Ansicht -wurde von den späteren Helminthologen völlig ignorirt, bis ihr endlich v. S i c h o l d 1) , zu ihrem
Rechte verhalf uud durch seine gründlichen Untersuchungen allgemeine Geltung verschaffte. Nach
v. S i e b o l d haben sich wohl alle exacten Forscher dieser Ansicht angeschlossen.
Die Frage, welche Funktion den Lcmnisken zukomme, hat bis in die neueste Zeit hinein
wiederholt zu Erörterungen Anlass gegeben.
P a g e n s t ec h e r 2) hält die Lcmnisken für Exkretionsorgane, die in einer an d e r Halsbasis befindlichen
Ilautfalte ausmünden und alle jene iifL Körper ausgeschiedenen unbrauchbaren Stoffe nach
aussen befördern sollten.
Auch G r e e f f 8) selilitssi aus der Anwesenheit dunkelgefärbter; fester Körner, die zumal beim
Ecliinorhjnclius polymcrphus in grösser Anzahl vorhanden sind, dass den Lemnisken eine secretorische
Thätigkcit zu vindiciron sei. Nach L e u c k a r t 1) dagegen sind die Lemnisken als einfache Fortsetzungen
der Subcuticula zu betrachten, die durch Vergrösserung der Oberfläche einen reichlicheren Uebertritt
der aufgenommenen Nahrungsstoffe in die Leibeshöhle und damit denn auch eine bessere Ernährung der
inneren Organe, vornehmlich der Geschlechtsorgane, ermöglichen.
Filzfaserscliiclit.
Um den Zweck des so komplicirten Baues der äusseren Subcuticularschicht richtig zu beurtheilen,
muss man vor allen Dingen in Erwägung ziehen, dass bei den Acanthocephalen das Absorptionsvermögen
der Haut in weit höherem Masse ausgebildet ist, als bei den übrigen Vertretern der Helminthenfauna.
Den Ansprüchen einer leichten Imbibitionsfähigkeit wie einer ausgiebigen Dehnbarkeit kann
wohl kaum ein Gewebe vollständiger genügen, als jenes filzartige, von zahllosen feinen Kapillaren durchzogene
Fibrillengeflecht der Filzfaserschicht. Weit andere Verhältnisse finden wir bei den nächsten
Verwandten der Echinorbynchen, den Ascariden. An Stelle jenes dehnbaren Fasergewebes gelangt hier
eine mehrschichtige, wenig elastische Cuticularmasse zu einer excessiven Entwickelung, während ihre
Matrix, die Hypodermis, bei der Bildung der Leibeswand eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Aus dem
Gesagten erklärt sich denn auch das verschiedene Verhalten der aus dem Darmschleime in Wasser übertragenen
Würmer. Die Echinorhynchen schwellen binnen kurzer Zeit -au f; ihre Haut dehnt sich um
fast das Doppelte ihrer ursprünglichen Fläche, bis endlich die Elasticität der gespannten Wandung dem
sich mehr und mehr vermindernden endosmotischen Drucke das Gleichgewicht hält. Bei den Ascariden
tritt eine verhältnismässig nur geringe Volumenvergrösserung ein. Da trotzdem aber die Absorption
ruhig ihren Fortgang nimmt, so steigert sich der Druck in dem Maasse, dass endlich die eingeengten
Flüssigkeiten durch Sprengen der Körperwand in mehr oder minder grösser Ausdehnung sich Austritt
verschaffen.
*) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, pg. 128.
2) Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, 1863, pg. 420.
3) Archiv für Naturgeschichte, 1864, pg. 105, 106.
4) Die menschlichen Parasiten, 2. Bd. pg. 739.
R adiärfi I>i*l 11 eiis<;liiclit.
