An eine Bestimmung der Kratzer nach den Thierformen, in denen sie parasitisch leben, wie wir
dies bei G o e z e , G m e lin , D u ja rd in finden, dürfte man nach dem heutigen Stande unserer Wissenschaft
wohl kaum noch denken. Zwar finden wir bei den einzelnen Vertebraten — auf diese scheint
sich der Parasitismus der ausgebildeten, geschlechtsreifen Echinorhynchen zu beschränken — immer bestimmte
Kratzer, deren Existenz an die spezifischen Darmsäfte, wohl auch an die Körperwärme des betreffenden
Wirthes gebunden sein mag. Aber der Schluss, dass die Zugehörigkeit zweier Wirthe zu
verschiedenen Thierklassen auch eine wesentliche Formdifferenz der in ihnen schmarotzenden Kratzer
bedinge, ist keineswegs begründet. Als Beweis mögen die in ihrem Baue sich so nahestehenden Kratzer,.
Echinorhync-hus haeruca und Echinorhynchus angustatus dienen, von denen ersterer in Amphibien (Rana),
letzterer hingegen nur in Fischen (Perca, Esox) angetroffen wird. Andererseits kann ein und dieselbe-
Spezies, ja bisweilen sogar dasselbe Individuum sein heterogene Arten beherbergen. So z. B. finden
wir im Esox lucius Echinorhynchus proteus und den Echinorhynchus angustatus.
Nicht minder unbrauchbar sind die Form- und Gestaltsverhältnisse, die Rüssel und Hals aufweisen
und von Z e d e r , R u d o lp h i , W e s trum b , D ie s in g zur Speziescharakterisirung verwandt
wurden. Schon der Umstand, dass die Gestalt des retractilen Rüssels von dem Kontractionszustande der
die Innenfläche auskleidenden Muskelmassen abhängig ist, wird den Werth dieses Kriteriums sehr problematisch
erscheinen lassen.
Späterhin ist von verschiedenen Forschern, so besonders von D i e s in g , der Versuch gemacht
worden, die Anordnung der Haken zu Querreihen bei der Speziesbestimmung zu verwerthen. Für eine
Anzahl von Arten — es sind dies hauptsächlich solche mit kugelförmigem Rüssel — ist die Reihenzahl
ziemlich konstant. Untersuchen wir aber die übrigen Spezies auf dieses Merkmal hin, so werden wir
bald auf unüberwindliche Hindernisse stossen. Es existiren nämlich Echinorhynchen, bei denen die
Zahl der Hakenquerreihen ganz enormen Schwankungen unterworfen ist. Ich will hier nur, um eine
von den mir genau bekannten Arten zu wählen, an Echinorhynchus angustatus erinnern, bei dem in
einigen Fällen nur 8, in anderen Fällen aber bis zu 24 Querhakenreihen gefunden wurden.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass weder die Gestalt des Rüssels und Halses, noch die Anordnung
der Haken zu Querreihen für eine endgültige Unterscheidung der Spezies geeignet ist.
Dafür haben wir aber, abgesehen von den allgemeinen, etwas variabeln Formverhältnissen des-
Leibes, in der Gestalt und der Anordnung der Haken, beziehentlich der verschiedenen Hakenarten, sowie
in der Anzahl der Hakenlängsreihen treffliche Kriterien, die unveränderlich jedem Individuum derselben
Art zukommen, während sie in der Reihe der Kratzer mannigfaltige und oftmals sehr auffallende-
Untersehiede erkennen lassen.
Auf diese äusserst wichtigen Speziescharaktere möchte ich, bevor ich zu meinem eigentlichen
Thema übergehe, für die von mir auf die anatomischen und histologischen Verhältnisse hin eingehender
untersuchten neun Arten mit einigen Worten hinweisen.
Echinorhynchus gigas, Goeze.
Der Riesenkratzer ist die grösste sämmtlicher bekannter Arten. Besonders ist es der weibliche-
Körper, der durch seine mächtige Entwickelung sich auszeichnet. Die Länge der geschlechtsreifen,,
begatteten Weibchen schwankt zwischen 100 und 650 mm. Der Leib ist drehrund und erreicht in dem
vorderen Dritttheile seine grösste Dicke (6—12 mm). Nach hinten nimmt er ganz allmählich ab, so dass
der die Uterusglocke einschliessende. Schwanz nur noch 2 bis höchstens 3 mm Durchmesser aufweist.
