Dimensionen beibehält, beide Platten aber durch Sarkolemma mit einander fest verbunden sind, so muss
eine Krümmung des gesammten Receptaculum eintreten. Berücksichtigt man ferner, dass die Retractores
receptaculi und die sogenannten Retiriacula das hintere Ende der Rüsseltasche in unveränderter Lage
zu erhalten vermögen, so wird man einsehen, dass durch diese Bewegung nur das vordere Ende, also
die Ebene, welcher der Hakenrüssel eingepflanzt ist, in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Und in
der That lehrt die direkte Beobachtung, dass eine Kontraktion der dorsalen beziehentlich der ventralen
Deckmuskelplatte dem Rüssel eine Neigung nach der Bauch- oder Rückenfläche verleiht.
Bei den übrigen von mir untersuchten Arten wird die Winkelstellung des Rüssels durch die ungleich-
mässige Vertheilung der kontraktilen Elemente in den Wandungen des Receptaculum bewirkt. Um
jedoch einen klaren Einblick in diese Verhältnisse zu erhalten, müssen wir uns den histologischen Bau
der Rüsseltasche in’s Gedächtniss zUrüekrufen.
In einem früheren Kapitel habe ich dargethan, dass bei allen diesen Arten in einer jeden der
das Receptaculum aufbauenden Faserplatte die Zahl der Fibrillen an der Rückenfläche grösser ist, als
an den Seiten, und hier wiederum beträchtlicher als am Bauche. Bekanntlich ist aber die Kraftleistung
eines Muskels, der sich aus gleich langen und gleich dicken Fibrilien zusammensetzt, proportional der
Menge der Fibrillen und somit auch proportional der Grösse des Querschnittes. Es wird deshalb an
der Rückenfläche eine verhältnissmässig viel energischere Kontraktion erzielt werden können, als an den
Seiten oder gar am Bauche. Die Thatsache aber, dass bei einem jeden Muskel der Querschnitt sich in
demselben Maasse vergrössert, wie seine Länge abnimmt, macht es ohne weiteres begreiflich, dass bei
einer Kontraktion der Ringfibrillen die Dicke der einzelnen Platten und somit auch die Länge des
Receptaculum an der dorsalen Fläche schneller zunimmt als an der gegenüberliegenden. Einer jeden
Protrusion des Rüssels wird also auch hier eine Krümmung des Receptaculum und demnach auch eine
Neigung der Rüsselachse nach dem Bauche vorausgehen.
Für die grösseren Spezies: Echinorhynchus gigas und Echinorhynchus moniliformis ist die einseitige
Verdickung der Receptaculumwandung behufs Schrägstellung des Rüssels nicht ausreichend; es
werden daher Komplikationen des Rüsselmechanismus zur unbedingten Nothwendigkeit. Zunächst sehen
wir von der äusseren Sarkolemmahülle des Receptaculum zahllose dünne Sarkolemmabänder in radialer
Richtung in die Fibrillenplatten eindringen. Zweifellos haben sie die Bestimmung, bei Kontraktion der
cirkulären Fasern der Ausdehnung in radialer Richtung Widerstand zu leisten. Doch auch diese Einrichtung
genügt nicht, um die erforderliche Krümmung der Rüsselscheide herbeizuführen. Zu diesem
speziellen Zwecke ist auf der Aussenfläche des die Bauchwand der Scheide bildenden Sarkolemma
jener breite und kräftige Längsmuskel angebracht, den wir vom Rüsselringe aus bis hinter das Centralnervensystem
herabziehen sehen.
Ich bin in Vorstehendem von der Ansicht ausgegangen, dass den Sarkolemmahäuten, soweit sie
die Umhüllung der Rüsseltasche bilden, eine aussergewöhnliche Festigkeit eigen ist. Die Richtigkeit
dieser Annahme beweist zur Genüge die Thatsache, dass die Insertion des Receptaculum bei den meisten
Arten durch einen breiten, der Muskulatur völlig entbehrenden Ring vermittelt wird, der ganz dieselben
Eigenschaften, wie das Sarkolemma der Muskelcylinder aufweist und ohne merkliche Grenze in das
letzere übergeht Das Ringfasernetz, das bei Echinorhynchus porrigens auf der Innenfläche dieses
Sarkolemmaringes sich ausbreitet, hat lediglich den Zweck, zu verhindern, dass durch die Kontraktionen
«der am oberen Ende des Ringes sich befestigenden Retractores colli die Wirkung des Receptaculum geschwächt
wird.
