nach Anlage der Tentakelrinnen schwindet. Die vier Aurikel erscheinen als Ansbnchtungen der subtentakularen
Rippen und Gefässe nach Vereinigung der Meridionalgefässe.
Junge, in voller Geschlechtsreife befindliche Larven bedurften in den Gläsern acht bis neun Tage,
um nach Rückbildung der Geschlechtsprodukte zu jungen Bolinen von 1,5—2 cm Grösse sieh zu entwickeln.
Fig. 8 stellt eine Bolina in natürlicher Grösse dar, welche nach 9 Tagen die Metamorphose aus einer
geschlechtsreifen Larve zu der jungen,, noch mit larvalen Fangfäden versehenen, gelappten Ctenophore
sich entwickelt hatte. Die in Fig. 7 dargestellte Larve bedurfte nur 3 Tage zur Vollendung ihrer
Metamorphose.
Durch diese Beobachtungen ist der Nachweis erbracht, d a ss d i e c y d i p p e n f örm i g e n
g e s c h l e c h t s r e i f e n La r v e n d e r g e l a p p t e n Ct e n o p h o r e n n a c h Ab l a g e b e f r u c h t e t e r
E i e r e i n e Rü c k b i l d u n g d e r Ge s c h l e c h t s p r o d u k t e e i n l e i t e n u n d s ich zu a u s g e b i l d e t e n
g e l a p p t e n Ct e n o p h o r e n we i t e r e n t w i c k el n . Die histologischen Vorgänge bei Entwicklung
und Rückbildung der Sexualprodukte werde ich an anderer Stelle ausführlich schildern.
Da nun andererseits frei gefischte Bolinen schon bei einer Grösse von 2,5 3 cm wiederum
geschlechtsreif gefunden wurden (die Sexualorgane werden in allen 8 Rippen in dem zwischen zwei
Schwimmplättchen verlaufenden Gefässabschnitt gebildet), so 1 ie;gt h i e r d e r me r kwü r d i g e F a l l ,
e i n e r d o p p e l t e n g e s c h l e c h t l i c h e n T h ä t i g k e i t e ines u n d d e s s e l b e n Th i e r e s v o r , d i e
d u r c h e i ne c omp l i c i r t e Me t amo r p h o s e u n t e r b r o c h e n wird.
Unter den durch eine Vermehrung im Larvenleben charakterisirten Entwicklungserscheinungen
möchte man als analoge Fälle am ehesten noch die bekannte Geschlechtsreife des ßiredon 'pisciformis und
die als Paedogenesis von Ba e r bezeichneten Fälle anziehen. Allein die Entwicklung der Bolina deckt
sich doch nicht mit den genannten Erscheinungen. Ein gesehlechtsreifer Axolotl verwandelt sich nicht
mehr in ein Amblystoma und andererseits beziehen sich die Fälle von Paedogenesis auf ungeschlechtliche
Thätigkeit von Larven.
Ich glaube indéssen nicht fehl zu gehen, wenn ich bei der Fortpflanzung der gelappten Ctenophoren
den hauptsächlichen Nachdruck auf die doppelte geschlechtliche Thätigkeit — im Larvenleben
sowohl wie im entwickelten Zustande — lege und für diese Fortpflanzungsform die Bezeichnung
Di s s o g o n i e “ in Vorschlag bringe. Ich freue mich, in dieser Hinsicht mich auf die Autorität von
L e u c k a r t berufen zu können, der mir brieflich die Ansicht aussprach, dass man auch durch Schaffung
eines eigenen Ausdrucks den Unterschied von der Pädogenesis zu betonen habe. Die Fälle einer
Dissogonie sind von jenen der Heterogonie scharf dadurch geschieden, dass dasselbe Thier, welches als
Larve Samen und Ei producirte, nicht abstirbt, sondern nach Rückbildung der Sexualorgane seine Metamorphose
zu der ausgebildeten Form durchläuft und in solcher wiederum zu geschlechtlicher Thätigkeit
sich anschickt.
Es bliebe somit nur noch das Schicksal der von den Larven abgelegten befruchteten Eier zu
erörtern. Dass sie sich zu Embryonen entwickeln, habe ich bereits von Eucharis nachgewiesen und
kann es ebenso für die Bolina bestätigen. Zwei Tage nach der Ablage schlüpfen dieselben aus und
lassen bereits am dritten Tage eine • charakteristische Schwellung der 4 subventralen Gefässe bemerken.
