Man sieht, dass auch da, wo einzelne Ziffern einander nahe kommen, doch der Unterschied in
der Form deutlich ausgeprägt bleibt, indem bei PL frut. die Breite der Statoblasten überall beträchtlich
hinter der halben Länge zurückbleibt, bei emarg. aber über dieselbe hinausgeht.
Für wichtig halte ich ferner den Umstand, dass die zweite Art von Statoblasten, jene nämlich,,
welche in den Cystidröhren festliegen, bei unsern Formen eine über Erwarten differente Bildung aufweisen..
Ein Blick auf Taf. I, Fig. 14 u. 15, deren zweite die bisher unbekannten Statoblasten der Pl. frut.*)
darstellt, mag dies bestätigen. Form und Grösse sind überaus verschieden. Bei emarg. ist das Verhältnis
der Länge zur Breite etwa 42:32 ¿u**), bei frut. 64:26. Verglichen mit den freien Statoblasten
zeigt sich bei frut. eine Abweichung nur bezüglich der Grösse, bei emarg. dagegen in sehr merklicher
Weise auch in der Form. Die festen Statoblasten ähneln hier vollkommen denen vori PL repens und
fungosa, nur dass sie entsprechend der geringeren Cystidweite kleiner sind. In der Abwesenheit des
Schwimmrings und in der Befestigung mittels einer chitinigen Kittmasse herrscht völlige Uebereinstimmung.
Anders bei Pl. fruticosa. Hier sehen wir einen Schwimmring von beträchtlicher Breite entwickelt, der
geradezu den Anschein erweckt, als ob er für jene Kittmasse einen Ersatz leiste. Indessen finden sich
auch hier die Chitinstreben, welche bei den angehefteten Statoblasten die Befestigung an der Unterlage
ins Werk setzen und, vom äussersten Rande der untern Fläche des Discus abwärts verlaufend, in einen Wall
von Kittsubstanz übergehen, den man in Fig. 14 in Form eines schmalen Bandes (k) an der Peripherie
hervorragen sieht. Bei Pl. fru t. wird derselbe vom Schwimmring .meist vollständig verdeckt. Dieser
besteht aus rudimentären, unverschlossenen Ghitinzellen, die an der nach oben gekehrten Seite***) besser
ausgeprägt sind als an der entgegengesetzten. Möglicherweise ist diese Ungleichheit darin begründet,
dass die der Cystidwand benachbarten Schwimmringzellen sich activ an der Festleimung betheiligen,
was auch für die übrigen Formen gelten könnte, nur mit dem Unterschied, dass dort der grösste Theil
des Schwimmrings ganz unterdrückt wird.
Diese so eigenthümliche Bildung der angehefteten Statoblasten von PL fruticosa scheint mir
im Verein mit den sonstigen Charakteren der Form bedeutsam genug, um die Trennung der beiden.
Arten zu rechtfertigen.
Pl. emarginata entwickelt sich bisweilen zu typisch fungoiden Formen. Ich kenne dieselben
nur aus der Beschreibung Kraepelins, der auch die Maasse der Statoblasten angiebt. Danach sind diese-
kaum von denen der gewöhnlichen Kolonien verschieden, so dass beim Mangel sonstiger Differenzen
die var. spongiosa Kraep. in der That nur eine Wachsthumsform der emarginata darstellen dürfte.
Wir hätten hier also ein ähnliches Verhältnis vor uns, wie es zwischen PL repens und Pl. fungosa
besteht, nur gleichsam auf einem früheren Stadium. Die Trennung der Formen, die,dort schon weit,
vorgerückt ist und zu heteromorphen Bildungen selbst in der Jugend geführt hat, erscheint hier erst,
angebahnt, indem sich lediglich Unterschiede im Habitus der definitiven Kolonien ergeben haben.
In völligem Einklang mit Allmans Angaben fand ich PL emarginata vorzugsweise in rasch
fliessenden Bächen, Pl. fruticosa in ruhigen Teichen.
*) Kraepelin hat dieselben wohl ebenfalls gesehen, da er 1. c. S. 120 von „merkwürdigen Zwischenformen zwischen
sitzenden und Schwimmrings-Statoblasten“ bei frut. spricht.
