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V o r w o r t .
Wer sich mit den Infusorien eingehend beschäftigt hat, wird zugeben, dass unsere Kenntnisse ihrer
Organisation noch vieles zu wünschen übrig lassen. Ein genaueres Studium der Bauverhältnisse der ciliaten
Infusorien erscheint erwünscht, nicht etwa wegen der Möglichkeit einer Ableitung der Metazoen von denselben,
sondern aus einem ganz anderen Grunde, welchen ich zu erörtern versuchen werde.
Wie die Säugethiere und Insekten die höchste Stufe zweier verschiedener, jedoch von gemeinsamen
Ahnen, abstammender Phylen der Metazoen einnehmen, behaupten auch die Infusorien eine entsprechende
Stellung im Phylum der Protozoa. Während aber die höheren Metazoen für die verschiedenen physiologischen
Verrichtungen höchst complicirte Organe entwickelten, übernahm bei den Protozoen, das Piasma einer einzigen
Zelle alle physiologischen Functionen und differenzirte sich aus diesem Grunde mannigfaltigst. So entstanden
auf der morphologischen Grundlage einer Zelle, durch fortgesetzte Differenzirung des Plasmaleibes Einrichtungen
für Bewegung, Nahrungsaufnahme und Vertheidigung, welche besonders bei den ciliaten Infusorien
ihren Höhepunkt erreichen. Hier treten uns Organismen entgegen, deren physiologische Leistungen denen
der Metazoen gleichzusetzen wären; dagegen behalten sie morphologisch den Werth einer Zelle bei. Letzteres
dökumentirt sich besonders deutlich zur Zeit der Fortpflanzung, welche vollkommen als Zelltheilung. verläuft.
Von diesem Gesichtspunkte aus würde das Interesse der Infusorienforschung zunächst dahin gehen,
die verschiedenen, zur Verrichtung gewisser physiologischer Functionen angepassten Einrichtungen kennen zu
lernen, welche uns die zahlreichen Arten darbieten. Nun sind aber diese Organe, wenn man sie so nennen
darf, in keiner Ordnung der ciliaten Infusorien zu mannichfaltigeren Ausbildung gelangt, als bei den
holotrichen Infusorien, unter deren Vertretern wir einen allmählichen TTebergang von ganz einfach gebauten,
resp. ursprünglichen zu hoch differenzirten Formen antreffen.
Die Feststellung oder genaue Kenntnis dieser Organisationsverhältnisse bildet aber nicht den Zweck
und das endliche Ziel der Infusorienforschung; die durch Beobachtung gewonnenen Thatsachen sind blos
Mittel, welche weitere Schlüsse ermöglichen. Es entsteht zunächst die Frage, auf welche Weise diese Organe
durch fortwährende Plasmadifferenzirung entstanden sind und weiterhin vervollkommnet wurden.
Die Lösung dieser Frage ist auf zweifachem Wege zu erreichen: entweder durch phylogenetische und
ontogenetische Studien oder durch vergleichend anatomische Untersuchungen. Da wir aber bei den Infusorien,
wegen vollkommenen Mangels an paläontologischen Kesten, durchaus keine empirischen Belege für die
Phylogenie besitzen und nur theilweise von einer Öntogenie reden können, so sind wir ausschliesslich auf
Bib lio th o o a zoologica. H e f t 8. • 1