Am vierten Tage war es- unverkennbar, dass die Schwellung durch Bildung von Sexualprodukten bedingt
wurde. Wenn es mir nun auch nicht gelang, sie zur Eiablage zu bringen (es fällt schwer, den Larven
alle Bedingungen zu bieten, denen sie im freien Meere ausgesetzt sind), so darf doch als sicher angenommen
werden, dass auch sie wiederum denselben Entwicklungsgang durchlaufen, wie er soeben geschildert
wurde. Damit stimmt es denn auch, dass von August bis Ende Oktober lediglich geschlechtsreife Larven
in zahlloser Menge zur Beobachtung gelangten.
Bedenkt man, dass die zarten gelappten Rippenquallen das ganze Jahr hindurch an der Oberfläche
verweilen und, ungleich ihren nächsten Verwandten, nämlich den Costiden, nie die geschützten
Tiefen aufsuchen, so liegt der Nutzen einer Massenproduktion von Larven durch Dissogonie auf der
Hand. Es fragt sich nur, welche Einflüsse die Geschlechtsreife der Larven bedingen und auf welche
Weise im Laufe der Zeit eine Dissogonie zu Stande kam.
Zur Erklärung dieser Erscheinung möchte ich zwei Thatsachen anführen, die immerhin eine
gewisse Direktive abgeben. Zunächst ist zu bemerken, dass d e n Ce s t i d e n e ine Di s sog on i e
n i c h t zukommt . Obwohl sie ebenfalls cydippenförmige Larven besitzen, welche denen der gelappten
Ctenophoren zum Verwechseln ähnlich sehen, so war an keiner während des Sommers aus der Tiefe
gefischten Larve eine Schwellung der Gefässe zu bemerken. Der Aufenthalt in geschützten Regionen
und vor Allem die niedrige Temperatur in der Tiefe mögen einer frühzeitigen Geschlechtsreife nicht
günstig sein. Berücksichtigt man nun andererseits den Umstand, dass geschlechtsreife Larven im Winter
nicht Vorkommen, wie ich das früherhin von Eucharis nachwies, so ist klar, dass nu r un t e r dem
E i n f l u s s e r h ö h t e r T emp e r a t u r die Re i f e de r L a r v e n e i n t r i t t .
Es ist ja eine alte Erfahrung, dass erhöhte Temperatur eine frühe Reifung der Sexualorgane
begünstigt und speziell von Cölenteraten wird vielfach betont, dass z. B. Medusen geschlechtsreif
angetroffen werden, während sie noch, die Zahl der Radialkanäle, Randbläschen und Tentakel vermehren.
Ich könnte auch von anderen Cölenteraten derartige Beispiele anführen. So trifft man ganz junge Beroön
geschlechtsreif neben alten Exemplaren von mehr als zwanzigfacher Grösse, so werden unter den Sipho-
nophoren reife Geschlechtsprodukte gebildet, während sie noch larvale Fangfäden neben den definitiven
tragen. (Jugendstadien der Forshalia contorta und des Halistemma pictum). Ich besitze jugendliche
Formen der Pkysalia mit kirschkerngrosser Pneumatophore, welche männliche Gonophoren mit reifen Sper-
matozoen aufweisen | | t aber in all den hier erwähnten Fällen handelt es sich um frühe Geschlechtsreife,
die erst nach Ablauf der Metamorphose oder während der letzten Larvenstadien auftritt, ähnlich der
Geschlechtsreife von Tritonen mit äusseren Kiemen.
Bei den gelappten Ctenophoren handelt es sieb jedoch um eine bis zum Extrem gediehene frühzeitige
Geschlechtsreife, die gleich nach dem Verlassen der Eihülle v o r Beg i nn e i n e r Me t amo r phos
e eintritt. Kaum ist die Larve im Stande Nahrung selbständig aufzunehmen, so beginnen auch die
vier zu Zwitterdrüsen umgewandelten Gefässe mächtig zu schwellen. Man könnte sich nun vorstellen, dass
die Ansprüche, welche durch eine tiefgreifende Metamorphose gestellt werden, die Rückbildung der Sexualorgane
bei älteren Larven bedingen. Allein dann wäre zu erwarten, dass Larven, welche reichlich
Nahrung aufzunehmen vermögen — meist ist sie ihnen ja überreich durch die Copepodenschwärme
G. C h u n , Die pelagische Thierwelt. ®