**) Die Kittmasse nicht einbegriffen. Mit derselben ungefähr 46:36.
***) Diese Seite entspiicbt der untern der schwimmenden Statoblasten.
6. Fredericella sultana Blumenbach.
Im Preiler Teich und.im Pregel bei Königsberg; in der Alle bei Wehlau; in der Angerapp
oberhalb Darkehmen; stellenweise häufig. Juni bis Oetober.
Diese interessante Gattung der Phylactolaemen schliesst sich in jeder Beziehung so eng an die
vorige, dass es kaum verständlich ist, wie Kraepelin sie mit einiger Gewissheit als Uebergangsform
zwischen Plumatella und die weit entfernte Paludicella meinte stellen zu können.
Er beruft sich dabei*) auf die Kleinheit der Polypide, die Zahl der Tentakeln, die Form des
Lophophors und die „primitive“ Ausbildung der Statoblasten — Argumente, von denen höchstens das
letzte ernsthaft zu nehmen ist, obwohl auch hier die Thatsache, dass Paludicella der Statoblasten
überhaupt entbehrt und für die Homologie dieser Körper mit den Winterknospen bisher auch nicht
die Spur eines Beweises beigebracht worden ist, von vorn herein in die Wagschale fällt.
Die Kleinheit der Polypide anlangend, die von PL fruticosa z. B. gar nicht so sehr verschieden
ist, so könnte dieselbe zwar in Betracht gezogen werden, wenn es auf Grund anderer Erscheinungen
gelungen wäre, die Abstammung der Fredericella von Paludicella wahrscheinlich zu machen; sie aber in
Ermangelung solcher geradezu für diesen Zweck auszunutzen, das dürfte denn doch so lange verfehlt
sein, als die verwandtschaftlichen Beziehungen metazoischer Thierformen nicht nach dem Volumen der
letzeren zü eruiren sind.
Die Zahl der Tentakeln ist bei Paludicella nach Allman 16, Kraepelin hat Exemplare mit 18
beobachtet. Ich habe an wohlgebildeten Individuen von Fredericella 17 Tentakeln gezählt, Allman
und Kraepelin nennen 24; 20 bis 22 mag der Durchschnitt sein. So müssten denn Paludicella und
Fredericella einander ganz ausserordentlich nahe stehen. Die Zahl der Tentakeln ist ja ein' leicht variables
Merkmal, das nicht nur innerhalb der Phylactolaemen-Gruppe von 17 bis gegen 90 steigt, sondern sogar
bei der einzelnen Species in Grenzen von fast einem Drittel des Gesamtbetrages schwankt. Und Fredericella
zeigt doch gegenüber Paludicella nur eine Vermehrung um etwa ein Viertel, während die Plumatdlen
die Zahl der Fredericella um das Anderthalbfache übertreffen. . Wie eng verbunden, sollte man also
meinen, müssen Fredericella und Paludicella sein, wenn die Tentakelzahl einen Masstab für das Verwandtschaftsverhältnis
bietet. — Aber das Absurde solcher Beweisführung liegt auf der Hand. Gerade wenn
man die Consequenzen derselben zieht, wird es klar, wie sehr die Tentakelzahl an Bedeutung hinter
anderen Charakteren zurücksteht, ja wie nebensächlich und abhängig sie ist. Kraepelin selbst hat die
Bemerkung gemacht, dass „die Körpergrösse der Polypide fast im geraden Verhältnis mit der Zahl
der Nahrung zuführenden Tentakeln wächst“, beide also in ihrer Ausbildung gleichen Schritt halten.
Und so sehr dies zuzugeben ist, so folgt doch daraus unmittelbar, dass die Zahl der Tentakeln nicht
mehr und nicht minder die Verwandtschaft der Formen zu begründen vermag, als es die Kleinheit der Polypide
that, dass sie. überhaupt nicht als neuer Factor in der Reihe derjenigen anzusehen ist, welche mit Recht
oder Unrecht für die Abstammung der Fredericella von Paludicella ins Feld geführt werden können.
Die Form des Lophophors ist bei Fredericella insofern von der der übrigen Phylactolaemen verschieden,
als die Arme verkürzt sind. Sonst herrscht in Allem und Jedem völlige Uebereinstimmung.
Ich werde unten ausführlich darauf zu sprechen kommen, dass alle Merkmale, welche den Lophophor