der That der Fall ist, bestätigte sich vollkommen bei meinen Excursionen für Leipzig und seine Umgebung.
Für die übrigen, bis jetzt bekannten Fundorte des Leucochloridium paradoxum scheinen die Verhältnisse
ganz ähnlich zu liegen.
So hat Ahrens1) die infizierte Succinea amphibia in der sumpfigen, mit Laubwald bestandenen Elsterniederung
der Döllnitzer Aue bei Halle gefunden; unter gleichen Verhältnissen wurde sie Elsteraufwärts
von mir bei Gaschwitz an den der Elster und Pleisse zufliessenden Gewässern beobachtet. Saaleabwärts
war es Pieper2), dem es gelang, bei Bernburg wiederholt infizierte Bernsteinschnecken aufzufinden. Im
Elbgebiet traf sie Carus8) auf einer Elbinsel bei Pillnitz; an der Oder fanden von Siebold und Hensel4)
ihrer viele bei Breslau. Sodann hat man sie in neuerer Zeit auch in der Weichselniederung bei Danzig
beobachtet6), wo sie von Siebold früher vergeblich gesucht hatte.
Aus den gebirgigen Teilen Deutschlands, dem Süden und Westen, sind die Beobachtungen weit
spärlicher. So hat man bei Würzburg das Leucochloridium gesucht, aber ohne Resultat, ebenso bei Erlangen
und Freiburg im Breisgau. Dagegen verfügte Zeller6) in Winnenthal in Württemberg über reiches Material,
Leydig7) fand es bei Bonn.
Aus alledem scheint hervorzugehen, dass, soweit unsere gegenwärtigen Kenntnisse reichen, das
Leucochloridium zwar räumlich eine ziemlich ausgedehnte geographische Verbreitung besitzt, dass es aber
immer nur an einzelne, mit ganz bestimmten Qualitäten ausgestattete und örtlich eng begrenzte Gebiete
gebunden ist. Es scheint mir jedoch nicht zweifelhaft, dass bei genauerem und sorgfältigerem Nachsuchen
dasselbe noch an manchen Orten entdeckt werden wird, an denen sein Vorkommen bis jetzt noch nicht
constatiert ist. Freilich ist das Suchen des Leucochloridium, wenigstens in der Umgebung von Leipzig
eine Aufgabe, zu deren Lösung ein gewisse Dosis Heroismus gehört. Neben vielen sehr interessanten und
harmlosen Dingen beherbergen die zahlreichen Lachen und Tümpel der Niederung auch Tausende von
Stechmückenlarven, die, so lange sie im Wasser sind, keinerlei üble Eigenschaften verraten, deren geflügelte
Angehörige aber£ dem genus Homo ohne Ansehen der Person blutige Feindschaft geschworen zu haben
scheinen und dem friedlichen Spaziergänger in gleicher Weise wie dem strebsamen Forscher den Aufenthalt
in ihrem Revier nach Kräften verleiden.
Über den Bau des Leucochloridium.
Wie bereits durch die früheren Untersuchungen festgestellt wurde (Carus8), setzt sich der gesammte
Complex des Leucochloridium aus zwei Hauptteilen zusammen; das ursprüngliche, primäre an demselben
*) Ahrens. 1. c. pag. 293.
*) Pieper. Wiegmanns Archiv für die Naturgeschichte. 1851. Bd. I. pag. 313. |J Carus. 1. c. pag. 87.
4) von Siehold. 1. c. pag. 425.
6) E. Schumann. Zur Kenntnis der Weichtiere Westpreussens. Naturforschende Ges. zu Danzig. N. P. VI. Bd. 4. Heft,
pag. 8. Sep.-Abd. Der Parasit wird als Eristalislarve bestimmt.
I) Zeller. .1, c. pag. 564.
7) Leydig. Berichte der niederrhein. naturf. Gesellsch. Bonn.
