Eine treffliche, ausführliche Beschreibung des so komplizirten Muskelapparates, welcher die Bewegung
des Rüssels und Halses bei Echinorhynchus gigas bewirkt, verdanken wir A. S c h n e i d e r 1):
Der Rüsselsack des Riesenkratzers besteht aus zwei Schichten, welche sehr verschiedenartig gebaut
sind. Die äussere Schicht besteht aus einem Gewebe, welches, abgesehen von seiner sackförmige»
Gestalt, ganz wie die Muskelplatten beschaffen ist. Ausser den vielen kleineren Maschen besitzt er aber
vier grössere, länglich ovale Oeffnungen, durch die sein Lumen mit der Leibeshöhle kommunizirt. Dte
Insertion dieses Rüsselsackes liegt hinter der sechsten, letzten Hakenreihe. Die innere Rüsselscheide wird,
von einem ventral tief ausgeschnittenen Muskelsacke gebildet, der von querlaufenden Fibrillen dieht
erfüllt ist. Das ausgeschnittene Stück ist mit einer Muskelplatte von der gewöhnlichen Textur bedeckt,,
welche die Umrisse eines Köchers besitzt. Der innere Rüsselsack wird nach vorn durch einen festen,
hornartigen Ring vervollständigt, welcher sich an die Leibeswand dicht hinter der dritten Hakenreihe
änsetzt.
Der Retractor proboscidis entspringt in der Rüsselspitze, durchbohrt, indem er sehr dünn wird,,
den Rüsselsack und inserirt sich an der Leibeswand. Bei Echinorhynchus gigas durchbohrt der dorsale
Retraktor an einer Stelle den inneren Rüsselsack und spaltet sich dann in zwei Bündel, welche sich getrennt
inseriren, während der ventrale Retraktor an zwei Stellen den inneren Rüsselsack durchbohrt,,
allein, indem sich beide Bündel vereinigen, als ein einfacher Muskel sich inserirt.
Der Compressor lemnisci hat die Gestalt des Mantels eines abgestumpften Kegels. Mit seinem
Vorderende inserirt er sich dicht hinter den Wurzeln der Lemnisken, mit seinem Hinterende weiter
hinten, speziell bei Echinorhynchus gigas auf der dorsalen Fläche so, dass die spitzen Ausläufer seiner-
Muskelcylinder sich noch zwischen den queren Ausläufer der Kernschnur und die Längsmuskulatur ein-
schieben, auf der ventralen Seite ungefähr in einer entsprechenden Linie. Dieser Kegelmantel ist entweder
(z. B. bei Echinorhynchus angustatus) vollständig geschlossen oder er zerfällt (z. B. bei Echinorhynchus
gigas) in einen rechten und linken Theil, deren jeder eine Zelle mit einem Kerne darstellt. An seinem.
Hinterrande ist der Muskel lateral, tief bogenförmig ausgeschnitten.
Dieser Kegelmantel gibt die muskulöse Hülle der Lemnisken ab. Und zwar geschieht dieS-
nach zwei Modifikationen. Entweder liegt der Lemniskus in der Fläche des Mantels, indem der letzter^
in der lateralen Linie in zwei Blätter auseinander tritt, zwischen welche dann von vorn her der
Lemniskus hineingewachsen ist. So bei Echinorhynchus haeruca, angustatus u. a. Oder der Lemniskus
stülpt sich von aussen her in den Compressor und nimmt, indem er frei über die Fläche desselben nach
innen tritt, einen muskulösen Ueberzug mit, in der Weise, wie man sich wohl die serösen Hülle»
gewisser Organe gebildet denkt. Dies ist z. B. bei Echinorhynchus sphaerocephalus, gigas, tuberosus und
anderen der Fall.
Der Rüsselsack der kleineren Arten setzt sich nach L e u c k a r t 2) fast immer aus zwei dicht aufeinander
liegenden, aber scharf getrennten Schichten zusammen. Im Grunde genommen lässt sich eine
jede dieser beiden Schichten als eine cylindrich eingerollte Muskelplatte betrachten, die von zahlreichen kurze»
und engen Spalten durchbrochen wird. Da letztere sammt und sonders die gleiche Richtung einhalten,..
*) Archiv für Anatomie und Physiologie, 1868, pag. 589—591.
2) Die menschlichen Parasiten. 2. Bd. 1876. pg. 752—764.