Die weibliche Genitalöffnung liegt in der Achse des Körpers am äussersten Schwanzende und stellt einen
sehr kleinen kreisrunden Porus vor.
Nur in der Jugend sind die Weibchen prall und walzenrund. Mit zunehmendem Alter collabiren
sie und erscheinen alsdann als schmale, von unzähligen Querrunzeln durchfurchte Bänder.
Die Männchen stehen an Grösse den Weibchen um ein Beträchtliches nach. Ihre Länge beträgt
je nach dem Alter 6 bis 10 cm. Sie sind stets drehrund und vorn (3—4 mm Durchmesser) nur wenig
dicker als hinten (2—3 mm Durchmessser), Das letzte Schwanzstück schwillt zu einer ovoiden Verdickung
an, welche die helmförmige, eingestülpte Bursa copulatrix umschliesst. Die männliche Genitalöffnung
liegt an der gleichen Stelle wie die weibliche und wird von einem engen, in dorso ventraler
Richtung verlaufenden Spalte gebildet. Die Farbe der lebenden Riesenkratzer ist meist eine hellgelbe
oder eine röthlichweisse. Nur sehr selten findet man Individuen, deren Haut braun oder graugrün tingirt
ist. Ich halte dies für eine secundäre Erscheinung, die offenbar mit der Beschaffenheit des Darminhaltes
des betreffenden Wirthes in engstem Connexe steht.
Der Vorderleib geht in beiden Geschlechtern ziemlich plötzlich in einen kurzen, konischen
Halsabschnitt über. Die Länge des Halses beträgt bei den ausgewachsenen Individuen 520—550 u, der
Durchmesser der unteren Basis 750—780 /.i, der.der oberen Basis aber nur 520—530 ,u. Diese letztere
ist es nun, welche den vollkommen sphärischen Rüssel trägt. In Anbetracht der Grösse unserer Würmer
ist der Rüsselknopf, der bekanntlich das einzige Fixationsorgan bildet, sehr klein; sein Quermesser
erreicht kaum die Grösse eines Millimeters. Die Haken sind, ebenso wie bei allen andex*en Acauthocephalen-
spezies, alternirend in Längs- und Querreihen angebracht. Wie dies schon hervorgehoben worden ist,
ist die Zahl der Längsreihe constant; sie beträgt für Echinorhynchus gigas 12. Die Querreihen, deren
jede also von 6 Haken gebildet wird, sind meistens in der Sechszahl, seltener in der Fünf- oder Siebenzahl
vorhanden.
Der Riesenkratzer ist die einzige Species, deren Rüssel mit zweiwurzeligen Haken bewaffnet ist.
Durch ihre Form und Bildung erinnern dieselben lebhaft an die gleichnamigen Haftorgane der Tänien.
Der kräftige, krallenförmig gebogene Haken läuft in eine starke Wurzel aus, welche zwei sehr ungleich-
massig entwickelte Fortsätze erkennen lässt. Während nämlich der v&rdere derselben nur wenig
ausgebildet ist und zur Wurzelbasis fast senkrecht ab füllt, repräsentirt der hintere Wurzelast einen dicken
cylindrischen Zapfen, welcher den Haken an Länge sogar um ein Weniges übertrifft. Da nun die
Kenntniss der Hakenform für die exacte Bestimmung der Species von enormer Wichtigkeit ist , so habe
ich auf Tafel 6 zwei Abbildungen (9 und 10) gegeben, die wohl besser als irgend welche dataillirte
Beschreibung die Gestaltsverhältnisse veranschaulichen werden.
Da die Grösse der Haken in den verschiedenen Querreihen nicht die gleiche ist, so will ich in
folgender Tabelle eine vergleichende Zusammenstellung der Maasse dreier übereinanderliegender
Haken geben:
Blbliotheca zoologioa. Heft VII. 2