8) cf. Einleitung, pag. 10.
ist das „Netzwerk feiner Fäden mit ästigen Enden“, in dem die jungen Cerkarien ihren Ursprung nehmen;
wenn die Keimlinge dann eine gewisse Grösse und Ausbildung erreicht haben, werden sie, um weiteren
Keimproducten Platz zu machen, in besondere Reservoire oder Depots gebracht, Teile des Fadenwerkes,
die in Folge dieser Anfüllung mit der Distomenbrut an Umfang nach und nach immer mehr zunehmen,
und schliesslich in völlig fertig gebildetem Zustande die grossen, lebhaft gefärbten Schläuche darstellen,
welche die älteren Beobachter allein von dem gesammten Leucochloridium kannten und nach denen das-
Ganze benannt wurde. Wir finden in Folge dessen an einer alten Sporocyste ausser einem oder mehreren
ausgewachsenen und ausgefärbten Schläuchen auch eine Anzahl jüngerer auf verschiedenen Stadien der
Füllung, deren Färbung ebenfalls alle möglichen Übergänge zeigt, (cf. Fig. 1.)
Was nun zunächst die e ig en tlich e K e im stätte anlangt, so repräsentiert dieselbe eine mehr oder
minder grosse Masse reich verzweigter Fäden, die wie die Aste eines Baumes von einem gemeinsamen
Mittelpunkte aus ihren Ursprung nehmen und mit abgerundeten Spitzen endigen. Sie durchsetzen die Leber
ihres Trägers nach allen Richtungen, so dass es so gut wie unmöglich ist, eine ältere Sporocyste in toto
unverletzt aus derselben heraus zu präparieren. Diese Fäden besitzen eine durchschnittliche Dicke von
0,06—0,034, sind aber in ihrem Verlauf nicht überall gleich stark, sondern zeigen allenthalben Einschnürungen,
vielfach auch seitliche buckelartige Auftreibungen, die später zu den Seitensprossen des Hauptfadens sich
weiter entwickeln und eine reichere Entfaltung des gesammten Schlauchwerkes bedingen. Im Inneren sind
diese Fäden hohl; sie sind mit einer lymphatischen Flüssigkeit gefüllt, in der die verschiedenen Stadien
der Keimkörper frei suspendiert gefunden werden. Diese innere Höhlung setzt sich naturgemäss auch in
die dem Nestwerk anhängenden Schläuche fort.
Einige der freien Enden des Sporocystenfadenwerkes wachsen etwas länger aus und erhalten an ihrer
Spitze eine an Grösse immer mehr zunehmende Auftreibung, die nach hinten aber noch ganz allmählich
bis zur normalen Dicke der Genistfäden abnimmt. Die grösseren unter diesen jungen Schläuchen zeigen
bereits einen Beginn der späteren Färbung, doch scheint deren definitive Ausbildung erst von dem Zeitpunkt
an einzutreten, wo die Schläuche bereits soweit mit Brut gefüllt sind, dass sie nach vorn in den Schneckenfühler
einzutreten beginnen. Erst von dieser Zeit an datiert auch die eigentümliche rhythmische Bewegung
der Schläuche, auf die wir weiter unten ausführlicher zurückkommen werden.
Die völlig ausgebildeten re ifen Schläuche erinnern in ihrer ganzen äusseren Erscheinung augenfällig
an gewisse Dipterenlarven, ein Umstand, der es erklärlich macht, dass die älteren Forscher im Unklaren
über das Wesen derselben bleiben konnten. Sie besitzen einen cylindrischen, nach vorn sich etwas
konisch zuspitzenden Leib von 1,5 mm Dicke und 10 mm durchschnittlicher Länge, der sich gegen den
Communikationsschlauch, der diese mit der Sporocyste verbindet, ziemlich scharf absetzt, (cf. Fig. 1.)
Das eigentümlich geringelte, an die segmentierten Fliegenlarven erinnernde Aussehen der Schläuche
ist nicht der Ausdruck einer inneren Gliederung, sondern wird lediglich bedingt durch die Färbung. Es
finden sich nämlich auf der Schlauchoberfläche in ziemlich regelmässigen Abständen von einander pigmentierte
Ringe von nur geringem Durchmesser, zu denen sich am Vorderteil des Schlauches zwei breite nach
hinten noch durch eine Reihe schwarzer Punkte begrenzte Ringe von viel dunklerer Färbung gesellen. Die
Spitze des ganzen ist dunkelbraunrot gefärbt und mit einer Anzahl mehr oder minder regelmässig gruppierter
schwarzer, buckelartiger Erhebungen ausgestattet.