«o ist das Aussehen nahezu dasselbe, wie in der Körpermuskulatur, nur dass die Spalten der Rüsselscheide
kleiner und zahlreicher sind. In der Regel sieht man die Spalten in schräger Richtung von oben und
.rechts nach unten und links, also läotrop, um die Rüsselscheide herumziehen. Doch gibt es auch Arten,
in denen diese Anordnung dahin modifizirt ist, dass die Spaltrichtungen an der Bauchfläche dachartig
^aufeinander stossen {Echinorhynchus porrigens). Die Fibrillenzüge folgen natürlich der Richtung der
.Spalten resp. den dazwischen hinziehenden Muskelsträngen. Sie verlaufen also gleichfalls läotrop. Bei
'^oberflächlicher Einstellung des Tubus erkennt man jedoch noch eine dünne Lage von Fibrillen, welche
•die läotropen Züge unter spitzem Winkel kreuzen, also gerade die entgegengesetzte Richtung einhalten.
Und nicht bloss der äussere Sack ist es, welcher diese Fibrillen erkennen lässt, sondern ebenso
-der innere, so dass sich auch in dieser Hinsicht eine vollständige Uebereinstimmung der beiden Schichten
herausstellt. Der Retractor proboscidis setzt sich aus 18—20 weiten Muskelröhren zusammen, die geraden
Weges durch die Rüsselseheide hinziehen und nur an dem unteren Ende damit in Verbindung treten.
Aber alle diese Fasern reduziren sich auf nicht mehr als vier Muskelzellen, die sich in einem früheren
Entwickelungsstadium als einfache Schläuche darstellen lassen und auch im ausgebildeten Thiere noch in
•den vier bläschenförmigen grossen Kernen ihre Spuren hinterlassen.
Die sonst ganz allgemein vorhandene Schichtung des Rüsselsackes ist bei Echinorhynchus gigas
weggefallen. Allerdings spricht S c h n e id e r auch bei dem Riesenkratzer von einem äusseren und
inneren Rüsselsacke, aber das, was e r' mit ersterem Namen bezeichnet, hat anatomisch mit der
Aussenlage des Receptaculum, der es verglichen wird, eine nur oberflächliche Aehnlichkeit und ist histologisch
von derselben durchaus abweichend. Weit entfernt, eine dicht aufliegende, geschlossene Röhre
verfilzten Muskelgewebes zu sein, besteht dieses Gebilde aus vier, ursprünglich isolirten platten Muskeln,
■die in einiger Entfernung von der Insertion des eigentlichen Rüsselsackes aus der Körperwand sich ab-
lösen, auch ganz den Bau der gewöhnlichen Körpermuskeln besitzen, der Aussenfläche des Recepta-
•culum locker aufliegen und schliesslich an das hintere abgerundete Ende desselben sich festsetzen.
Die Muskulatur des inneren Rüsselsackes reicht nicht bis zur Innenfläche des Rüssels, sondern
ist durch ein elastisches Polster davon getrennt, das sich an Stelle derselben in den Bindegewebsüberzug
•einlagert.
Bei Echinorhynchus strumosus und Echinorhynchus porrigens finden sich zwei symmetrisch entwickelte
Muskeln, die von den Seitentheilen der Rückenfläche durch die vordere Leibeshöhle hindurch
nach abwärts laufen) um schliesslich an der hinteren Hälfte der Rüsselscheide sich zu befestigen, Sie
’ bilden gewissermassen eine Schlinge, die den hintern Theil der Rüsselscheide emporhebt und den nach
•aussen hervorragenden Rüssel begreiflicher Weise nach abwärts bewegt.x)
B a l t z e r 2) entdeckte, dass die äussere Rüsselscheide des Echinorhynchus proteus sich aus zwei
Halbcylindern zusammensetzt, die in den Laterallinien auf einander stossen und hier durch zwei deutlich
sichtbare Suturen mit einander verbunden werden. Der innere Rüsselsack besteht aus einer einheitlichen
Muskelmasse und wird von den Fasern des Retractor proboscidis ausgefüllt. In der Nähe der Rüssel-
•spitze strahlen die letzteren auseinander und verlaufen dann längs der Innenwand bis zur Ansatzstelle
*) Die menschlichen Parasiten, Bd. 2, pag 753—1
a) Archiv für Naturgeschichte, 1880, pag. 20—25.
64. Fig. 360 bis Fig. 366.