TVas die Natur der Radiärfasern anbetrifft, so hat man ihnen seit S c h n e i d e r 1) wohl allgemein
einen muskulösen Charakter zugeschrieben. Und in der Tliat beweist die Entwicklungsgeschichte, dass
wir in jenen Hypodermisfasern eben dieselben Elemente vor uns haben, die bei den Trematoden als
Radialmuskeln den Pharynx und die Saugnäpfe konstituiren.2) Die Funktiou der subcuticularen Muskel-
fibrillen ergibt sich ohne Weiteres aus ihrer Anordnung. Sie sind bestimmt, die das Röhrensystem
erfüllende Flüssigkeit in reger Zirculation zu erhalten.
Wie wir bei Besprechung der früher erschienenen Abhandlungen bemerkten, stellte S c h n e i d e r
die Behauptung auf, dass das Gefässnetz durch die an der Halsbasis befindliche Cuticularfalte in zwei
völlig von einander geschiedene Abschnitte zerfalle. L e u c k a r t 3) räumt den Flüssigkeitsströmungen in
Heiden Körperthoilen zwar ebenfalls eine gewisse Selbständigkeit ein, bezweifelt aber, dass die Trennung
eine so vollständige und durchgreifende sei, wie dies S c h n e i d e r angegeben. Eine endgültige En tscheidung
dieser Frage kann nur au f experimentellem Wege herbeigeführt werden.
Um zunächst festzustellen, wie weit nach vo rn sich das Gefässsystem des Leibes erstreckt, wurde
der sorgfältig vom Darmschleime gereinigte lebende Riesenkratzer in eine vollkommen neutrale Lösun°‘
von ammoniakalischem Karmin gelegt und zwar so, dass nur der Hinterleib von der Solution umspült wird.
Hat die Leibeswand genügende Mengen imbibirt, was man leicht an der dunkleren Färbung des aus
der Flüssigkeit hervorragenden Stückes erkennt, so wird der Helminth durch starken Alkohol ge-
tö d tet4). Untersuchen Avir je tzt die Halsgegend auf Längsschnitten, so Averden Avir uns bald überzeugen,
dass die Ablagerung des körnigen Farbstoffes lediglich in der unterhalb des Cuticularringes gelegenen
Leibespartie stattgefunden hat.
Die Selbständigkeit der Flüssigkeitsströmungen in dem Kopfabschnitte Avird folgender Versuch
völlig ausser Zweifel stellen. Einem lebenden Echinorhynclms gigas Avird der HautmuskelSchlauch dicht
unterhalb der Cuticularfalte durch einen Kreisschnitt abgetrennt und das restirende Stück über einer mit
Karminlösung gefüllten Schale derartig aufgehängt, dass nur die beiden Lemnisken von der Tinktions-
flüssigkeit benetzt Averden. Nach Verlauf Aveniger Minuten Avird die dunkelrothe Solution in den
Lemnisken aufsteigen und in den an der Halsbasis befindlichen Ringkanal übertreten, um sich von hier
aus zunächst in den Lückenräumen des Halses, dann aber auch in denjenigen des Rüssels auszubreiten.
Unterhalb des Cuticularringes werden wir vergeblich nach dem genannten Farbstoffe suchen.
Das subcuticulare Gefässsystem zerfällt demnach in zAvei vollständig von einander getrennte
Abschnitte, deren jeder ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, und zAvar in einen vorderen, welcher
den Hals, den Rüssel und die beiden Lemnisken umfasst, und einen hinteren, dessen unregelmässiges
*) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1868. pg. 583.
*) Schon L e u c k a r t hebt die Aehnlichkeit, welche die Radiärmuskeln mit den musculösen Fibrillen des Tre-
matodenpharynx besitzen, hervor. Die menschlichen Parasiten, 2. Bd., pg. 736.
8) ebendaselbst, pg. 740—741.
*) Um zu einem richtigen Resultat zu gelangen, hat man vor allen Dingen sein Augenmerk darauf zu richten,
dass die Uöberführung des. Farbstoffes in den unlöslichen Zustand mit der Abtödtung des Helminthen Zusammenfalle, da
die Diffusionserscheinungen mit dem Absterben der Gewebe Sich wesentlich än d e rn .