Haken mit zwei wohl entwickelten
Wurzelfortsätzen ausgestattet sind. Der vordere dem Dorne gleichgerichtete — Wurzelast ist nur
klein und vollständig in dem die Hypodermis begrenzenden Sarkolemma vergraben. Die hintere, schlank
cylindrische Wurzel ragt frei über die innere Grenzfläche hervor und senkt sich mit ihrem Ende in
die von der Ringfaserplatte herabhängende Sarkolemmamembran ein (s. Tafel 10, Fig. 11 Rr). Ein jeder
Haken repräsentirt demnach einen zweiarmigen Hebel, der um den vorderen Wurzelast auf und abgedreht
werden kann.
Durch die Kontraktion, beziehentlich die Elasticität der Ringfaserplatte wird die Sarkolemma-
membran sammt den in ihr befestigten Wurzelenden emporgehoben. Die Dornfortsätze machen dabei
-eine Drehbewegung, infolge deren die nach vorn gekehrten Spitzen herabgedrückt werden. Auf diese
Weise wird der halbkugelförmige Rüsselkopf zu einem Bohrwerkzeuge, mit dessen Hilfe Echinorhynchus
gigas' mindestens die gleichen Leistungen erzielen kann, wie die übrigen Arten mit ihren langen,
zahlreiche Hakenreihen aufweisenden Rüsseln.
Die hinteren drei oder vier Hakenreihen dienen als Fixationsapparat. Da sie aber hinter dem
Insertionsringe des Receptaculum liegen, so müsste eine jede Kontraktion der Retractores proboscidis,
-die, wie ich dies gelegentlich erwähnt habe, fast immer von einer Verkürzung der Retractores
receptaculi begleitet ist, eine Einstülpung und somit auch eine Loslösung dieser letzen Hakenreihen zur
Folge haben. Dieser schädliche Einfluss wird bei Echinorhynchus gigas vollständig eliminirt durch das Auftreten
von vier kräftigen Längsmuskelbändern, die von der Rüsselbasis herab hängen und an dem hinteren
Ende der Scheide sich anheften. Die Kontraktion dieser schon von W e s tru mb als Protrusores bezeichneten
Muskeln wird das Receptaculum gleich einem Stempel nach vorn gegen den Scheitel des Haftorganes
.andrängen und ein Ausheben der letzten Hakenreihen verhindern.
Die Einstülpung der hinteren Rüsselhälfte besorgen bei Echinorhynchus gigas die Retractores
receptaculi.
Unter allen denjenigen Muskeln, die den Rüsselapparat der Echinorhynchen zusammensetzen,
.sind wohl die Retractores colli die einzigen, die zu den verschiedensten Verrichtungen Verwendung finden.
Ihre Hauptbestimmung beruht zweifellos darin, den Hals zurückzuziehen und den Vorderkörper
von der Halsbasis aus einzustülpen. Es ist dies für die meisten Arten um so nothwendiger, da selbige
nicht nur mit dem Rüssel, sondern auch mit dem Halse und Vorderleibe in die Darm Wandungen ihrer
Wirthe einzudringen pflegen.
Ausserdem können aber die Retractores colli zu mancherlei anderen Dienstleistungen herangezogen
werden, e So sehen wir bei Echinorhynchus angustatus und Echinorhynchus haeruca sie an den Seiten in
zrwei Blätter zerfallen, welche die muskulöse Umhüllung der Lemnisken abgeben und die wohl als
Compressor lemniscorum bezeichnet werden dürften. Da die Retractores colli in diagonaler Richtung
zwischen der engeren Halsbasis und der Leibeswand sich ausspannen, so muss ein jeder Druck der
zähen, gegen den Leib andrängenden Kothmassen eine Dehnung der Retractores colli und somit auch eine
Verengerung der Compressores lemniscorum zur Folge haben. Der Druck des Lemniskenmantels theilt
sich der die Gefässe erfüllenden Flüssigkeit mit, die in Folge dessen aus dem halsartigen Vordertheile
der Lemnisken in das grosse Ringgefäss an der Halsbasis überströmt. Von hier aus verbreitet sich die
Flüssigkeit über das Gefässystem des Halses und Rüssels und bewirkt ein Auseinanderweichen der beiden
Wandungen, wodurch das, zwischen dem Hakenfortsatze und der Rüsselhaut befindliche Gewebe eingeklemmt
und hierdurch der Rüssel vor einer plötzlichen Loslösung von der Darmwand geschützt wird.
Bei der Mehrzahl der Arten stehen die Lemnisken in gar keiner näheren Beziehung zu den
Retractores colli. Man beobachtet dann am Rüssel, am Halse oder auch am Vorderleibe eigenartige, je
nach der Grösse des Wurmes bald grössere, bald kleinere Anschwellungen, die nach erfolgter Befestigung
•ein Ablösen des Thieres von der Darmwand völlig ausschliessen. Sehr verbreitet scheinen besonders die kugel-
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