In engster Reziehung zu der Winkelstellung des Rüssels stehen die unter dem Namen Retinacula
bekannten seitlichen Muskelrohre. Man räumte ihnen seither eine sehr untergeordnete Stellung ein,
indem man sie nur als Hüllen betrachtete, die bei dem Vor- und Rückwärtsgehen der Rüsseltasche die
grossen Seitennervenbündel vor Zerrungen schützen sollten. Gegen eine derartige Auffassung spricht
vor Allem der Umstand, dass in der Rüsselhöhle und im Leibesraume vollkommen frei verlaufende
Nervenbündel Vorkommen, die mit einem allerdings sehr dicken Sarkolemmaüberzuge, niemals aber mit
einer Muskelscheide versehen sind. Für die grösseren Spezies, und zumal für solche, die den Darm der
höheren Wirbelthiere bewohnen, bekommen die Retinacula eine hohe Bedeutung, indem sie durch das
Emporheben des hinteren Receptaculumendes dem Rüssel eine viel stärkere Neigung zu verleihen im
•Stande sind, als dies etwa durch die Krümmung der Fasercylinder selbst möglich ist. Es treten dann
die Retinacula nicht in den Seitenlinien, sondern oberhalb derselben aus der Leibeswand hervor und
bilden eine einfache Schlinge, in deren Mitte die Rüsseltasche befestigt ist (z. B. Echinorhynchus
jjorrigens).
Bei Echinorhynchus angustatus und Echinorhynchus haeruca sind die Muskelscheiden der hinteren
.Seitennerven verhältnissmässig viel geringer entwickelt, als bei den übrigen von mir besprochenen
Arten. Sie haben eigentlich nur den Zweök, das Receptaculum bei seinen Bewegungen inmitten der
Leibeshöhle zu erhalten, und verdienen deshalb mit vollem Rechte den ihnen zuertheilen Namen. Die
.zur Einbohrung erforderliche Neigung erhält der Rüssel durch eine Krümmung des Vorderleibes.
Es existieren aber auch Spezies, bei denen die Retinacula sehr stark rückgebildet (Echinorhynchus
proteus), oder sogar gänzlich in Wegfall gekommen sind (Echinorhynchus clavaeceps). In diesen Fällen
sind gewöhnlich am Receptaculum selbst Einrichtungen angebracht, die dem Rüssel eine Neigung nach
•dem Rücken und Bauche (Echinorhynchus proteus) oder wenigstens in der letzteren Richtung zu ertheilen
vermögen (Echinorhynchus clavaeceps).
Es scheinen ferner noch zwei Muskelsysteme weit verbreitet zu sein, nämlich die sogenannten
rücklaufenden Retraktoren und jenes weitmaschige Ringfasernetz, das zwischen den letzteren und der
Rüsselhaut sich ausbreitet und besonders in der hinteren Rüsselhälfte eine beträchtliche Dicke erreicht.
Die Wirkungsweise dieser Muskeln lässt sich leicht am lebenden Echinorhynchus studiren, wenn man ihm
Gelegenheit giebt, sieh von neuem in die Darmwand seines Wirthes einzubohren.
Gewöhnlich gelingt es nach einigen vergeblichen Protrusionen dem Wurme, eine der äquatorialen
Hakenreihen, die sich bei allen Arten durch sehr kräftige, krallenförmige Dornfortsätze auszeichnen, in
das Darmepithel einzuschlagen. Durch wiederholtes Ein- und Ausstülpen wird das darüber liegende
Gewebe zerrissen und eine Hakenreihe nach der anderen in der Darmwand vergraben. Hat die vordere
Hälfte des Rüssels sich genügend befestigt, so gewahrt man die ersten Kontraktionen der rücklaufenden
Retraktoren, wodurch der Hakenapparat sich um ungefähr ein Drittheil seiner Gesammtlänge verkürzt.
Die vorderen Hakenreihen können, da der Zug in der Richtung der Dornfortsätze wirkt, ihren Ort
nicht verlassen. Die Haken der hinteren Rüsselhälfte dagegen werden, falls sie schon in die Gewebe
eingebohrt waren, heraus gehoben und vorwärts bewegt, falls sie aber noch ausserhalb der Wunde lagen,
in selbige hineingezogen. Erschlaffen alsdann die rücklaufenden Retraktoren, so dringen die nach hinten
Bibliotheca zoologica. Heft VII. 16